Mühlenstraße 1 | 27356 Rotenburg (Wümme)
(04261) 93 70 0

WBP NEWS

Online-News für den 01.05.2018

Wirtschaftsrecht

Rücktritt vom Kaufvertrag trotz Nachbesserung bei Abgasmängeln möglich
Der Käufer hatte vom Auto-Zentrum im Januar 2015 einen gebrauchten Audi A 4 2,0 TDI Ambition erworben. Im September 2016 erfolgte das Software-Update durch die Verkäuferin; im Dezember 2016 trat der Kunde vom Kaufvertrag zurück.
Das OLG führt aus, das Fahrzeug sei schon wegen des Einsatzes der Steuerungssoftware mangelhaft gewesen. Diese sah für den Betrieb des Pkw auf dem Emissionsprüfstand einen speziellen Betriebsmodus vor, ohne dass die für die Erteilung der Betriebszulassung zuständige Behörde hiervon in Kenntnis gesetzt war. Der Käufer trage die Darlegungs- und Beweislast für das Fehlschlagen einer vorgenommenen Nachbesserung nur dann, wenn er eine ihm als (Nach-)Erfüllung angebotene Leistung als Erfüllung angenommen habe. Stehe jedoch ein Sachmangel bei Gefahrübergang fest, sei der Anspruch des Käufers auf Übergabe und Übereignung einer mangelfreien Sache zunächst nicht vollumfänglich erfüllt worden. Werde dem Käufer die als Nachbesserung in Betracht kommende Leistung – hier das Software-Update – nicht unter Anerkennung des ursprünglichen Mangels als Nacherfüllung angeboten und lasse der Käufer die Leistung auch deshalb durchführen, weil er eine Gefährdung der Betriebszulassung befürchten müsse, verbleibe es dagegen bei der grundsätzlichen Darlegungs- und Beweislast des Schuldners bzw. Verkäufers für das Gelingen der (Nach-)Erfüllung. Zudem seien den Kunden die zur Beurteilung des Erfolgs der Nachbesserung notwendigen Details nicht bekannt gewesen. Das spreche dafür, dass der Käufer die erfolgte Nachbesserung inhaltlich nicht habe billigen wollen, sondern an der Durchführung des Software-Updates nur deshalb mitgewirkt habe, um das Fahrzeug weiterhin nutzen zu können. Der Käufer müsse allerdings konkrete Sachmängel darlegen, die auf das Software-Update zurückgehen sollen. Dem habe der Kläger genügt, indem er nachteilige Auswirkungen des Software-Updates auf die Motorleistung, den Verbrauch, die CO2-Emissionen und die Lebensdauer des Pkw bzw. seiner Teile (Verschleiß) behauptet habe. Einer Nachfristsetzung habe es hier nicht bedurft. Eine erneute Nachbesserung hätte es u. a. erfordert, dass der Hersteller eine neue Lösung zur Einhaltung der Stickstoffoxid-Emissions-Grenzwerte unter Beibehaltung der bisherigen Leistungs- und Verbrauchswerte sowie unter Schonung der Bauteile des Fahrzeugs entwickelt, erprobt und nach Erwirkung einer neuerlichen Freigabe des Kraftfahrtbundesamtes in der erforderlichen Menge hätte herstellen lassen. Den Käufern, könne es nicht zugemutet werden, sich erneut auf eine ungewisse Nachbesserung mit unbekanntem Inhalt in einem nicht prognostizierbaren zeitlichen Rahmen einlassen zu müssen. Das OLG hat eine Beweiserhebung angeordnet, zu deren Vorbereitung er dem Verkäufer aufgegeben hat, die Wirkungsweise der ursprünglich, d. h. vor dem Software-Update, zur Motorsteuerung eingesetzten Software in beiden Betriebsmodi sowie des Software-Updates und des im Zusammenhang damit eingebauten Strömungsgleichrichters darzulegen. Sodann soll mit Hilfe eines Sachverständigen insbesondere darüber Beweis erhoben werden, ob das Software-Update nachteilige Auswirkungen auf die Leistung, den Verbrauch, die Stickstoffoxid- und die CO2-Emissionen und die Lebensdauer des Fahrzeugs bzw. einzelner Bauteile hat. (OLG Köln, Beschl. v. 27.03.2018 – 18 U 134/17)

Abstract: Die Rückabwicklung des Kaufvertrags über ein Fahrzeug, das vom Hersteller mit einer Software für die Motorsteuerung versehen worden war, kommt auch dann in Betracht, wenn der Kunde ein Software-Update hat installieren lassen und das Fahrzeug anschließend genutzt hat.

Steuerrecht

Selbst getragene Krankheitskosten können nicht beim Sonderausgabenabzug berücksichtigt werden
Der Kläger und seine Ehefrau haben Beiträge an ihre privaten Krankenversicherungen zur Erlangung des Basisversicherungsschutzes gezahlt. Um in den Genuss von Beitragserstattungen zu kommen, hatten sie angefallene Krankheitskosten selbst getragen und nicht bei ihrer Krankenversicherung geltend gemacht. In der ESt-Erklärung kürzte der Kläger zwar die Krankenversicherungsbeiträge, die als Sonderausgaben angesetzt werden können, um die erhaltenen Beitragserstattungen, minderte diese Erstattungen aber vorher um die selbst getragenen Krankheitskosten, da er und seine Ehefrau insoweit wirtschaftlich belastet seien. Weder das Finanzamt noch das Finanzgericht folgten seiner Auffassung.
Der BFH sah das ebenso. Es könnten nur die Ausgaben als Beiträge zu Krankenversicherungen abziehbar sein, die im Zusammenhang mit der Erlangung des Versicherungsschutzes stünden und letztlich der Vorsorge dienten. Daher hatte der BFH bereits entschieden, dass Zahlungen aufgrund von Selbst- bzw. Eigenbeteiligungen an entstehenden Kosten keine Beiträge zu einer Versicherung sind. Zwar werde bei den selbst getragenen Krankheitskosten nicht – wie beim Selbstbehalt – bereits im Vorhinein verbindlich auf einen Versicherungsschutz verzichtet, vielmehr könne man sich bei Vorliegen der konkreten Krankheitskosten entscheiden, ob man sie selbst tragen wolle, um die Beitragserstattungen zu erhalten. Dies ändere aber nichts daran, dass in beiden Konstellationen der Versicherte die Krankheitskosten nicht trage, um den Versicherungsschutz „als solchen“ zu erlangen. Ob die Krankheitskosten als einkommensmindernde außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33 EStG anzuerkennen seien, musste der BFH nicht entscheiden: Da die Krankheitskosten der Kläger die sog. zumutbare Eigenbelastung des § 33 Abs. 3 EStG wegen der Höhe ihrer Einkünfte nicht überstiegen, kam bereits aus diesem Grunde ein Abzug nicht in Betracht. (BFH, Urt. v. 29.11.2017 – X R 3/16)

Abstract: Trägt ein privat krankenversicherter Steuerpflichtiger seine Krankheitskosten selbst, um dadurch die Voraussetzungen für eine Beitragserstattung zu schaffen, können diese Kosten nicht als Beiträge zu einer Versicherung i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a EStG steuerlich abgezogen werden.

Arbeitsrecht

Dynamische Bezugnahmeklausel – Änderung durch Betriebsvereinbarung
Der Kläger ist seit 1991 bei der Beklagten und ihrer Rechtsvorgängerin als Masseur in einem Senioren- und Pflegezentrum beschäftigt. In einer Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag von Dezember 1992 verständigte sich die Rechtsvorgängerin der Beklagten mit dem Kläger auf eine Reduzierung der Arbeitszeit. In der Vereinbarung heißt es, die Vergütung betrage „monatlich in der Gruppe BAT Vc/3 = DM 2.527,80 brutto“. Im Februar 1993 schlossen die Rechtsvorgängerin der Beklagten und der bei ihr gebildete Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung. Danach sollten in ihrem Anwendungsbereich „analog die für die Angestellten des Bundes und der Länder vereinbarten Bestimmungen des Lohn- und Vergütungstarifvertrages – BAT vom 11. Januar 1961“ gelten. Ihre Bestimmungen sollten automatisch Bestandteil von Arbeitsverträgen werden, die vor Februar 1993 geschlossen worden waren. Die betroffenen Arbeitnehmer sollten einen entsprechenden Nachtrag zum Arbeitsvertrag erhalten. Einen solchen Nachtrag unterzeichneten die Rechtsvorgängerin der Beklagten und der Kläger im März 1993. Die Beklagte kündigte die Betriebsvereinbarung zum 31. Dezember 2001. Im März 2006 vereinbarten die Parteien im Zusammenhang mit einer Arbeitszeiterhöhung, dass das Gehalt „entsprechend der 0,78 Stelle auf 1.933,90 Euro erhöht“ werde und „alle übrigen Bestandteile des bestehenden Arbeitsvertrages … unverändert gültig“ blieben. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme Vergütung nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst in der für die kommunalen Arbeitgeber geltenden Fassung (TVöD/VKA) bzw. dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) zu. Die Beklagte meint, eine dynamische Bezugnahme auf die vom Kläger herangezogenen Tarifwerke liege nicht vor.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision des Klägers vor dem BAG war erfolgreich. Die Beklagte ist verpflichtet, den Kläger nach der jeweiligen Entgelttabelle des TVöD/VKA zu vergüten. Der Kläger und die Rechtsvorgängerin der Beklagten haben die Vergütung nach den jeweils geltenden Regelungen des BAT und nachfolgend des TVöD/VKA arbeitsvertraglich vereinbart. Die Betriebsvereinbarung aus dem Jahr 1993 vermochte diese Vereinbarung nicht abzuändern. Ungeachtet der Wirksamkeit der Betriebsvereinbarung unterlag die arbeitsvertragliche Vergütungsabrede bereits deshalb nicht der Abänderung durch eine kollektivrechtliche Regelung, weil es sich bei der Vereinbarung der Vergütung nicht um eine allgemeine Geschäftsbedingung, sondern um eine individuell vereinbarte, nicht der AGB-Kontrolle unterworfene Regelung der Hauptleistungspflicht handelte. Die vom Landesarbeitsgericht aufgeworfene Frage der – generellen – Betriebsvereinbarungsoffenheit von Allgemeinen Geschäftsbedingungen in Arbeitsverträgen bedurfte deshalb keiner Entscheidung. (BAG, Urt. v. 11.04.2018 – 4 AZR 119/17)

Abstract: Eine individualvertraglich vereinbarte Vergütung nach tariflichen Grundsätzen kann durch eine Betriebsvereinbarung nicht zu Lasten des Arbeitnehmers abgeändert werden.

Wettbewerbsrecht

Angebot des Werbeblockers AdBlock Plus nicht unlauter
Die Klägerin, ein Verlag, stellt ihre redaktionellen Inhalte auch auf ihren Internetseiten zur Verfügung. Dieses Angebot finanziert sie durch Werbung, also mit dem Entgelt, das sie von anderen Unternehmen für die Veröffentlichung von Werbung auf diesen Internetseiten erhält. Die Beklagte vertreibt das Computerprogramm AdBlock Plus, mit dem Werbung auf Internetseiten unterdrückt werden kann. Werbung, die von den Filterregeln erfasst wird, die in einer sog. Blacklist enthalten sind, wird automatisch blockiert. Die Beklagte bietet Unternehmen die Möglichkeit, ihre Werbung von dieser Blockade durch Aufnahme in eine sog. Whitelist ausnehmen zu lassen. Voraussetzung hierfür ist, dass diese Werbung die von der Beklagten gestellten Anforderungen an eine „akzeptable Werbung“ erfüllt und die Unternehmen die Beklagte am Umsatz beteiligen. Bei kleineren und mittleren Unternehmen verlangt die Beklagte für die Ausnahme von der automatischen Blockade nach eigenen Angaben keine Umsatzbeteiligung. Die Klägerin hält den Vertrieb des Werbeblockers durch die Beklagte für wettbewerbswidrig. Sie hat beantragt, die Beklagte und ihre Geschäftsführer zu verurteilen, es zu unterlassen, ein Computerprogramm anzubieten, das Werbeinhalte auf näher bezeichneten Webseiten unterdrückt. Hilfsweise hat sie das Verbot beantragt, ein solches Computerprogramm anzubieten, wenn und soweit Werbung nur nach von der Beklagten vorgegebenen Kriterien und gegen Zahlung eines Entgelts der Klägerin nicht unterdrückt wird. In erster Instanz hatte die Klage keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat das mit dem Hilfsantrag begehrte Verbot erlassen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.
Der BH hat auf die Revision der Beklagten das Berufungsurteil aufgehoben und die Klage auch hinsichtlich des Hilfsantrags abgewiesen. Das Angebot des Werbeblockers stellt keine gezielte Behinderung im Sinne des § 4 Nr. 4 UWG dar. Eine Verdrängungsabsicht liegt nicht vor. Die Beklagte verfolgt in erster Linie die Beförderung ihres eigenen Wettbewerbs. Sie erzielt Einnahmen, indem sie gegen Entgelt die Möglichkeit der Freischaltung von Werbung durch die Aufnahme in die Whitelist eröffnet. Das Geschäftsmodell der Beklagten setzt demnach die Funktionsfähigkeit der Internetseiten der Klägerin voraus. Die Beklagte wirkt mit dem Angebot des Programms nicht unmittelbar auf die von der Klägerin angebotenen Dienstleistungen ein. Der Einsatz des Programms liegt in der autonomen Entscheidung der Internetnutzer. Die mittelbare Beeinträchtigung des Angebots der Klägerin ist nicht unlauter. Das Programm unterläuft keine gegen Werbeblocker gerichteten Schutzvorkehrungen des Internetangebots der Klägerin. Auch die Abwägung der Interessen der Betroffenen führt nicht zu dem Ergebnis, dass eine unlautere Behinderung der Klägerin vorliegt. Der Klägerin ist auch mit Blick auf das Grundrecht der Pressefreiheit zumutbar, den vom Einsatz des Programms ausgehenden Beeinträchtigung zu begegnen, indem sie die ihr möglichen Abwehrmaßnahmen ergreift. Dazu gehört etwa das Aussperren von Nutzern, die nicht bereit sind, auf den Einsatz des Werbeblockers zu verzichten. Es liegt auch keine allgemeine Marktbehinderung vor, weil keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Geschäftsmodell der Bereitstellung kostenloser Inhalte im Internet zerstört wird. Das Angebot des Werbeblockers stellt auch – anders als das Berufungsgericht angenommen hat – keine aggressive geschäftliche Handlung gemäß § 4a UWG gegenüber Unternehmen dar, die an der Schaltung von Werbung auf den Internetseiten der Klägerin interessiert sind. Es fehlt an einer unzulässigen Beeinflussung dieser Marktteilnehmer, weil die Beklagte eine ihr durch das technische Mittel des Werbeblockers etwaig zukommende Machtposition jedenfalls nicht in einer Weise ausnutzt, die die Fähigkeit der Marktteilnehmer zu einer informierten Entscheidung wesentlich einschränkt. (BGH, Urt. v. 19.04.2018 – I ZR 154/16)

Abstract: Das Angebot des Werbeblockerprogramms AdBlock Plus verstößt nicht gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb.