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WBP NEWS

Online-News für den 15.02.2018

Wirtschaftsrecht

Grundstückseigentümer ist verantwortlich, wenn ein von ihm beauftragter Handwerker einen auf das Nachbarhaus übergreifenden Brand verursacht
Die Beklagten sind die Rechtsnachfolger der ursprünglich beklagten Eheleute R., die im Laufe des Rechtsstreits verstorben sind. Die Eheleute R. waren Eigentümer eines Wohnhauses. 2011 führte ein Dachdecker in ihrem Auftrag am Flachdach des Hauses Reparaturarbeiten durch. Im Verlauf der mit Hilfe eines Brenners durchgeführten Heißklebearbeiten verursachte er schuldhaft die Entstehung eines Glutnestes unter den aufgeschweißten Bahnen. Am Abend bemerkten die Eheleute Flammen in dem Bereich, in dem der Dachdecker gearbeitet hatte. Der alarmierten Feuerwehr gelang es nicht, das Haus zu retten. Es brannte vollständig nieder. Durch den Brand und die Löscharbeiten wurde das an das brennende Haus unmittelbar angebaute Haus der Nachbarin erheblich beschädigt. Das Haus der Nachbarin ist bei der Klägerin versichert. Diese hat ihr eine Entschädigung geleistet und verlangt nun (über das Vermögen des zur Zahlung von 97.801,29 € verurteilten Dachdeckers ist das Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet) von den beklagten Grundstückeigentümern aus übergegangenem Recht gemäß § 86 Abs. 1 VVG Ersatz. Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg. Nach Ansicht des OLG sind die Beklagten nicht zum Ersatz verpflichtet. Eine Haftung aus unerlaubter Handlung scheide aus, da keine Anhaltspunkte bestünden, dass ihre Rechtsvorgänger den Dachdecker nicht sorgfältig ausgewählt hätten. Der Klägerin stehe gegen die Beklagten auch kein verschuldensunabhängiger nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB zu. Voraussetzung hierfür wäre, dass die damaligen Grundstückseigentümer Störer i.S.v. § 1004 Abs. 1 BGB seien. Dies sei jedoch nicht der Fall. Die Eheleute R. hätten mit der sorgfältigen Auswahl des Dachdeckers alles Erforderliche getan, um das Risiko eines Brandschadens im Zuge der Dachdeckerarbeiten auszuschließen.
Die Revision der Klägerin war erfolgreich. Der BGH hat das Urteil des OLG aufgehoben und entschieden, dass der Klägerin gegen die Beklagten ein verschuldensunabhängiger nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch in entsprechender Anwendung von § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB i.V.m. § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG zusteht. Ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch ist nach st. Rspr. des Senats gegeben, wenn von einem Grundstück im Rahmen privatwirtschaftlicher Benutzung rechtswidrige Einwirkungen auf ein anderes Grundstück ausgehen, die der Eigentümer oder Besitzer des betroffenen Grundstücks nicht dulden muss, aus besonderen Gründen jedoch nicht unterbinden kann, sofern er hierdurch Nachteile erleidet, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung übersteigen. Hiervon ist auszugehen, wenn ein Brand auf ein fremdes Grundstück übergreift, da der Nachbar die Gefahr in aller Regel nicht erkennen und die Einwirkungen auf sein Grundstück daher nicht rechtzeitig abwehren kann. Weitere Voraussetzung des nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs ist, dass der Anspruchsgegner als Störer im Sinne des § 1004 Abs. 1 BGB zu qualifizieren ist. Hierfür ist erforderlich, dass die Beeinträchtigung des Nachbargrundstücks wenigstens mittelbar auf den Willen des Eigentümers oder Besitzers zurückgeht. Ob dies der Fall ist, kann nur in wertender Betrachtung von Fall zu Fall festgestellt werden. Entscheidend ist, ob es jeweils Sachgründe gibt, dem Grundstückseigentümer oder -besitzer die Verantwortung für ein Geschehen aufzuerlegen. Dies hat der Senat in früheren Entscheidungen beispielsweise bejaht, wenn ein Haus infolge eines technischen Defekts seiner elektrischen Geräte oder Leitungen in Brand gerät oder Wasser infolge eines Rohrbruchs auf das Nachbargrundstück gelangt. Hierdurch verursachte Störungen stellen kein allgemeines Risiko dar, das sich – wie etwa ein Blitzschlag – ebenso gut bei dem Haus des Nachbarn hätte verwirklichen können und dessen Auswirkungen von dem jeweils Betroffenen selbst zu tragen sind. Auch wenn konkret kein Anlass für ein vorbeugendes Tätigwerden bestanden haben mag, beruhen sie auf Umständen, auf die grundsätzlich der Grundstückseigentümer bzw. -besitzer, und nur dieser, Einfluss nehmen konnte. Auch im vorliegenden Fall hat der Senat die Störereigenschaft bejaht. Der Annahme einer Verantwortlichkeit der Rechtsvorgänger der Beklagten steht nicht entgegen, dass der Brand auf die Handlung eines Dritten, nämlich auf die Arbeiten des von ihnen mit der Vornahme einer Dachreparatur beauftragten Handwerkers zurückzuführen ist. Mittelbarer Handlungsstörer ist auch derjenige, der die Beeinträchtigung des Nachbarn durch einen anderen in adäquater Weise durch seine Willensbetätigung verursacht. Für die Zurechnung des durch den Handwerker herbeigeführten gefahrträchtigen Zustands des Grundstücks kommt es nicht darauf an, ob die Rechtsvorgänger der Beklagten bei der Auswahl des Handwerkers Sorgfaltspflichten verletzt haben. Maßgeblich ist vielmehr, ob es Sachgründe gibt, die aufgetretene Störung ihrem Verantwortungsbereich zuzurechnen. Das ist der Fall. Die Rechtsvorgänger der Beklagten waren diejenigen, die die Vornahme von Dacharbeiten veranlasst haben und die aus den beauftragten Arbeiten Nutzen ziehen wollten. Dass sie den Handwerker sorgfältig ausgesucht und ihm die konkrete Ausführungsart nicht vorgeschrieben haben, ändert nichts daran, dass sie mit der Beauftragung von Dacharbeiten eine Gefahrenquelle geschaffen haben und damit der bei der Auftragsausführung verursachte Brand auf Umständen beruhte, die ihrem Einflussbereich zuzurechnen sind. Die Sache wurde an das OLG zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Dieses hat zu klären, ob der geltend gemachte Anspruch der Höhe nach berechtigt ist. (BGH, Urt. v. 09. 02. 2018 – V ZR 311/16)

Abstract: Ein Grundstückseigentümer, der einen Handwerker Reparaturarbeiten an seinem Haus vornehmen lässt, ist gegenüber dem Nachbarn verantwortlich, wenn das Haus infolge der Arbeiten in Brand gerät und das Nachbargrundstück dabei beschädigt wird. Dass der Handwerker sorgfältig ausgesucht wurde, ändert daran nichts.

Steuerrecht

Verlängerte Festsetzungsfrist auch bei Steuerhinterziehung durch Miterben
Die Klägerin war gemeinsam mit ihrer Schwester Erbin ihrer verstorbenen Mutter. Die Erblasserin hatte in den Jahren 1993 bis 1999 Kapitaleinkünfte im Ausland erzielt, die sie nicht in ihren ESt-Erklärungen angegeben hatte. Seit 1995 war sie aufgrund einer Demenzerkrankung nicht mehr in der Lage, wirksame ESt-Erklärungen abzugeben. Die Steuererklärungen der Erblasserin waren unter Beteiligung der Schwester der Klägerin (Miterbin) erstellt worden. Dieser war spätestens ab Eintritt des Erbfalls bekannt, dass die Mutter (Erblasserin) ihre Kapitaleinkünfte in den Einkommensteuererklärungen zu niedrig angegeben hatte. Das Finanzamt (FA) erließ gegenüber der Klägerin als Gesamtrechtsnachfolgerin der Erblasserin geänderte Einkommensteuerbescheide, in denen es die Steuer für die nicht erklärten Zinsen nachforderte.
Der BFH hat die Revision der Klägerin, soweit sie zulässig war, als unbegründet zurückgewiesen. Zunächst hat er klargestellt, dass die Erben als Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers gemäß § 1922 Abs. 1 BGB auch dessen Steuerschulden „erben“; denn gemäß § 1967 BGB haften die Erben für die Nachlassverbindlichkeiten. Dies gilt gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 AO auch für die Steuerschulden. Auf die Kenntnis von der objektiven Steuerverkürzung des Erblassers kommt es nicht an, sondern nur auf die Höhe der entstandenen Steuerschuld. Mehrere Erben haften als Gesamtschuldner. Dies bedeutet, dass das FA im Rahmen seines pflichtgemäßen Ermessens jeden Erben für die gesamte Steuerschuld des Erblassers in Anspruch nehmen kann. War der Erblasser zum Zeitpunkt der Abgabe der Steuererklärung aufgrund einer Demenzerkrankung geschäftsunfähig i.S. des § 104 Nr. 2 BGB, ist seine Steuererklärung zwar unwirksam. Dies hat auf die Höhe der gesetzlich entstandenen Steuer jedoch keine Auswirkung. Erfährt ein Erbe vor oder nach dem Erbfall, dass die Steuern des Erblassers zu niedrig festgesetzt wurden, ist er auch in diesem Fall nach § 153 Abs. 1 Satz 2 AO verpflichtet, die (unwirksame) Einkommensteuererklärung des Erblassers zu berichtigen. Unterlässt er dies, begeht er eine Steuerhinterziehung. Diese Steuerhinterziehung führt dazu, dass sich bei allen Miterben die Festsetzungsfrist für die verkürzte Steuer nach § 169 Abs. 2 Satz 2 AO auf zehn Jahre verlängert. Wie der BFH hervorhebt, trifft dies auch den Miterben, der weder selbst eine Steuerhinterziehung begangen hat noch von dieser wusste. (BFH, Urt. v. 29.08.2017 – VIII R 32/15)

Abstract: Die Festsetzungsfrist aufgrund einer Steuerhinterziehung verlängert sich bei einem Erbfall auch dann, wenn der demenzerkrankte Erblasser ausländische Kapitaleinkünfte nicht erklärt, jedoch ein Miterbe von der Verkürzung der Einkommensteuer wusste und selbst eine Steuerhinterziehung begeht. Die Verlängerung der Festsetzungsfrist auf zehn Jahre wirkt dabei auch zu Lasten des Miterben, der von der Steuerhinterziehung keine Kenntnis hat.

Arbeitsrecht

Karenzentschädigung – Rücktritt vom nachvertraglichen Wettbewerbsverbot
Der Kläger war bei der Beklagten seit dem 01.02.2014 als „Beauftragter technische Leitung“ zu einem Bruttomonatsverdienst von zuletzt 6.747,20 € beschäftigt. Im Arbeitsvertrag der Parteien war für den Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein dreimonatiges Wettbewerbsverbot vereinbart worden. Hierfür sollte der Kläger eine Karenzentschädigung i.H.v. 50 % der monatlich zuletzt bezogenen durchschnittlichen Bezüge erhalten. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund der Eigenkündigung des Klägers zum 31.01.2016. Mit E-Mail vom 01.03.2016 forderte der Kläger die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 4.03.2016 vergeblich zur Zahlung der Karenzentschädigung für den Monat Februar 2016 auf. Am 08.03.2016 übermittelte der Kläger an die Beklagte eine weitere E-Mail. Hierin heißt es u.a.: „Bezugnehmend auf Ihre E-Mail vom 1. März 2016 sowie das Telefonat mit Herrn B. möchte ich Ihnen mitteilen, dass ich mich ab sofort nicht mehr an das Wettbewerbsverbot gebunden fühle.“ Mit seiner Klage macht der Kläger die Zahlung einer Karenzentschädigung i.H.v. 10.120,80 € brutto nebst Zinsen für drei Monate geltend. Er vertritt die Auffassung, sich nicht einseitig vom Wettbewerbsverbot losgesagt zu haben. Die Erklärung in der E-Mail vom 08.03.2016 sei lediglich eine Trotzreaktion gewesen. Die Beklagte meint, durch die E-Mail vom 08.03.2016 habe der Kläger wirksam seinen Rücktritt erklärt. Das ArbG hat der Klage vollständig stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das LAG das Urteil teilweise abgeändert und einen Anspruch auf Karenzentschädigung nur für die Zeit vom 01.02. bis zum 08.03.2016 zugesprochen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. 

Die Revision des Klägers hatte keinen Erfolg. Da es sich beim nachvertraglichen Wettbewerbsverbot um einen gegenseitigen Vertrag handelt, finden die allgemeinen Bestimmungen über den Rücktritt (§§ 323 ff. BGB) Anwendung. Die Karenzentschädigung ist Gegenleistung für die Unterlassung von Konkurrenztätigkeit. Erbringt eine Vertragspartei ihre Leistung nicht, kann die andere Vertragspartei vom Wettbewerbsverbot zurücktreten, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen. Ein Rücktritt wirkt dabei ex nunc, d.h. für die Zeit nach dem Zugang der Erklärung entfallen die wechselseitigen Pflichten. Die Beklagte hat die vereinbarte Karenzentschädigung nicht gezahlt, der Kläger war deshalb zum Rücktritt berechtigt. Die Annahme des LAG, der Kläger habe mit seiner E-Mail vom 08.03.2016 wirksam den Rücktritt vom Wettbewerbsverbot erklärt, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Damit steht ihm für die Zeit ab dem 09.03.2016 keine Karenzentschädigung zu. (BAG, Urt. v. 31.01.2018 – 10 AZR 392/17)

Abstract: Bei einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot nach §§ 74 ff. HGB handelt es sich um einen gegenseitigen Vertrag i.S.d. §§ 320 ff. BGB. Die Karenzentschädigung ist Gegenleistung für die Unterlassung von Konkurrenztätigkeit. Erbringt eine Vertragspartei ihre Leistung nicht, kann die andere Vertragspartei vom Wettbewerbsverbot zurücktreten, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind (§§ 323 ff. BGB). Ein solcher Rücktritt entfaltet Rechtswirkungen erst für die Zeit nach dem Zugang der Erklärung (ex nunc).

Zivilrecht

Wahlleistungsvereinbarung nicht eingehalten – ärztliche Behandlung rechtswidrig
Die klagende Krankenversicherungsgesellschaft aus Hamburg nimmt die erstbeklagte Krankenhausgesellschaft sowie die bei diesen tätigen zweit- und drittbeklagten Ärzte auf Ersatz von Aufwendungen in Höhe von 30.000 € in Anspruch. Die Klägerin ist der gesetzliche Krankenversicherer der Anfang Januar 2012 im Alter von 93 Jahren verstorbenen Patientin. Die Patientin befand sich im Dezember 2011 in stationärer Behandlung im Krankenhaus der Erstbeklagten. Neben dem Krankenhausaufnahmevertrag bestand eine Wahlleistungsvereinbarung, die die zusatzversicherte Patientin während ihres stationären Aufenthaltes im Dezember abgeschlossen hatte. Nach dieser war eine Chefarztbehandlung durch den Zweitbeklagten vereinbart, der im Verhinderungsfall unter anderem von der Drittbeklagten vertreten werden konnte. Nach Abschluss der Zusatzvereinbarung führte die Drittbeklagte eine Koloskopie durch, bei der es zu einem Einriss im Bereich der Rektumschleimhaut kam, der auf Scherkräfte im Rahmen der Koloskopie zurückzuführen war. Der Zweitbeklagte war bei dem Eingriff in der Funktion eines Anästhesisten anwesend. Postoperativ wurde eine intensiv-medizinische Behandlung der Patientin mit Beatmung erforderlich. Es trat eine Sepsis auf. Wenige Tage später verstarb die Patientin. Die infolge der Koloskopie für die Patientin aufgewandten Behandlungskosten (30.000 €) hat die Klägerin von den Beklagten ersetzt verlangt und gemeint, der Beklagte habe den Eingriff persönlich vornehmen müssen, ein Vertretungsfall habe nicht vorgelegen. Demgegenüber haben die Beklagten die Auffassung vertreten, die ärztliche Aufgabenverteilung bei der Koloskopie habe den Anforderungen der Wahlleistung entsprochen. Zudem sei der Beklagte bei der Operation persönlich anwesend gewesen und habe diese ständig beobachtet und überwacht. Ebenso wie das LG hat das LG der Klage stattgegeben und der Klägerin ein Anspruch auf Ersatz der geltend gemachten Aufwendungen zugesprochen.
Die Behandlung der Patientin sei mangels wirksamer Einwilligung insgesamt rechtswidrig gewesen. Die Voraussetzungen der Wahlleistungsvereinbarung seien nicht eingehalten worden. Sei, wie im vorliegenden Fall, der Eingriff durch einen bestimmten Arzt, regelmäßig den Chefarzt, vereinbart oder konkret zugesagt, müsse der Patient rechtzeitig aufgeklärt werden und zustimmen, wenn ein anderer Arzt an seine Stelle treten solle. Fehle diese wirksame Patienteneinwilligung in die Vornahme des Eingriffs, sei dieser rechtswidrig. Nach der von der Patientin abgeschlossenen Wahlleistungsvereinbarung habe der Zweitbeklagte den Eingriff vornehmen müssen und sich nur im Falle einer unvorhergesehenen Verhinderung durch einen anderen Arzt vertreten lassen können. Einen solchen Vertrag schließe der Patient im Vertrauen auf die besonderen Erfahrungen und die herausgehobene medizinische Kompetenz des von ihm gewählten Arztes, die er sich in Sorge um seine Gesundheit gegen Entrichtung eines zusätzlichen Honorars für die Heilbehandlung sichern wolle. Demzufolge müsse der Wahlarzt die seine Disziplin prägende Kernleistung persönlich und eigenhändig erbringen. Insbesondere müsse ein als Wahlarzt verpflichteter Chirurg die geschuldete Operation grundsätzlich selbst durchführen. Bei der Koloskopie handle es sich um eine die Innere Medizin prägende Kernleistung. Sie sei ein operativer Eingriff mit nicht unerheblichen Risiken und möglichen Schwierigkeiten, bei der es maßgeblich auf die Fähigkeiten des Operateurs ankomme. Der Zweitbeklagte habe die Koloskopie deswegen grundsätzlich selbst durchführen müssen. Ein zulässiger Vertretungsfall habe nicht vorgelegen. Der Zweitbeklagte sei nicht unvorhergesehen verhindert, vielmehr sei er während der Koloskopie als Anästhesist anwesend gewesen. Durch seine Anwesenheit beim Eingriff der Drittbeklagten habe der Zweitbeklagte keine persönliche Leistung im Sinne der Wahlleistungsvereinbarung erbracht. Er sei für den Bereich der Anästhesie und nicht für den der Chirurgie zuständig gewesen. Deswegen habe er das chirurgische Geschehen nicht so beobachten und beeinflussen können, als wenn er selbst die chirurgischen Instrumente geführt habe. Das gelte insbesondere bei einem Augenblicksversagen bei der chirurgischen Durchführung – etwa einer Extraktion von Polypen -, bei dem eine Schädigung schon passiert sein könne, wenn sie für einen beobachtenden Arzt gerade erst erkennbar werde. Eine Beobachtung und Überwachung des Eingriffs der Drittbeklagten sei deswegen mit dem eigenhändigen Eingriff des Zweitbeklagten nicht zu vergleichen gewesen. Die Fallgestaltung sei auch nicht vergleichbar mit der Operation durch einen Assistenzarzt unter Aufsicht des Oberarztes. Denn in diesem Falle seien beide Mediziner im selben Fachgebiet tätig. (OLG Hamm, Urt. v. 15.12.2017 – 26 U 74/17)

Abstract: Im Falle der Wahlleistungsvereinbarung mit dem Chefarzt muss dieser – mit Ausnahme seiner Verhinderung – den Eingriff selbst durchführen. Allein mit seiner Anwesenheit – z. B. als Anästhesist während der Operation – werden diese Voraussetzungen nicht erfüllt. Die ärztliche Behandlung ist dann mangels wirksamer Einwilligung des Patienten rechtswidrig.