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WBP NEWS

Online-News für den 15.01.2019

Wohnungseigentumsrecht

Erbenhaftung des Fiskus für Wohngeldschulden in einer Wohnungseigentümergemeinschaft
Die Beklagte ist eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Das klagende Land (im Folgenden: Kläger) ist gesetzlicher Alleinerbe eines im Juni 2006 verstorbenen Wohnungseigentümers (§ 1936 BGB). Bis Januar 2007 zog der Kläger die Mieten des seinerzeitigen Mieters der Wohnung ein und zahlte an die Beklagte Wohngeld für Januar bis März 2007. Ab Februar 2007 stand die Wohnung leer. Mit Schreiben vom 05.06.2007 teilte der Kläger der Beklagten mit, die Wohnung bis zur Veräußerung selbst zu verwalten. Auf seinen Antrag eröffnete das Insolvenzgericht im Juli 2009 das Insolvenzverfahren über den Nachlass des Erblassers. Der eingesetzte Insolvenzverwalter gab die Eigentumswohnung im August 2009 aus der Insolvenzmasse frei. Das Insolvenzverfahren wurde im Mai 2010 aufgehoben. Auf Antrag der Beklagten wurde die Wohnung im April 2011 zwangsversteigert. Unterdessen erwirkte die Beklagte gegen den Kläger drei Anerkenntnisurteile betreffend das Wohngeld für einen Zeitraum ab September 2009. Aus diesen Urteilen, in denen dem Kläger jeweils die beschränkte Erbenhaftung vorbehalten wurde, betreibt die Beklag die Zwangsvollstreckung. Mit der Klage (Vollstreckungsgegenklage) möchte der Kläger gestützt auf die sog. Dürftigkeitseinrede gemäß § 1990 Abs. 1 BGB erreichen, dass die Zwangsvollstreckung in sein nicht zum Nachlass gehörendes Vermögen für unzulässig erklärt wird. Das AG hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das LG die Klage abgewiesen.
Der BGH hat der Revision stattgegeben und das Urteil des LG aufgehoben. Bei den titulierten Wohngeldschulden handelt es sich nicht um Eigenverbindlichkeiten des Klägers, sondern um Nachlassverbindlichkeiten, die den Kläger grundsätzlich zur Erhebung der Dürftigkeitseinrede gemäß § 1990 Abs. 1 BGB berechtigen. Andere Erben als der Fiskus haften nach der Rechtsprechung des Senats für die nach dem Erbfall fällig werdenden Wohngeldschulden spätestens dann auch mit ihrem eigenen Vermögen, wenn sie die Erbschaft angenommen haben oder die Ausschlagungsfrist abgelaufen ist. Dies lässt sich auf die Haftung des zum gesetzlichen Alleinerben berufenen Fiskus nicht übertragen, weil ihm gemäß § 1942 Abs. 2 BGB das Recht versagt ist, die Erbschaft auszuschlagen. Ob ein Verhalten des Fiskus die Qualifizierung der Wohngeldschulden als Eigenverbindlichkeit rechtfertigt, muss deshalb unter Berücksichtigung des Zwecks und der Besonderheiten des Fiskalerbrechts nach anderen Kriterien bestimmt werden. Hiernach stellen Wohngeldschulden in aller Regel nur Nachlassverbindlichkeiten dar. Der Fiskus nimmt eine Ordnungsfunktion wahr. Herrenlose Nachlässe sollen vermieden und eine ordnungsgemäße Nachlassabwicklung soll gesichert werden. In aller Regel wird der Fiskus deshalb bei seinen Handlungen nur seiner gesetzlichen Aufgabe nachkommen, den Nachlass abzuwickeln. Nur wenn der Fiskus seine Rolle als Nachlassabwickler verlässt, er also zu erkennen gibt, die Wohnung zu eigenen Zwecken nutzen zu wollen, ist es gerechtfertigt, die Wohngeldschulden als Eigenverbindlichkeiten zu qualifizieren, bei denen eine Haftungsbeschränkung ausgeschlossen ist. Die Wohnungseigentümergemeinschaft wird durch die Annahme einer Nachlassverbindlichkeit nicht unangemessen benachteiligt. Sie kann nämlich in der Regel ihre Rechte im Wege der Zwangsversteigerung effektiv durchsetzen, weil die Wohngeldansprüche in dem Rahmen des § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG bevorrechtigt sind und den Rechten der nachfolgenden Rangklassen – insbesondere denjenigen von Kreditgebern und Vormerkungsberechtigten – vorgehen. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze fehlt es hier an einem Verhalten des Klägers, das über die Wahrnehmung der Aufgaben der Verwaltung und der Abwicklung des Nachlasses hinausgeht und den Schluss zulässt, der Kläger wolle die Wohnung für eigene Zwecke nutzen. Die Sache wurde an das Landgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Dieses hat die von ihm bislang offen gelassene Frage zu klären, ob der Nachlass tatsächlich dürftig i.S.d. § 1990 Abs. 1 BGB ist. (BGH, Urt. v. 14.12.2018 – V ZR 309/17)

Abstract: Der Fiskus, der zum gesetzlichen Alleinerben eines Wohnungseigentümers berufen ist, haftet für die nach dem Erbfall fällig werdenden oder durch Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft begründeten Wohngeldschulden in aller Regel nur mit dem Nachlass.

Steuerrecht

Keine Berichtigungs- oder Änderungsmöglichkeit für das Finanzamt bei Fehlern in elektronisch übermittelten Lohnsteuerdaten
Der Kläger bezog im Streitjahr Versorgungsbezüge. In den beiden ihm übersandten Lohnsteuerbescheinigungen war ein Bruttoarbeitslohn von 29.221 € sowie von 9.740 € und hierin enthaltene Versorgungsbezüge in identischer Höhe eingetragen. Bei den vom Arbeitgeber an das Finanzamt übermittelten Lohnsteuerdaten fehlte die Angabe der Versorgungsbezüge in Höhe von 9.740 € (Bruttoarbeitslohn insgesamt: 38.961 €, Versorgungsbezüge 29.221 €). In der persönlich beim Beklagten abgegebenen Steuererklärung war in Anlage N ein Bruttoarbeitslohn von 38.961 € eingetragen. Die Zeile 11 „steuerbegünstigte Versorgungsbezüge, in Zeile 6 enthalten“ enthielt versehentlich keine Eintragung. Die Sachbearbeiterin des Beklagten überprüfte die ihr ausgehändigten Belege, hakte die einzelnen Positionen ab und gab die Belege anschließend zurück. Die ihr vom Kläger vorgelegten Lohnsteuerbescheinigungen überprüfte sie wegen der elektronischen Datenübermittlung vor der Rückgabe nicht mehr. Der in der Eingangsstelle tätige Beamte ergänzte später die fehlende Angabe der Versorgungsbezüge in der Anlage N aufgrund der elektronisch übermittelten Daten um den Betrag 29.221 €. Im Einkommensteuerbescheid berücksichtigte der Beklagte dann einen Bruttoarbeitslohn von 38.961 €, einen Freibetrag für Versorgungsbezüge, aber auch den Arbeitnehmer-Pauschbetrag und den Altersentlastungsbetrag. Nachdem der Arbeitgeber die übermittelten Daten korrigiert und der Kläger den Beklagten entsprechend informiert hatte, änderte dieser den Einkommensteuerbescheid und ließ nun den Arbeitnehmer-Pauschbetrag und den Altersentlastungsbetrag unberücksichtigt. Die hiergegen gerichtete Klage hatte Erfolg.
Das Gericht hat eine Änderung wegen einer offenbaren Unrichtigkeit i. S. von § 129 AO ebenso verneint wie eine Änderung gem. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO wegen nachträglichen Bekanntwerdens neuer Tatsachen. Weil das Finanzamt den Fehler aus der Est-Erklärung – keine Versorgungsbezüge – nicht mechanisch übernommen, sondern die fehlende Angabe durch eigene, allerdings unzutreffende, Sachverhaltsermittlung in Form des Abgleichs der Erklärung mit den elektronischen Daten ergänzt habe, fehle es an einer offenbaren Unrichtigkeit. Insoweit hat sich der Senat dem Urteil des BFH vom 16. Januar 2018 (VI R 41/16, BStBl. II 2018 S. 378) angeschlossen. Die Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sah das Gericht ebenfalls nicht als erfüllt an. Zwar habe der Kläger versehentlich die Eintragung zu den Versorgungsbezügen in der Anlage N zur Einkommensteuererklärung unterlassen, er habe aber der Erklärung die Lohnsteuerbescheinigung mit dem zutreffenden Betrag beigefügt. Demgegenüber habe der Bearbeiter des Beklagten, der die Einkommensteuererklärung angenommen habe, die Lohnsteuerbescheinigung ungeprüft wieder aushändigt, weil das FA generell nur die elektronisch übermittelten Daten übernehme. Vor diesem Hintergrund überwiege der Pflichtverstoß des Beklagten und hindere nach Treu und Glauben eine Korrektur des Bescheides. (FG Hamburg, Gerichtsbescheid v. 04.10.2018 – 3 K 69/18; rkr)

Abstract: Das Finanzamt hat keine Berichtigungs- oder Änderungsmöglichkeit bei Fehlern in elektronisch übermittelten Lohnsteuerdaten.

Arbeitsrecht

Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts der Altersgrenze
Der im Juli 1949 geborene Kläger war bei dem beklagten Land als Lehrer an einer berufsbildenden Schule mit einem Unterrichtsdeputat von 23 Wochenstunden beschäftigt. Nach der arbeitsvertraglich in Bezug genommenen Regelung in § 44 Nr. 4 des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) endete das Arbeitsverhältnis wegen Erreichens der Regelaltersgrenze am 31.01.2015. Am 20.01.2015 vereinbarten die Parteien, dass das Arbeitsverhältnis erst mit Ablauf des 31.07.2015 endet. Mit Schreiben vom 03.02.2015 ordnete die Schulleiterin zunächst an, dass der Kläger in der Zeit vom 01.02. bis zum 31.07.2015 jederzeit widerruflich über seine vertraglich festgelegte Regelstundenzahl hinaus weitere vier Wochenstunden Unterricht zu erteilen hatte. Mit Schreiben vom 04.03.2015 wurde sodann die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit des Klägers mit Wirkung vom 01.02.2015 auf 25,5 Wochenstunden erhöht. Der Kläger hat mit der vorliegenden Klage die Feststellung begehrt, dass sein Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der vereinbarten Befristung am 31.07.2015 geendet hat. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.
Die Revision des Klägers hatte vor dem BAG keinen Erfolg. Die Befristung des Arbeitsvertrags ist wirksam. Die Regelung in § 41 Satz 3 SGB VI genügt den verfassungsrechtlichen Vorgaben und ist nach der Entscheidung des EuGH v. 28. 02.2018 (- C-46/17 – [John]) mit Unionsrecht vereinbar. Die Befristung zum 31.07.2015 ist nach § 41 Satz 3 SGB VI gerechtfertigt. Es kam nicht darauf an, ob eine Hinausschiebensvereinbarung voraussetzt, dass nur der Beendigungszeitpunkt des Arbeitsverhältnisses unter Beibehaltung der übrigen Vertragsbedingungen geändert wird. In der Vereinbarung vom 20.01.2015 wurde nur der Beendigungszeitpunkt hinausgeschoben. Die vertragliche Abrede über die Arbeitszeiterhöhung wurde erst sechs Wochen später und damit nicht im Zusammenhang mit der Vereinbarung über das Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts getroffen. (BAG, Urt. v. 19.12.2018 – 7 AZR 70/17)

Abstract: Die Regelung in § 41 Satz 3 SGB VI, die es den Arbeitsvertragsparteien ermöglicht, im Falle der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei Erreichen der Regelaltersgrenze den Beendigungszeitpunkt durch Vereinbarung während des Arbeitsverhältnisses hinauszuschieben, ist wirksam. Sie ist mit höherrangigem Recht vereinbar.

Versicherungsvertragsrecht

Prämienanpassungen in der privaten Krankenversicherung
Der Kläger wandte sich gegen Beitragserhöhungen für die Kalenderjahre 2012 und 2013, die sein privater Krankenversicherer auf der Grundlage von § 203 Abs. 2 VVG vorgenommen hatte. Die Vorinstanzen haben die Unwirksamkeit der Anpassungen festgestellt und den beklagten Versicherer u.a. auch zur Rückzahlung der in den Jahren 2012 bis 2015 vom Kläger zunächst gezahlten Erhöhungsbeträge verurteilt, weil der tätig gewordene Treuhänder nach ihrer Auffassung nicht von der Beklagten unabhängig gewesen.
Der BGH hat entschieden, dass die Unabhängigkeit nur die Voraussetzung für die Bestellung des Treuhänders nach den aufsichtsrechtlichen Vorschriften, nicht aber für die Wirksamkeit der von ihm nach seiner Bestellung abgegebenen Erklärung ist. Sie ist deshalb von den Zivilgerichten im Rechtsstreit über eine Prämienanpassung nicht gesondert zu prüfen. Insoweit hat allein die Aufsichtsbehörde aufgrund der ihr vom Gesetzgeber eingeräumten Mitwirkungsbefugnisse sicherzustellen, dass das Versicherungsunternehmen mit der Prüfung der Prämienkalkulation einen unabhängigen und sachkundigen Treuhänder betraut; die Interessen des Versicherungsnehmers sind dadurch gewahrt, dass im Rechtsstreit über eine Prämienerhöhung vor den Zivilgerichten eine umfassende materielle Prüfung der Ordnungsgemäßheit der vorgenommenen Beitragsanpassung stattfindet. Die genannte gesetzliche Kompetenzzuweisung, wie sie sich auch aus den Gesetzesmaterialien ergibt, würde durch eine sachliche Überprüfung einzelner Bestellungsvoraussetzungen im Rechtsstreit des einzelnen Versicherungsnehmers um die Wirksamkeit der Prämienanpassung mangels Rechtskraftwirkung für andere Versicherungsnehmer unterlaufen. Insbesondere liefe es dem Zweck der Regelung in § 12b Abs. 2, 2a VAG a.F. (bzw. jetzt § 155 VAG) und § 203 Abs. 2 Satz 1 VVG zuwider, wenn eine Prämienanpassung trotz Vorliegens der inhaltlichen Voraussetzungen allein an einer fehlenden Unabhängigkeit des zuständigen Treuhänders scheitern würde. Denn die Vorschriften zur Prämienanpassung bezwecken es vor allem, die dauerhafte Erfüllbarkeit der Versicherungsleistungen durch den Versicherer zu gewährleisten. Demgemäß berechtigt die Regelung in § 12b Abs. 2, 2a VAG a.F. (jetzt § 155 VAG) den Versicherer nicht nur zur Vornahme einer Prämienanpassung unter den dort genannten Voraussetzungen, sondern begründet zugleich eine entsprechende Verpflichtung. Daraus ergibt sich, dass auch eine vorübergehende Äquivalenzstörung im Interesse der Beitragsstabilität vermieden werden muss. Eine solche träte ein, wenn eine Prämienanpassung, zu der der Versicherer zwecks Erhaltung seiner Leistungsfähigkeit aus materiellen Gründen verpflichtet ist, nur wegen fehlender Unabhängigkeit des Treuhänders für unwirksam erklärt würde, diese aber im Zuge der nächsten jährlichen Überprüfung vom Versicherer nachgeholt werden müsste, wobei die dann vorzunehmende Anpassung wegen der zwischenzeitlich entstandenen Lücke bei den Prämienzahlungen gegebenenfalls sogar höher ausfallen könnte. Aufgrund der umfassenden tatsächlichen und rechtlichen Prüfung der Prämienanpassung anhand der ins Einzelne gehenden engen und verbindlichen materiellen Vorgaben durch die Zivilgerichte ist für die Versicherungsnehmer auch der gebotene wirkungsvolle Rechtsschutz gegen vom Versicherer vorgenommene Beitragsanpassungen gewährleistet, ohne dass ihnen hierfür eine gesonderte Überprüfung der Unabhängigkeit des Treuhänders und damit der aufsichtsrechtlichen Voraussetzungen für die Bestellung zum Treuhänder ermöglicht werden müsste. Die sachliche Richtigkeit der Zustimmung des Treuhänders zur Prämienanpassung wird insofern inzident mitgeprüft. Der BGH hat daher das Berufungsurteil aufgehoben und den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückverwiesen, damit dieses prüfen kann, ob die Prämienanpassungen ausreichend i.S.v. § 203 Abs. 5 VVG begründet worden sind und ggf. ob die materiellen Voraussetzungen für die Prämienanpassung vorgelegen haben. (BGH, Urt. v. 19.12.2018 – IV ZR 255/17)

Abstract: Eine vom Versicherer mit Zustimmung eines „unabhängigen Treuhänders“ gem. § 203 Abs. 2 VVG vorgenommene Prämienanpassung in der privaten Krankenversicherung ist nicht allein wegen einer ggf. zu verneinenden Unabhängigkeit als unwirksam anzusehen. Ist der zustimmende Treuhänder gemäß den Vorschriften des VAG (im Streitfall noch § 12b VAG a.F.) ordnungsgemäß bestellt worden, so findet eine gesonderte Überprüfung seiner Unabhängigkeit durch die Zivilgerichte im Rechtsstreit des einzelnen Versicherungsnehmers über eine Prämienanpassung nicht statt. Die Zivilgerichte haben aber in einem solchen Rechtsstreit die materielle Rechtmäßigkeit der Prämienanpassung zu überprüfen.