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WBP NEWS

Online-News für den 15.05.2019

Wirtschaftsrecht

Konzertbesuch mit Folgen
Die Konzertbesucherin hatte wegen der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht gegen die Musiker einer schottischen Folkband und den Betreiber der Gaststätte, in der das Konzert stattfand, auf Schmerzensgeld und Schadensersatz geklagt. Grund hierfür war, dass eines der Bandmitglieder einen großen Lautsprecher auf einem Metallstativ nahe beim Bühnenrand aufgestellt hatte, der während des Konzerts von der Bühne auf die davorsitzende Konzertbesucherin fiel. Diese erlitt dadurch mehrere Knochenbrüche.
Das OLG hat ausgeführt, dass der Lautsprecher von einem der Musiker umgestoßen oder aber schon nicht richtig aufgestellt worden sein müsse. Schließlich könne ein Lautsprecher nicht „von allein“ umfallen. Einen Schadensersatzanspruch habe die Konzertbesucherin trotzdem nicht. Sie habe nicht nachweisen können, welcher Musiker genau den Sturz des Lautsprechers verursacht habe. Diese Feststellung sei aber erforderlich, denn die Bandmitglieder würden nicht für das Fehlverhalten eines ihrer Musikerkollegen – entweder falscher Aufbau oder das Umwerfen des Lautsprechers – haften. Auch eine Haftung des Gaststättenbetreibers lehnte das OLG ab. Dem Gaststättenbetreiber sei keine Verkehrssicherungspflichtverletzung vorzuwerfen, weil er etwa die Tische und Stühle zu nahe an der Bühne platziert hätte. Es habe keine naheliegende Gefahr bestanden, dass Gegenstände von der Bühne in den Zuschauerraum fallen würden. Eine Haftung des Betreibers ergebe sich auch nicht aus den Regelungen der Niedersächsischen Versammlungsstättenverordnung, die Abstände von Sitzplatzreihen in Veranstaltungsräumen festlegt. Diese sei nicht anwendbar, da die Gaststätte zum Verzehr von Speisen und Getränken bestimmt gewesen sei und weniger als 400 Gäste gefasst habe. Ein Anspruch der Konzertbesucherin wegen möglicher Pflichtverletzungen der Bandmitglieder komme allenfalls gegen den Konzertveranstalter, einen Kulturverein, in Betracht. Gegen diesen hatte die Konzertbesucherin aber keine Klage erhoben. (OLG Braunschweig, Urt. v. 28.02.2019 – 8 U 45/18)

Abstract: Eine Konzertbesucherin, die während des Konzerts durch einen umgefallenen Lautsprecher verletzt wurde, hat keinen Anspruch gegen die Musiker einer Band, wenn sie nicht nachweisen kann, wer einen Lausprecher umgestoßen hat.

Steuerrecht

Urheberrechtliche Abmahnungen sind umsatzsteuerpflichtig
Die klagende Tonträgerherstellerin ließ mit Hilfe einer beauftragten Rechtsanwaltskanzlei Personen, die Tonaufnahmen im Internet rechtswidrig verbreitet hatten, abmahnen. Gegen Unterzeichnung einer strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung sowie Zahlung von pauschal 450 € (netto) bot sie an, von der gerichtlichen Verfolgung ihrer Ansprüche abzusehen. Sie ging dabei davon aus, dass die erhaltenen Zahlungen als Schadensersatz für die Urheberrechtsverletzungen anzusehen seien und daher keine Umsatzsteuer anfalle. Die ihr von der Rechtsanwaltskanzlei in Rechnung gestellte Umsatzsteuer zog sie gleichzeitig als Vorsteuer ab.
Dieser Auffassung zur Frage der Steuerbarkeit ist der BFH nicht gefolgt. Er hat klargestellt, dass – unabhängig von der jeweiligen Bezeichnung durch die Beteiligten und der zivilrechtlichen Anspruchsgrundlage – Abmahnungen zur Durchsetzung eines Unterlassungsanspruchs als umsatzsteuerpflichtige Leistungen im Rahmen eines umsatzsteuerbaren Leistungsaustauschs zwischen dem Abmahner und den von ihm abgemahnten Personen zu qualifizieren sind. Die Abmahnung erfolge zumindest auch im Interesse des jeweiligen Rechtsverletzers, weil er die Möglichkeit erhalte, einen kostspieligen Rechtsstreit zu vermeiden. Dies sei als umsatzsteuerpflichtige sonstige Leistung anzusehen. Für das Ergebnis sei es unerheblich, dass im Zeitpunkt der Abmahnung nicht sicher festgestanden habe, ob die Abmahnung erfolgreich sein werde: Auch wenn ungewiss sei, ob die abgemahnte Person ein Rechtsverletzer sei und zahlen werde, bestehe ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Abmahnung als sonstige Leistung und der dafür erhaltenen Zahlung. Damit überträgt der BFH seine ständige Rechtsprechung zu Abmahnungen nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb auf Abmahnungen nach dem Urheberrechtsgesetz. (BFH, Urt. v. 13.02.2019 – XI R 1/17)

Abstract: Abmahnungen, die ein Rechteinhaber zur Durchsetzung eines urheberrechtlichen Unterlassungsanspruchs gegenüber Rechtsverletzern vornimmt, sind umsatzsteuerpflichtig. Gegenleistung für die Abmahnleistung ist der vom Rechtsverletzer gezahlte Betrag.

Arbeitsrecht

EuGH stärkt Arbeitnehmeransprüche nach betriebsbedingter Kündigung während Elternteilzeit
Die Arbeitnehmerin (ArbN) wurde am 22.11.1999 von Praxair MRC mit einem befristeten Arbeitsvertrag auf Vollzeitbasis als Vertriebsassistentin eingestellt und sodann ab 01.04.2000 unbefristet und in Vollzeit beschäftigt. Sie nahm einen ersten Mutterschaftsurlaub in Anspruch, an den sich ein Erziehungsurlaub von zwei Jahren anschloss. Danach nahm sie einen zweiten Mutterschaftsurlaub in Anspruch, an den sich ein Erziehungsurlaub in Form einer Reduzierung der Arbeitszeit um ein Fünftel anschloss. Dieser Erziehungsurlaub sollte am 29.01.2011 enden. Am 06.12.2010 wurde ArbN im Rahmen einer Massenentlassung aus wirtschaftlichen Gründen gekündigt. Sie erklärte sich mit einem neunmonatigen Wiedereingliederungsurlaub einverstanden. Mit Wirkung vom 01.01.2011 verzichtete die ArbN auf die Reduzierung ihrer Arbeitszeit und verließ das Unternehmen am 07.09.2011 endgültig. ArbN wendet sich gegen die Modalitäten der Berechnung der Entlassungsentschädigung und der Zuwendung für einen Wiedereingliederungsurlaub, die ihr im Rahmen ihrer während ihres Elternurlaubs in Teilzeit erfolgten Kündigung aus wirtschaftlichen Gründen gezahlt wurden. Die mit dem Rechtsstreit befasste Cour de cassation (Kassationsgerichtshof, Frankreich) hat beschlossen, dem EuGH Fragen dahingehend vorzulegen, ob die Rahmenvereinbarung über den Elternurlaub dem entgegensteht, dass die Entlassungsentschädigung und die Zuwendung für einen Wiedereingliederungsurlaub, die einem unbefristet und auf Vollzeitbasis angestellten Arbeitnehmer zu zahlen sind, wenn diesem Arbeitnehmer in der Zeit gekündigt wird, in der er einen Elternurlaub in Teilzeit in Anspruch nimmt, zumindest teilweise auf der Grundlage des verringerten Entgelts berechnet werden, das er zum Zeitpunkt der Kündigung bezieht. Die Cour de cassation fragt den EuGH auch danach, ob, soweit sich eine deutlich höhere Zahl von Frauen als von Männern dazu entschließt, einen Elternurlaub auf Teilzeitbasis in Anspruch zu nehmen, die sich daraus ergebende mittelbare Diskriminierung hinsichtlich des Bezugs einer verringerten Entlassungsentschädigung und einer verringerten Zuwendung für einen Wiedereingliederungsurlaub nicht gegen Art. 157 AEUV verstößt, der den Grundsatz des gleichen Arbeitsentgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit betrifft.
In seinem Urteil weist der EuGH darauf hin, dass die Rahmenvereinbarung über den Elternurlaub auf einem Engagement der Sozialpartner beruht, Maßnahmen zu schaffen, die es Männern und Frauen ermöglichen sollen, ihren beruflichen und familiären Verpflichtungen gleichermaßen nachzukommen, und dass sie für alle Arbeitnehmer, Männer und Frauen, gilt, die nach den Rechtsvorschriften, Tarifverträgen oder Gepflogenheiten in dem jeweiligen Mitgliedstaat über einen Arbeitsvertrag verfügen oder in einem Arbeitsverhältnis stehen. Der EuGH weist ferner darauf hin, dass die Entlassungsentschädigung eines unbefristet und in Vollzeit angestellten Arbeitnehmers, wenn diesem Arbeitnehmer der in der Zeit, in der er einen Elternurlaub auf Teilzeitbasis in Anspruch nimmt, gekündigt wird, vollständig auf der Grundlage des Entgelts berechnet werden muss, das für von ihm in Vollzeit erbrachte Arbeitsleistungen zu zahlen wäre. Eine nationale Regelung, die im Fall eines Elternurlaubs zu einer Verkürzung der sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden Rechte führte, könnte den Arbeitnehmer nämlich davon abhalten, Elternurlaub zu nehmen, und den Arbeitgeber dazu anhalten, bevorzugt diejenigen Arbeitnehmer zu entlassen, die sich im Elternurlaub befinden. Das liefe unmittelbar dem Zweck der Rahmenvereinbarung über den Elternurlaub zuwider, zu deren Zielen eine bessere Vereinbarkeit von Familien- und Berufsleben gehört. Unter diesen Umständen steht die Rahmenvereinbarung über den Elternurlaub einer nationalen Bestimmung entgegen, die dazu führt, dass das verringerte Entgelt, das der Arbeitnehmer in einem Elternurlaub auf Teilzeitbasis zu dem Zeitpunkt bezieht, in dem ihm gekündigt wird, berücksichtigt wird. Hinsichtlich der Zuwendung für einen Wiedereingliederungsurlaub stellt der EuGH fest, dass diese Leistung ein aus dem Arbeitsverhältnis abgeleitetes Recht darstellt, auf das der Arbeitnehmer einen Anspruch gegenüber dem Arbeitgeber hat. Allein der Umstand, dass die Zahlung dieser Zuwendung nicht automatisch erfolgt und dass diese Zahlung für die Zeit des über die Dauer der Kündigungsfrist hinausgehenden Wiedereingliederungsurlaubs geleistet wird, vermag nichts an dieser Feststellung zu ändern. Unter diesen Umständen ist die Rahmenvereinbarung über den Elternurlaub auf eine Leistung wie die Zuwendung für einen Wiedereingliederungsurlaub anwendbar. Daher gelangt der EuGH zu dem Ergebnis, dass eine Leistung wie die Zuwendung für einen Wiedereingliederungsurlaub ebenso wie die Entlassungsentschädigung in Anwendung der Rahmenvereinbarung über den Elternurlaub vollständig auf der Grundlage des Entgelts berechnet werden muss, das für die von diesem Arbeitnehmer in Vollzeit erbrachten Leistungen zu zahlen wäre. Zu der Frage, ob die mit dem Elternurlaub verbundene Ungleichbehandlung mit Art. 157 AEUV vereinbar ist, führt der EuGH erstens aus, dass Begriff „Arbeitsentgelt“ im Sinne dieses Artikels weit auszulegen ist und dass infolgedessen Leistungen wie die Entlassungsentschädigung und die Zuwendung für einen Wiedereingliederungsurlaub als „Arbeitsentgelt“ im Sinne von Art. 157 AEUV einzustufen sind. Zweitens weist der EuGH darauf hin, dass eine mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts vorliegt, wenn eine nationale Maßnahme zwar neutral formuliert ist, in ihrer Anwendung aber wesentlich mehr Arbeitnehmer des einen Geschlechts als solche des anderen Geschlechts benachteiligt. Eine solche Maßnahme ist mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz nur dann vereinbar, wenn die von ihr bewirkte Ungleichbehandlung zwischen den beiden Arbeitnehmerkategorien durch objektive Faktoren gerechtfertigt ist, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun haben. Die Cour de cassation hat im Rahmen der Vorlage ausgeführt, dass sich eine deutlich höhere Zahl von Frauen als von Männern dazu entschließe, einen Elternurlaub auf Teilzeitbasis in Anspruch zu nehmen, da in Frankreich 96 % der Arbeitnehmer, die einen Elternurlaub nähmen, Frauen seien. In einem solchen Fall ist eine nationale Regelung wie die französische mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung nur unter der Voraussetzung vereinbar, dass die auf diese Weise zwischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bewirkte Ungleichbehandlung möglicherweise durch objektive Faktoren, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun haben, gerechtfertigt werden kann. Der EuGH stellt jedoch fest, dass von dem betroffenen Mitgliedstaat kein objektiv gerechtfertigter Faktor geltend gemacht wird, und gelangt daher zu dem Ergebnis, dass die in Rede stehende Regelung nicht mit dem Grundsatz des gleichen Arbeitsentgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit, wie dieser in Art. 157 AEUV vorgesehen ist, vereinbar erscheint. (EuGH, Urt. v. 08.05.2019 – C-486/18)

Abstract: Die Berechnung der einem Arbeitnehmer in Elternurlaub zu zahlenden Entschädigungen für Entlassung und Wiedereingliederung muss auf der Grundlage des Vollzeitentgelts erfolgen. Eine nationale Regelung, die hiergegen verstößt, führt zu einer mittelbaren Diskriminierung aufgrund des Geschlechts.

Reiserecht

Kein Anspruch gegen den Reiseveranstalter bei verspäteter Ankunft am Gate
Die Kläger, die etwa einmal im Jahr gemeinsame Flugreisen ins europäische Ausland unternahmen, buchten eine Flugpauschalreise nach Asien, in deren Rahmen sie von Frankfurt am Main nach Hanoi fliegen wollten. Das Boarding in Frankfurt schloss 20 Minuten vor der Abflugzeit. Den Klägern wurde beim Eintreffen am Fluggaststeig mitgeteilt, dass die Annahme von Fluggästen bereits geschlossen sei. Einen schriftlichen Hinweis auf Annahmeschlusszeiten auf den Bordkarten hatten die Kläger nicht erhalten. Ungeklärt und umstritten blieb die Frage, ob diese ihnen mündlich mitgeteilt worden waren, ebenso, ob die Fluggastbrücke und die Flugzeugtür beim Eintreffen am Flugsteig noch geöffnet war. Die Kläger mussten Ersatzflüge für jeweils ca. 990 € buchen. Der Reiseveranstalter erstattete die Kosten für die Steuern und Gebühren der Flüge. Den Rest der aufgewendeten Kosten machten die Kläger mitsamt Schadensersatz für entgangene Urlaubsfreude vor dem Amtsgericht geltend.
Das AG wies die Klage ab. Die Kläger könnten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Ansprüche gegen den Reiseveranstalter geltend machen, denn sie treffe ein Mitverschulden (§ 254 BGB) an der verweigerten Beförderung. Die Kläger seien wegen der regelmäßigen gemeinsamen Reisen durchschnittlich flugerfahren. Sie hätten deshalb, auch ohne ausdrücklichen Hinweis, ohne weiteres erkennen müssen, dass sie nicht erst einige Minuten vor dem planmäßigen Abflug am Gate sein durften. Zumindest hätten sie, wenn sie eine entsprechende Absicht gefasst hätten, beim Check-In nachfragen müssen, welches Eintreffen am Gate noch rechtzeitig sei. Auch der Umstand, dass nach Abschluss des Boarding die Flugzeugtür und die Fluggastbrücke möglicherweise noch offen gewesen seien, als die Kläger eintrafen, ändere daran nichts. Die Fluggesellschaften seien an feste Annahmeschlusszeiten gebunden, um die Wahrnehmung des ihnen vom Flughafen Frankfurt zugeteilten Start-Slots nicht zu gefährden. (AG Frankfurt am Main, Urt. v. 19.10.2018 – 32 C 1560/18 ; rkr.)

Abstract: Reisende, die erst nach Abschluss des Einsteigevorgangs (Boarding) am Fluggaststeig erscheinen, haben keine Ansprüche gegen den Pauschalreiseveranstalter, wenn ihnen die Beförderung durch die Fluggesellschaft aus diesem Grund verweigert wird.