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WBP NEWS

Online-News für den 01.12.2019

Schadenersatzrecht

Schadenersatz nach nicht erfolgtem Hinweis auf einen drohenden Schaden
Die beklagte Werkstatt hatte das Fahrzeug des Klägers repariert und dabei umfangreiche Arbeiten am Motor durchgeführt. Unter anderem hatte sie alle hydraulischen Ventilspielausgleichselemente und einen Kettenspanner erneuert. Den Zustand der zu diesem Zeitpunkt bereits stark gelängten und austauschbedürftigen Steuerketten untersuchte sie jedoch nicht. Deshalb erlitt der Motor nach einigen hundert Kilometern einen Totalschaden. Das OLG hat festgestellt, dass die Werkstatt den Zustand der Steuerketten hätte überprüfen und dem Kunden einen Austausch empfehlen müssen, denn sie musste auch auf Unzulänglichkeiten an den Teilen des Fahrzeugs achten, mit denen sie sich im Zuge der durchgeführten Reparatur befasste und deren Mängel danach nicht mehr ohne weiteres entdeckt und behoben werden konnten. Wegen Verletzung dieser Prüf- und Hinweispflicht muss sie ihrem Kunden die ihm dadurch entstandenen Kosten für den Erwerb und Einbau eines Austauschmotors erstatten. Davon abzuziehen sind jedoch die Kosten, die dem Kunden ohnehin durch den Austausch der Steuerketten entstanden wären. Weil diese Kosten im konkreten Fall fast gleichhoch waren (jeweils rund 3.500 EUR), kann der Kunde im Ergebnis nur den Nutzungsausfall (1.000 EUR) und die Kosten für ein zur Aufklärung privat eingeholtes Sachverständigengutachten verlangen (rund 2.400 EUR). OLG Düsseldorf, Urt. v. 17.10.2019 – I-21 U 43/18)

Abstract: Eine Werkstatt muss Schadenersatz leisten, wenn sie einen Kunden nicht auf einen weiteren Reparaturbedarf an seinem Fahrzeug hinweist und es dadurch zu einem Schaden kommt.

Steuerrecht

Vertrauensschutz bei nachträglichen Anschaffungskosten – Nachweis von Gesellschafterforderungen
Der BFH hat seine langjährige Rechtsprechung zu nachträglichen Anschaffungskosten bei der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften (§ 17 EStG) geändert. Obwohl der Grund für die Änderung der Rechtsprechung schon seit 2008 bestand (Aufhebung des Eigenkapitalersatzrechts durch das MoMiG), hat der BFH in jener Entscheidung angekündigt, die bisherigen Grundsätze in allen Fällen weiter anzuwenden, in denen der Sachverhalt am 27.09.2017 bereits verwirklicht war. Im Streitfall ist das Finanzgericht (FG) dieser Rechtsprechung entgegengetreten. Der BFH hat die Sichtweise der Vorinstanz zurückgewiesen. Nach dem Urteil des BFH hat der Gesetzgeber des MoMiG die Folgen der Aufhebung des Eigenkapitalersatzrechts für das Steuerrecht weder bedacht noch geregelt. Demzufolge ergeben sich aus dem MoMiG auch keine verbindlichen gesetzlichen Vorgaben für die Anwendung von § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG. Ändert der BFH bei im Übrigen unverändertem Wortlaut der anzuwendenden Norm seine langjährige Rechtsprechung verschärfend, kann er typisierenden Vertrauensschutz gewähren.
Im Streitfall war der Kläger Alleingesellschafter und –geschäftsführer einer GmbH. In einem Darlehensrahmenvertrag war seit 1999 vereinbart, dass Auslagen und sonstige Einlagen des Klägers bei der GmbH auf einem Darlehenskonto erfasst werden sollten. Das Darlehen sollte in der Krise der Gesellschaft stehen bleiben. Seit 2009 liquidierte der Kläger die GmbH. Die letzte Bilanz weist nur noch das gezeichnete Kapital und die verbliebene Verbindlichkeit gegenüber dem Kläger aus. Das FA bestritt den Bestand der Forderung und machte, soweit Unterlagen noch zur Verfügung standen, Mängel der Buchführung geltend. Das FG hat die Klage abgewiesen und u.a. ausgeführt, der Kläger müsse den Endbestand des Darlehens über den gesamten Zeitraum seiner Entstehung lückenlos nachweisen. Das sei ihm nicht gelungen. Demgegenüber konnte das FG nach dem Urteil des BFH nicht nach der Feststellungslast (zu Lasten des Klägers) entscheiden, denn der Bestand der (ausgefallenen) Gesellschafterforderung ergab sich indiziell dem Grunde und der Höhe nach aus dem festgestellten Jahresabschluss der GmbH. Mit der förmlichen Feststellung des Jahresabschlusses bestätigten die Gesellschafter zugleich die darin abgebildeten Rechtsverhältnisse untereinander und im Verhältnis zur Gesellschaft. Steuerrechtlich ergab sich daraus zumindest ein Indiz für das Bestehen der Gesellschafterforderung. Im Streitfall reichte dem BFH dieses Indiz, um das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und der Klage stattzugeben. Welche Anforderungen an die Darlegung und den Nachweis einer Gesellschafterforderung zu stellen sind, wenn der Jahresabschluss der GmbH nicht förmlich festgestellt ist (z.B. weil sich die Gesellschafter nicht einigen können), war im Streitfall nicht zu entscheiden. (BFH, Urt. v. 02.07.2019 – IX R 13/18)

Abstract: Steuerpflichtige, die ihrer GmbH als Gesellschafter bis zum 27.09.2017 eine (ehemals) eigenkapitalersetzende Finanzierungshilfe geleistet haben, können den Ausfall ihrer Rückzahlungs- oder Regressansprüche im Fall der Veräußerung oder Auflösung der Gesellschaft als nachträgliche Anschaffungskosten geltend machen. Bestreitet das Finanzamt, dass eine in der Bilanz der Gesellschaft ausgewiesene Verbindlichkeit gegenüber dem Gesellschafter bestand, spricht die Feststellung des Jahresabschlusses indiziell dafür, dass dem Gesellschafter eine Forderung in der ausgewiesenen Höhe zustand.

Arbeitsrecht

Saisonarbeitsverhältnis – Beschäftigung während der Badesaison
Der Kläger war seit Juli 2000 bei der beklagten Gemeinde tätig. Nach dem Arbeitsvertrag vom 01.04.2006 wird der Kläger als vollbeschäftigter Arbeitnehmer jeweils für die Saison vom 01.04. bis zum 31.10. eines Kalenderjahres eingestellt. Der Kläger wurde seitdem in den Monaten April bis Oktober eines jeden Jahres beschäftigt und vergütet. Die Beschäftigung erfolgte nahezu ausschließlich im gemeindlichen Freibad als Badeaufsicht sowie mit der Reinigung und Pflege des Schwimmbads. Mit der vorliegenden Klage hat der Kläger die Feststellung begehrt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch Befristungsabrede vom 01.04.2006 am 31.10.2016 aufgelöst wurde und dass das Arbeitsverhältnis über den 31.10.2016 hinaus als unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision des Klägers hatte keinen Erfolg. Die Parteien haben in dem Vertrag vom 01.04.2006 nicht eine Vielzahl befristeter Arbeitsverhältnisse für die künftigen Jahre vereinbart. Vielmehr ist das Arbeitsverhältnis unbefristet, lediglich die Arbeits- und Vergütungspflicht ist auf die Monate April bis Oktober eines jeden Jahres begrenzt. Diese Vereinbarung ist wirksam. Der Kläger wird dadurch nicht nach § 307 Abs. 1 BGB unangemessen benachteiligt, da die Beklagte bei Abschluss des Arbeitsvertrags davon ausgehen durfte, nur während der Badesaison Beschäftigungsbedarf für den Kläger zu haben. (BAG, Urt. v. 19.11.2019 – 7 AZR 582/17)

Abstract: Die Vereinbarung einer auf die Badesaison begrenzten Beschäftigung im unbefristeten Arbeitsvertrag eines in einem Freibad beschäftigten Arbeitnehmers kann jedenfalls dann wirksam sein, wenn für den Arbeitnehmer außerhalb der Badesaison kein Beschäftigungsbedarf besteht.

Arbeitsrecht

Freizeitausgleich zum Abbau des Arbeitszeitkontos – Freistellung in gerichtlichem Vergleich
Die Klägerin war bei der Beklagten als Sekretärin beschäftigt. Nachdem die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos gekündigt hatte, schlossen die Parteien im Kündigungsschutzprozess am 15.11.2016 einen gerichtlichen Vergleich, wonach das Arbeitsverhältnis durch ordentliche Arbeitgeberkündigung mit Ablauf des 31.01.2017 endete. Bis dahin stellte die Beklagte die Klägerin unwiderruflich von der Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung unter Fortzahlung der vereinbarten Vergütung frei. In diesem Zeitraum sollte auch der Resturlaub eingebracht sein. Eine allgemeine Abgeltungs- bzw. Ausgleichsklausel enthält der Vergleich nicht. Nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat die Klägerin die Abgeltung von 67,1 Gutstunden auf ihrem Arbeitszeitkonto mit 1.317,28 € brutto nebst Zinsen verlangt. Das ArbG hat der Klage stattgegeben. Das LAG hat auf die Berufung der Beklagten die Klage abgewiesen. Die vom BAG zugelassene Revision der Klägerin war erfolgreich und führte zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Endet das Arbeitsverhältnis und können Gutstunden auf dem Arbeitszeitkonto nicht mehr durch Freizeit ausgeglichen werden, sind sie vom Arbeitgeber in Geld abzugelten. Die Freistellung des Arbeitnehmers von der Arbeitspflicht in einem gerichtlichen Vergleich ist nur dann geeignet, den Anspruch auf Freizeitausgleich zum Abbau von Gutstunden auf dem Arbeitszeitkonto zu erfüllen, wenn der Arbeitnehmer erkennen kann, dass der Arbeitgeber ihn zur Erfüllung des Anspruchs auf Freizeitausgleich von der Arbeitspflicht freistellen will. Daran fehlte es vorliegend. In dem gerichtlichen Vergleich ist weder ausdrücklich noch konkludent hinreichend deutlich festgehalten, dass die Freistellung auch dem Abbau des Arbeitszeitkontos dienen bzw. mit ihr der Freizeitausgleichsanspruch aus dem Arbeitszeitkonto erfüllt sein soll. (BAG, Urt. v. 20.11.2019 – 5 AZR 578/18)

Abstract: Eine Freistellung in einem gerichtlichen Vergleich erfüllt den Anspruch des Arbeitnehmers auf Freizeitausgleich zum Abbau des Arbeitszeitkontos nur dann, wenn in dem Vergleich hinreichend deutlich zum Ausdruck kommt, dass mit der Freistellung auch ein Positivsaldo auf dem Arbeitszeitkonto ausgeglichen werden soll. Dem genügt die Klausel, der Arbeitnehmer werde unwiderruflich von der Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt, nicht.