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WBP NEWS

Online-News für den 01.12.2018

Wirtschaftsrecht

Bestellte Kunst muss bezahlt werden
Streitig ist die Bezahlung eines Videoclips des Comedian Jörg Knör. Eine Kölner Firma hatte den Clip für ihre Jubiläumsfeier bestellt. In dem Video sollten Prominente wie Angela Merkel und Barak Obama vorkommen, welche in der Tonspur von dem Künstler parodiert werden. In einem Briefing machte das Unternehmen u. a. Vorgaben zu den gewünschten Prominenten sowie zur Reihenfolge ihres Erscheinens. Als die Firma rund zwei Wochen vor der Jubiläumsfeier das Video erhielt, teilte sie mit, dass der Clip nicht den Vorgaben entspreche und außerdem nicht gefalle. Sie verweigerte die Zahlung. Das LG hatte die Klage der Künstleragentur abgewiesen, weil das Video in einigen Punkten nicht den Vorgaben im Briefing entsprochen habe. Auf die Berufung der Künstleragentur verurteilte das OLG die Firma zur Zahlung des vereinbarten Preises.
Das OLG, das das Video in der mündlichen Verhandlung angesehen hatte, führte aus, dass die Firma mit dem „VIP-Clip“ eine schöpferische Leistung bestellt habe. Nach der Rechtsprechung des BGH sei bei künstlerischen Werken ein Gestaltungsspielraum des Künstlers hinzunehmen. Der bloße Geschmack des Bestellers führe nicht zur Annahme eines Mangels. Zwar könne der Besteller dem Künstler in Form eines Briefings konkrete Vorgaben zur Gestaltung des Kunstwerkes machen. Allerdings ergebe sich aus der im GG garantierten Kunstfreiheit, dass die künstlerische Gestaltungsfreiheit der Regelfall, die vertragliche Einschränkung derselben die Ausnahme sei. Die Beweislast für die Vereinbarung von Vorgaben, die die schöpferische Freiheit einschränken, liege daher bei dem Besteller. Bestimmte Vorgaben, etwa hinsichtlich der Gestaltung der Übergänge zwischen den in dem Video vorkommenden Prominenten, habe die Firma nicht beweisen können. Andere Abweichungen lägen zwar vor, insbesondere sei der Clip länger als vereinbart gewesen und die gewünschte Reihenfolge der Prominenten sei nicht in allen Punkten eingehalten worden. Diesbezüglich hätte die Firma aber rechtzeitig konkret mitteilen müssen, wie das Video zu ändern sei. Da die von der Firma behaupteten Vorgaben zwischen den Parteien nicht schriftlich festgehalten worden waren, sei es dem grundsätzlich zur Änderung bereiten Künstler nicht zumutbar gewesen, ohne Mithilfe des Bestellers das Video zu kürzen. Konkrete Änderungswünsche seien aber zunächst überhaupt nicht und später mit einer zu kurz bemessenen Frist geäußert worden. Nach dem Firmenjubiläum seien Änderungen nicht mehr möglich gewesen. Da das Video zum Firmenjubiläum gezeigt werden sollte und nach dem Vertrag auch nur auf dieser Veranstaltung gezeigt werden durfte, liege ein sog. „absolutes Fixgeschäft“ vor. (OLG Köln, Urt. v. 14.11.2018 – 11 U 71/18, Rev. nicht zugelassen)

Abstract: Wer ein Kunstwerk bestellt, muss es grundsätzlich auch dann bezahlen, wenn es ihm nicht gefällt.

Steuerrecht

Gesellschaftereinlage zur Vermeidung einer Bürgschaftsinanspruchnahme als nachträgliche Anschaffungskosten auf die GmbH-Beteiligung
Ein GmbH-Gesellschafter hatte eine Bürgschaft für Bankverbindlichkeiten der Gesellschaft übernommen. Mit Blick auf die drohende Inanspruchnahme aus der Bürgschaft, die bevorstehende Vollstreckung in ein als Sicherheit dienendes privates Grundstück sowie die drohende Liquidation der Gesellschaft leistete er – ebenso wie weitere Familiengesellschafter – eine Zuführung in die Kapitalrücklage der GmbH. Ein Teil der Einzahlung stammte aus der mit der Gläubigerbank abgestimmten Veräußerung des besicherten Grundstücks. Die GmbH verwendete das Geld planmäßig dazu, ihre Bankverbindlichkeiten zu tilgen. Durch Erfüllung der Hauptschuld wurden auch die Bürgen von der Haftung frei. Der Kläger und seine Mitgesellschafter veräußerten im Anschluss daran ihre Geschäftsanteile für 0 €. In seiner ESt-Erklärung für das Streitjahr 2010 machte der Gesellschafter einen Verlust aus der Veräußerung seines GmbH-Anteils i. S. des § 17 EStG geltend, der sich aus der übernommenen GmbH-Stammeinlage und der Kapitalzuführung ergab. Das Finanzamt berücksichtigte demgegenüber lediglich den Verlust der eingezahlten Stammeinlage.
Der BFH gab dem Gesellschafter recht und führte damit seine vor dem Hintergrund der Aufhebung des Eigenkapitalersatzrechts durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen v. 23.10.2008 geänderte Rechtsprechung zur Anerkennung nachträglicher Anschaffungskosten im Rahmen des § 17 EStG fort. Nachträgliche Anschaffungskosten auf die Beteiligung sind nach dieser Rechtsprechung nur solche Aufwendungen des Gesellschafters, die nach handels- und bilanzsteuerrechtlichen Grundsätzen (vgl. § 255 HGB) zu einer offenen oder verdeckten Einlage in das Kapital der Gesellschaft führen. Hierzu zählen u. a. auch freiwillige und ohne Gewährung von Vorzügen seitens der Kapitalgesellschaft erbrachte Einzahlungen in die Kapitalrücklage nach § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB, wie sie der klagende Gesellschafter im Streitfall geleistet hatte. Der von ihm insoweit getragene Aufwand war daher bei der Berechnung seines Verlusts aus der Veräußerung der GmbH-Anteile als nachträgliche Anschaffungskosten zu berücksichtigen. Der steuerrechtlichen Anerkennung stand auch nicht entgegen, dass die der Kapitalrücklage zugeführten Mittel von der GmbH gerade dazu verwendet wurden, jene betrieblichen Verbindlichkeiten abzulösen, für die der Gesellschafter gegenüber der Gläubigerbank Sicherheiten gewährt hatte. Unerheblich war auch, mit welchem Wert ein Rückgriffanspruch des Gesellschafters gegen die GmbH zu bewerten gewesen wäre (oder ob er mit einem solchen Anspruch ausgefallen wäre), wenn die Gläubigerbank in die von ihm gegebenen Sicherheiten vollstreckt oder ihn im Rahmen seiner Bürgschaftsverpflichtung in Anspruch genommen hätte. Schließlich vermochte der BFH in der vom Gesellschafter gewählten Vorgehensweise auch keinen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts i. S. des § 42 Abs. 1 Satz 1 AO zu erkennen, da die Ausstattung einer Gesellschaft mit Eigenkapital nicht den Wertungen des Gesellschaftsrechts widerspricht. (BFH, Urt. v. 20.07.2018 – IX R 5/15)

Abstract: Leistet ein Gesellschafter, der sich für Verbindlichkeiten der Gesellschaft verbürgt hat, eine Einzahlung in die Kapitalrücklage der Gesellschaft, um seine Inanspruchnahme als Bürge zu vermeiden, führt dies zu nachträglichen Anschaffungskosten auf seine Beteiligung.

Arbeitsrecht

SokaSiG verfassungsgemäß
Die Klägerin ist die Urlaubs- und Lohnausgleichskasse des Baugewerbes (ULAK), eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien. Sie verlangt von dem beklagten Trockenbaubetrieb auf der Grundlage des für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrags über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe v. 03.05.2013 i.d.F. v. 24.11.2015 (VTV) Beiträge für gewerbliche Arbeitnehmer und Angestellte. Außerdem stützt sie die Beitragsansprüche auf § 7 Abs. 1 SokaSiG. Die ULAK hat in beiden Vorinstanzen obsiegt. Das LAG hat der Beitragsklage aufgrund von § 7 Abs. 1 SokaSiG stattgegeben.
Die Revision der Beklagten hatte vor dem BAG keinen Erfolg. Das SokaSiG ist kein nach Art. 19 Abs. 1 GG verbotenes Einzelfallgesetz. Es stellt lediglich sicher, dass alle verbliebenen Fälle gleichbehandelt werden. Der Gesetzgeber hat die Grenzen beachtet, die aus dem Rechtsstaatsprinzip für echte rückwirkende Rechtsetzung folgen. Ein schützenswertes Vertrauen auf die Unwirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärungen der verschiedenen Fassungen des VTV konnte sich nicht bilden. Die Betroffenen mussten mit staatlichen Maßnahmen zur rückwirkenden Heilung der nur aus formellen Gründen unwirksamen Allgemeinverbindlicherklärungen rechnen. (BAG, Urt. v. 20.11.2018 – 10 AZR 121/18)

Abstract: Das am 25.05.2017 in Kraft getretene Sozialkassenverfahrensicherungsgesetz v. 16.05.2017 ist verfassungsgemäß.

Steuerrecht

Ablaufhemmung nach Erstattung einer Selbstanzeige
Die Steuerfahndung verdächtigte die Kläger nach Auswertung einer angekauften Steuer-CD der Steuerhinterziehung von Kapitalerträgen aus den bei einer liechtensteinischen Stiftung unterhaltenen Kapitalanlagen für den Zeitraum von 1996 bis 2006, hatte aber zunächst keine konkreten Ermittlungen zu den einzelnen Besteuerungsgrundlagen aufgenommen. Die Kläger gaben im Januar 2008 für die Veranlagungszeiträume 2000 bis 2006 eine Selbstanzeige ab, in der sie Kapitaleinkünfte nur für diesen Zeitraum nacherklärten. Im Mai 2008 gaben die Kläger eine Selbstanzeige hinsichtlich der für die Streitjahre 1996 und 1997 nicht erklärten Kapitaleinkünfte ab. Für diese Streitjahre hatten die Kläger ihre Steuererklärungen im Jahr 1998 abgegeben, so dass die reguläre zehnjährige Festsetzungsfrist mit Ablauf des Jahres 2008 endete. Als im Juni 2010 für 1996 und 1997 Änderungsbescheide erlassen wurden, wurde streitig, ob die Bescheide für diese Streitjahre nach Eintritt der Festsetzungsverjährung ergangen waren, da sowohl die Zehnjahresfrist als auch die einjährige Verlängerung der Festsetzungsfrist bei Selbstanzeigen gemäß § 171 Abs. 9 AO zu diesem Zeitpunkt abgelaufen waren. Das Finanzgericht (FG) verneinte den Eintritt der Festsetzungsverjährung. Es stellte fest, die Steuerfahndung habe noch vor Ende des Jahres 2008 bei den Klägern Unterlagen zu den hinterzogenen Kapitalerträgen angefordert, deren Gegenstand allerdings nicht näher konkretisiert werden könne. Die zehnjährige Festsetzungsfrist habe sich hierdurch nach § 171 Abs. 5 AO bis zu dem Zeitpunkt verlängert, zu dem die geänderten Steuerbescheide für die Streitjahre unanfechtbar geworden seien, weil in der Anforderung der Unterlagen Ermittlungsmaßnahmen der Steuerfahndung zu sehen seien.
Der BFH gab hingegen den Klägern Recht. Er hob die Entscheidung des FG auf und verwies die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück. Das FG habe nicht festgestellt, ob die Steuerfahndung zu den nacherklärten Besteuerungsgrundlagen der Streitjahre 1996 und 1997 noch vor Ablauf des Jahres 2008 mit konkreten Ermittlungen begonnen habe. Ermittlungsmaßnahmen im Zusammenhang mit den nacherklärten Besteuerungsgrundlagen anderer Veranlagungszeiträume könnten die Ablaufhemmung gemäß § 171 Abs. 5 AO für die Streitjahre nicht auslösen. Das FG habe im zweiten Rechtsgang aufzuklären, ob und welche konkreten Ermittlungshandlungen von der Steuerfahndung noch vor Ablauf des Jahres 2008 zu den für die Streitjahre nacherklärten Kapitalerträgen ausgeführt worden seien. (BFH, Urt. v. 03.07.2018 – VIII R 9/16)

Abstract: Die einjährige Verlängerung der Festsetzungsfrist nach Abgabe einer Selbstanzeige schließt eine weitergehende Verlängerung der Festsetzungsfrist bei Steuerhinterziehungen nicht aus, wenn die Steuerfahndung noch vor dem Ablauf der zehnjährigen Festsetzungsfrist für Steuerhinterziehungen mit Ermittlungen beginnt und die spätere Steuerfestsetzung für die nacherklärten Besteuerungsgrundlagen auf den Ermittlungen der Steuerfahndung beruht, wenn diese Ermittlungshandlungen konkret der Überprüfung der nacherklärten Besteuerungsgrundlagen dienen.