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WBP NEWS

Online-News für den 01.05.2020

Zivilrecht

Kein Schadenersatz von Volkswagen AG wegen Verjährung
Die Kläger hatten jeweils im Jahr 2012 und 2013 von Privatpersonen oder Händlern Fahrzeuge gekauft, die mit einem von der Volkswagen AG hergestellten Dieselmotor vom Typ EA 189 (EU 5) ausgestattet waren. Für die Fahrzeugmodelle mit diesen Motoren, die vom sog. Abgasskandal betroffen sind, lag zum Zeitpunkt des Erwerbs der Fahrzeuge durch die jeweiligen Kläger eine EG-Typgenehmigung vor. Mitte Oktober 2015 ordnete das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) gegenüber der beklagten Volkswagen AG den Rückruf von 2,4 Mio. betroffenen Fahrzeugen an und vertrat die Auffassung, dass es sich bei der in den Fahrzeugen verwendeten Software um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt. Es ordnete an, die entsprechende Software aus allen Fahrzeugen zu entfernen und geeignete Maßnahmen zur Wiederherstellung der Vorschriftsmäßigkeit zu ergreifen. Mit verschiedenen im Jahr 2016 erteilten Bestätigungen hatte das KBA sämtliche betroffenen Fahrzeug- und Motorvarianten, darunter auch die streitgegenständlichen Fahrzeugtypen, unter der Auflage freigegeben, dass ein von der Beklagten entwickeltes Software-Update der Motorsteuerungsgerätesoftware installiert wird. Die Kläger verlangten im Jahr 2019 jeweils Schadensersatz wegen sittenwidriger Schädigung gemäß § 826 BGB ohne Abzug von Nutzungsvorteilen Zug um Zug gegen Übergabe und Rückübereignung der Fahrzeuge sowie entsprechende Zinsen. Dem wurde erstinstanzlich von den jeweiligen Landgerichten überwiegend, allerdings u. a. unter Abzug von Nutzungsvorteilen bei der Bemessung des Schadensersatzanspruches, entsprochen, weshalb die Kläger ebenso wie die Beklagte, diese gegen ihre Verurteilung zu Schadensersatzzahlungen, jeweils Berufung einlegten.
Das OLG hat die erstinstanzlichen Entscheidungen jeweils abgeändert und die Klagen abgewiesen, da gegen die Schadensersatzansprüche erfolgreich die Einrede der Verjährung geltend gemacht werden könne. Die Verjährungsfrist betrage drei Jahre und habe gem. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB mit dem Schluss des Jahres begonnen, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Nach der st. Rspr. des BGH liege die erforderliche Kenntnis im Allgemeinen vor, wenn dem Geschädigten die Erhebung einer Schadensersatzklage, sei es auch nur in Form der Feststellungsklage, erfolgversprechend, wenn auch nicht risikolos, möglich ist. Ausgehend von diesen Grundsätzen hätten die Voraussetzungen für eine Klageerhebung bereits im Jahr 2015 vorgelegen und dem Verjährungsbeginn habe seinerzeit nicht die fehlende Zumutbarkeit einer Klageerhebung entgegengestanden. Vielmehr sei ein Verfahren zur Klärung einer entscheidungserheblichen -und von der obergerichtlichen Rechtsprechung seinerzeit noch nicht entschiedenen Rechtsfrage stets zumutbar. Zuwarten allein lasse keine Klärung der Rechtslage erwarten. Weiter hätten die Autokäufer, die ihre jeweiligen Dieselfahrzeuge mit einem EA 189-Motor bereits im Jahr 2012 oder 2013 erworben hatten, bereits im Jahr 2015 mindestens eine grob fahrlässige Unkenntnis von den gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB für den Beginn der Verjährung erforderlichen Tatsachen gehabt, sodass die Verjährungsfrist mit Ende des Jahres 2015 begonnen habe. Das Unterlassen der Einholung einer Auskunft über die Betroffenheit des eigenen Fahrzeugs bei der Motorenherstellerin im Jahr 2015 z. B. über die vom Volkswagenkonzern ab Oktober 2015 zur Verfügung gestellte Online-Abfrage sei angesichts der öffentlich verbreiteten Informationen des KBA und der Motorenherstellerin als grob fahrlässig anzusehen. Somit seien die entsprechenden deliktischen Ansprüche mit Ablauf des 31.12.2018 verjährt. Die Verjährung sei auch nicht durch eine zwischenzeitliche Anmeldung der Kläger zum Klageregister des Musterfeststellungsverfahrens vor dem OLG Braunschweig gehemmt gem. § 204 Abs. 1 Nr. 1a BGB. Vielmehr müsse der jeweilige Fahrzeugkäufer und
Kläger bei einer Berufung auf eine Verjährungshemmung wegen des Beitritts zu einem Musterfeststellungsverfahren auf das Bestreiten des Beklagten hin den konkreten Beitrittstermin benennen und gegebenenfalls auch belegen. (OLG Stuttgart, Urt. v. 07.04.2020 – 10 U 455/19; Rev. zugelassen)

Abstract: Die Voraussetzungen für eine Klageerhebung im Dieselskandal haben bereits 2015 vorgelegen. Dem Verjährungsbeginn habe seinerzeit nicht die fehlende Zumutbarkeit einer Klageerhebung entgegengestanden. Aus diesen Gründen sei Verjährung eingetreten.

Steuerrecht

Weiterveräußerung von Fußball-Tickets (hier Finale der UEFA Champions League) steuerpflichtig
Die Kläger hatten im April 2015 über die offizielle UEFA-Webseite zwei Tickets für das Finale der UEFA Champions League in Berlin zugelost bekommen (Anschaffungskosten: 330 €) und diese im Mai 2015 über eine Ticketplattform wieder veräußert (Veräußerungserlös abzüglich Gebühren 2.907 €). Entgegen der Auffassung der Kläger, die von der Steuerfreiheit des Veräußerungsgeschäfts ausgingen, erfasste das Finanzamt den Gewinn in Höhe von 2.577 € bei deren Einkommensteuerfestsetzung. Das Finanzgericht gab den Klägern Recht. Der BFH folgte dem nicht; er entschied, dass die Kläger mit der Veräußerung der beiden Tickets ein privates Veräußerungsgeschäft iS.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG verwirklicht haben.
Einkünfte aus solchen privaten Veräußerungsgeschäften unterliegen der ESt. Zu ihnen gehören u.a. Veräußerungen von sog. „anderen Wirtschaftsgütern“ des Privatvermögens, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als ein Jahr beträgt (§§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG); von der Besteuerung ausgenommen sind nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 EStG Veräußerungen von Gegenständen des täglichen Gebrauchs. „Andere Wirtschaftsgüter“ i.d.S. sind sämtliche vermögenswerten Vorteile, deren Erlangung sich der Steuerpflichtige etwas kosten lässt und die einer selbstständigen Bewertung zugänglich sind. Hierzu zählen auch UEFA Champions League-Tickets, mit denen der Karteninhaber das verbriefte Recht auf Zutritt zum Fußballstadion und Besuch des Fußballspiels an dem auf dem Ticket angegebenen Tag erwirbt. Die Tickets stellen nach Auffassung des BFH insbesondere keine sog. „Gegenstände des täglichen Gebrauchs“ dar, so dass sie nicht von der Besteuerung ausgenommen sind. (BFH, Urt. v. 29.10.2019 – IX R 10/18)

Abstract: Veräußert der Steuerpflichtige ein kurz zuvor entgeltlich erworbenes Ticket für ein Spiel der UEFA Champions League, unterliegt ein daraus erzielter Veräußerungsgewinn der Einkommensteuer.

Arbeitsrecht

Arbeitnehmer muss für zwei Flaschen Wein beträchtlichen Schadensersatz leisten
Die klagende Arbeitgeberin betreibt ein Hotel. Sie hat einem Kunden im Jahr 2009 zwei Sechs-Liter Flaschen „Chateau Petrus Pomerol“, Jahrgang 1999, zu einem Gesamtpreis von 13.757,60 € verkauft und diese bei sich eingelagert. Der Beklagte war bei der Arbeitgeberin als Direktionsassistent angestellt und entwendete die Flaschen aus dem Weinkeller, um sie einem Händler für 9.000 € je Flasche zu verkaufen. Nachdem die Arbeitgeberin dies bemerkt hatte, kündigte sie dem Beklagten mit Schreiben vom 19.05.2015 fristlos. Dessen
Kündigungsschutzklage blieb durch alle Instanzen erfolglos. Der Kunde machte nun seinerseits gegenüber der Arbeitgeberin die sich aus dem Verlust der Weinflaschen ergebenden Ansprüche im Oktober 2015 geltend. Im November 2015 erwarb die Arbeitgeberin zwei Sechs-Liter Flaschen „Chateau Petrus Pomerol“, Jahrgang 1999, für zusammen 39.500 € und übereignete sie dem Kunden. Die Arbeitgeberin verlangte nun die geleisteten 39.500 € vom Beklagten zurück. Dieser hält den Kaufpreis von 39.500 € für überteuert. Im Übrigen sei der Schadensersatzanspruch gemäß der Ausschlussfristenregelung im allgemeinverbindlichen Manteltarifvertrag für das Hotel- und Gaststättengewerbe in Schleswig-Holstein nicht rechtzeitig geltend gemacht worden und damit verfallen.
Das LAG hat der Zahlungsklage stattgegeben. Der Beklagte hat durch den Diebstahl der beiden Weinflaschen den berechtigten Besitz der Arbeitgeberin verletzt. Deshalb kann sie vom Beklagten Schadensersatz verlangen, und zwar den Haftungsschaden in Form der Ersatzbeschaffung der Weinflaschen. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, zu dem die Arbeitgeberin die Ersatzbeschaffung in die Wege leiten musste. Nach Einholung eines Gutachtens hielt das LAG diesem folgend den Preis von 39.500 € für angemessen. Der Schadensersatzanspruch war auch nicht verfallen, da die Arbeitgeberin rechtzeitig geklagt hatte. Die im für allgemeinverbindlich erklärten Manteltarifvertrag geregelte Ausschlussfrist (drei Monate nach dem Ausscheiden aus dem Betrieb) berechnet sich ab der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Dies ist die Beendigung des Kündigungsschutzverfahrens durch den Beschluss des BAG über die Verwerfung der Nichtzulassungsbeschwerde. (LAG Schleswig-Holstein, Urt. v. 03.02.2020 – 1 Sa 401/18; nrkr.)

Abstract: Ein Mitarbeiter, der aus dem Betrieb seines Arbeitgebers Weinflaschen eines Kunden entwendet, muss seinem Arbeitgeber den Betrag ersetzen, den dieser benötigt, um auf dem Markt Ersatz zu beschaffen.

UWG

Falscher Kilometerstand in Kfz-Onlinebörse irreführend
Der Beklagte bewarb auf der Plattform autoscout24.de einen Pkw Golf unter Angabe eines Kilometerstandes von 2.040 km für 1.100 Euro. Tatsächlich betrug der Kilometerstand 204.032 km, was auf einem dem Angebot beigefügten Foto zu erkennen war. Nachdem der Beklagte die vom Kläger begehrte Unterlassungserklärung abgegeben und dessen vorgerichtliche Kosten erstattet hatte, erklärten beide Parteien den Rechtsstreit für erledigt. Das LG legte die Kosten dem Kläger mit der Begründung auf, dass eine Irreführung nicht vorliege. Der angesprochene Verkehr würde aufgrund der Diskrepanz den offensichtlichen Eingabefehler erkennen und weiter durch das Foto vom Tachometer ausreichend aufgeklärt. Daran ändere auch die Bewertung als „TOP Angebot“ nichts.
Das OLG hat die Entscheidung des LG aufgehoben und die Kosten des Verfahrens dem Beklagten auferlegt. Zur Begründung führt er aus, dass dem Kläger ein Unterlassungsanspruch aus den §§ 3, 5 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 1, 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 3 UWG zugestanden habe. Die Angabe eines Tachostandes von nur 2.040 km sei unlauter, weil insbesondere das Verhältnis von Tachostand und Kaufpreis entscheidend für die Bewertung des Angebots durch den Algorithmus der Internetplattform sei. Obwohl das Angebot tatsächlich nicht die Kriterien für die Bewertung als „TOP-Angebot“ erfüllt habe, habe die fehlerhafte Kilometerangabe im Text zu einer Einordnung als ein solches „TOP-Angebot“ geführt. Es liege damit eine blickfangmäßig hervorgehobene unwahre Bewertung vor, die nicht ausreichend aufgeklärt werde. Solange ein Verbraucher nicht wisse, wie sich die Bewertung zusammensetze und er möglicherweise annehme, dass auch noch andere Umstände eine maßgebliche Rolle spielen, bestehe eine Irreführungsgefahr i. S. d. § 5 UWG.
Diese bestehe so lange fort, wie das Siegel „TOP-Angebot“ weiterhin gültig sei. Unerheblich sei letztlich, dass die Bewertung seines Angebots als „TOP-Angebot“ nicht durch den Beklagten selbst vorgenommen worden sei, da der Algorithmus jedenfalls auf die von ihm zur Verfügung gestellten Daten zugegriffen und diese ausgewertet habe. Ein schuldhaftes Handeln des Beklagten sei keine Voraussetzung für einen Unterlassungsanspruch gem. § 5 UWG. (OLG Köln, Beschl. v. 09.03.2020 – 6 W 25/20; rkr.)

Abstract: Die irrtümlich erheblich zu geringe Angabe des Kilometerstandes in einem Gebrauchtwagenangebot auf einer Internetplattform (2.040 km statt 204.032 km) ist irreführend, wenn sie aufgrund des Algorithmus der Plattform zu einer blickfangmäßig hervorgehobenen Bewertung als „TOP-Angebot“ führt, auch wenn der Verkehr die Diskrepanz zwischen dem Kaufpreis und der angeblich geringen Laufleistung sofort erkennt oder auf einem eingestellten Foto den tatsächlichen Tachostand erkennen kann.