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WBP NEWS

Online-News für den 15.07.2020

WEG-Recht

Anspruch auf Lärmschutz bei Auswechslung des Teppichbodens durch Fliesen
Die Parteien sind Mitglieder einer WEG. Die Wohnung des Klägers befindet sich im zweiten OG des 1962 errichteten Hauses, die Wohnung des Beklagten in dem darüber liegenden Dachgeschoss. Dieses war 1995 zu Wohnraum ausgebaut und mit Teppichboden ausgestattet worden. 2008 ließ der Beklagte den Teppichboden durch Fliesen ersetzen. Der Kläger macht geltend, seitdem komme es in seiner Wohnung zu unzumutbaren Lärmbelästigungen durch Trittschall. Ein im Jahr 2013 von der Verwalterin der WEG in Auftrag gegebenes Gutachten ergab, dass die Trittschalldämmung der Wohnungstrenndecke mit dem Fliesenbelag nicht den schallschutztechnischen Mindestanforderungen entspricht. Mit der Klage verlangt der Kläger von dem Beklagten, wieder Teppichboden oder einen in der Trittschalldämmung gleichwertigen Bodenbelag mit einem Trittschallverbesserungsmaß von mindestens 15 dB zu verlegen, hilfsweise durch geeignete Maßnahmen einen Normtrittschallpegel des Fußbodens von = 53 dB herzustellen. Das AG hat der Klage im Hauptantrag stattgegeben. Das LG hat das Urteil geändert und unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung dem Hilfsantrag stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Revision des Beklagten hat der BGH zurückgewiesen.
Rechtlicher Maßstab für die zwischen den Wohnungseigentümern hinsichtlich des Schallschutzes bestehenden Pflichten ist § 14 Nr. 1 WEG. Danach ist jeder Wohnungseigentümer verpflichtet, von den in seinem Sondereigentum stehenden Gebäudeteilen, wozu auch der Oberbodenbelag gehört, nur in solcher Weise Gebrauch zu machen, dass dadurch keinem der anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst. Ein solcher Nachteil ist dem Kläger infolge des Austauschs des Bodenbelags in der Wohnung des Beklagten entstanden. Der im Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander zu gewährende Schallschutz richtet sich nach der DIN 4109, wenn ein vorhandener Bodenbelag durch einen anderen ersetzt und dabei nicht in den unter dem Belag befindlichen Estrich und die Geschossdecke eingegriffen wird. Das gilt grundsätzlich auch dann, wenn die Trittschalldämmung des Gemeinschaftseigentums mangelhaft ist und der Trittschall ohne diesen Mangel den schallschutztechnischen Mindestanforderungen entspräche. Zwar muss der Schallschutz in erster Linie durch die im Gemeinschaftseigentum stehenden Bauteile gewährleistet werden, insbesondere durch die Art und den Aufbau der Geschossdecke und des Estrichs. Daraus folgt aber nur, dass das mittels der im Gemeinschaftseigentum stehenden Bauteile bislang erreichte Schallschutzniveau bei Eingriffen in das Gemeinschaftseigentum im Prinzip erhalten bleiben muss und jedenfalls nicht signifikant verschlechtert werden darf. Das ändert nichts daran, dass der Wohnungseigentümer nach § 14 Nr. 1 WEG gehalten ist, insbesondere bei der Änderung des Bodenbelags darauf zu achten, dass die durch die DIN 4109 vorgegebenen schallschutztechnischen Mindestanforderungen eingehalten werden. Anders kann es sein, wenn bei einer mangelhaften Trittschalldämmung des Gemeinschaftseigentums der Wohnungseigentümer keine zumutbare Abhilfemöglichkeit hat. Solange er aber mit zumutbaren Maßnahmen an seinem Sondereigentum die Mindestanforderungen an den Trittschallschutz einhalten kann, wie etwa durch die Verlegung eines schalldämpfenden Teppichbodens oder die Anbringung eines zusätzlichen Bodenbelags, kann der andere Wohnungseigentümer gemäß § 1004 BGB und § 15 Abs. 3 WEG i.V.m. § 14 Nr. 1 WEG von ihm die Beseitigung der Beeinträchtigungen seines Wohneigentums verlangen. So ist es hier. Der Trittschallpegel überschreitet die maßgeblichen Grenzwerte der DIN 4109 in der Ausgabe von 1989 von 53 dB um 14 dB. Mit dem Fliesenbelag beträgt der Trittschallpegel 66 bis 67 dB. Dem Beklagten ist die Einhaltung der Mindestanforderungen an den Trittschall auch zumutbar.
Er kann dies nach den Feststellungen des Berufungsgerichts durch vergleichsweise einfache Maßnahmen erreichen, nämlich durch die Verlegung eines Teppichbodens oder die Anbringung eines zusätzlichen Bodenbelags auf die bestehenden Fliesen. Welche Maßnahme er ergreift, bleibt ihm überlassen. Demgegenüber ist die Ertüchtigung des Gemeinschaftseigentums aufwändiger und mit weitaus höheren Kosten verbunden. (BGH, Urt. v. 26.06.2020 – V ZR 173/19)

Abstract: Ein Wohnungseigentümer kann von einem anderen Wohnungseigentümer, der in seiner Wohnung den Bodenbelag ausgetauscht hat (Fliesen statt Teppichboden), die Einhaltung der schallschutztechnischen Mindestanforderungen nach der DIN 4109 auch dann verlangen, wenn die Trittschalldämmung des Gemeinschaftseigentums mangelhaft ist und ohne diesen Mangel der Trittschall den schallschutztechnischen Mindestanforderungen entspräche.

Steuerrecht

Form und Ort der Akteneinsicht richten sich nach der FGO und nicht nach der DSGVO
Einsicht in Papierakten ist grundsätzlich nur in den Räumen eines Gerichts oder einer Behörde unter Aufsicht eines im öffentlichen Dienst stehenden Bediensteten möglich. Es gebe keinen Rechtsanspruch auf die Übersendung von Akten oder die Überlassung vollständiger Kopien. Form und Ort der Akteneinsicht werde durch § 78 Abs. 2 und 3 FGO ausdrücklich geregelt. Danach werde den Beteiligten Einsicht in die in Papierform geführten Gerichtsakten und die dem Gericht vorgelegten Akten „in Diensträumen“ gewährt. Kanzleiräume eines Rechtsanwalts seien keine Diensträume. Besondere Gründe, die ausnahmsweise eine Aktenübersendung rechtfertigen könnten, lägen nicht vor. Der Prozessbevollmächtigte könne nach Akteneinsicht an einem anderen Gericht oder einer Behörde dem FG eine Liste mit Aktenseiten, die er kopiert haben wolle, vorlegen. „Soweit nicht von vornherein ersichtlich wäre, dass die Klägerin bereits im Besitz entsprechender Kopien oder Mehrfertigungen ist, würde der Senat dem entsprechenden Wunsch der Klägerin vollumfänglich entsprechen.“ § 78 Abs. 3 Satz 2 FGO verpflichte das FG nicht, Behördenakten zu digitalisieren. Daher müsse das FG keine elektronische Fassung der in Papierform geführten Behördenakten herstellen und hierauf einen elektronischen Zugriff ermöglichen. Aus Art. 15 DSGVO ergebe sich auch kein Anspruch auf Übersendung von Aktenkopien. Dessen Anwendung im Finanzgerichtsverfahren normiere die FGO nicht. Dies entspreche Art. 23 Abs. 1 Buchst. f DSGVO zum Schutz der Unabhängigkeit der Justiz und von Gerichtsverfahren. Die FGO gehe dem Datenschutzrecht und dem Auskunftsrecht aus Art. 15 DSGVO vor. Der Prozessbevollmächtigte einer Klägerin hatte beim FG beantragt, ihm Akteneinsicht durch Übersendung der vollständigen Akten im Original oder in Kopie in seine Kanzleiräume zu gewähren. Er verwies in seinem Antrag auf das „Gebaren“ des Beklagten, der erst nach Aufforderung des Senats nach der mündlichen Verhandlung die Akten im Original vorgelegt hatte. Dies mache eine umfangreiche Recherche am Arbeitsplatz erforderlich. Eine solche sei ihm in einem Gericht weder möglich noch zumutbar. Bei den hamburgischen Gerichten gebe es auch keinen Kopierer für Externe. Die Klägerin beantragte außerdem die Übersendung vollständiger Kopien der Akten gemäß Art. 15 DSGVO. (FG Baden-Württemberg, Beschl. v. 17.12.2019 – 2 K 770/17)

Abstract: Einsicht in Steuer-Papierakten ist grundsätzlich nur in den Räumen eines Gerichts oder einer Behörde unter Aufsicht eines im öffentlichen Dienst stehenden Bediensteten möglich.

Arbeitsrecht

Benachteiligung eines schwerbehinderten Bewerbers
Im März 2016 schrieb die Regionaldirektion Berlin-Brandenburg der Beklagten intern zwei Stellen als Personalberater aus, wobei eine Stelle bei der Agentur für Arbeit in Cottbus und die andere Stelle bei der Agentur für Arbeit Berlin-Mitte zu besetzen war. Der langjährig bei der Beklagten beschäftigte Kläger bewarb sich auf beide Stellen. Für beide Stellen, die identische Anforderungsprofile hatten, führte die für die Besetzung dieser Stellen zuständige Regionaldirektion Berlin-Brandenburg ein Auswahlverfahren nach identischen Kriterien durch. Der Kläger wurde nur zu einem Vorstellungsgespräch betreffend die Stelle in Berlin eingeladen mit dem Hinweis, dass die Ergebnisse des Auswahlgesprächs für die Stelle in Berlin in das Stellenbesetzungsverfahren für die Stelle in Cottbus einfließen würden. Beide Bewerbungen des Klägers blieben erfolglos. Der Kläger hat die Beklagte nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung gerichtlich u.a. auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG in Anspruch genommen. Er hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe ihn entgegen den Vorgaben des SGB IX und des AGG wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt. Dies folge daraus, dass die Beklagte ihn entgegen § 82 Satz 2 SGB IX aF nicht zu einem Vorstellungsgespräch auch für die Stelle in Cottbus eingeladen habe. Das ArbG hat die Klage abgewiesen. Das LAG hat die Beklagte zur Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG in Höhe eines auf der Stelle erzielbaren Bruttomonatsentgelts verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten hatte Erfolg.
Die Beklagte hat den Kläger nicht wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt und schuldet ihm deshalb nicht die Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG. Zwar muss der öffentliche Arbeitgeber, dem die Bewerbung einer fachlich nicht offensichtlich ungeeigneten schwerbehinderten oder dieser gleichgestellten Person zugeht, diese nach § 82 Satz 2 SGB IX aF auch bei einer (ausschließlich) internen Stellenausschreibung zu einem Vorstellungsgespräch einladen. Dieser Verpflichtung war die Beklagte allerdings dadurch ausreichend nachgekommen, dass die für die Besetzung beider Stellen zuständige Regionaldirektion Berlin-Brandenburg den Kläger zu einem Vorstellungsgespräch betreffend die bei der Agentur für Arbeit Berlin-Mitte zu besetzende Stelle mit identischem Anforderungsprofil eingeladen hatte, das Auswahlverfahren nach identischen Kriterien durchgeführt wurde und eine Vertreterin der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg den jeweils gebildeten Auswahlkommissionen angehörte. (BAG, Urt. v. 25.06.2020 – 8 AZR 75/19)

Abstract: Geht dem öffentlichen Arbeitgeber die Bewerbung einer fachlich nicht offensichtlich ungeeigneten schwerbehinderten oder dieser gleichgestellten Person zu, muss er diese nach § 82 Satz 2 SGB IX in der bis zum 29.12.2016 geltenden Fassung (aF) zu einem Vorstellungsgespräch einladen. Das gilt auch bei einer (ausschließlich) internen Stellenausschreibung.

Bankrecht

Unwirksame Entgeltklausel für Basiskonto
Der Kläger ist der Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände, der als qualifizierte Einrichtung nach § 4 UKlaG eingetragen ist. Er wendet sich gegen die im Preis- und Leistungsverzeichnis der beklagten Bank ausgewiesenen Entgelte für ein Basiskonto. Die Beklagte verwendet ein Preis- und Leistungsverzeichnis (Stand: 01.01.2017), in dem unter anderem die Preise für ein Basiskonto i.S.d. §§ 30 ff. ZKG geregelt sind. Danach beträgt der monatliche Grundpreis für ein solches Konto 8,99 €. Die in diesem Preis enthaltenen Leistungen umfassen insbesondere die Nutzung von Online-Banking, Telefon-Banking und Bankingterminals, die Nutzung des Bank Card Service, Kontoauszüge am Bankterminal,
beleglose Überweisungen sowie die Einrichtung und Änderung von Daueraufträgen über Online-Banking und Bankingterminal. Für beleghafte Überweisungen, für Überweisungen und die Einrichtung oder Änderung von Daueraufträgen über einen Mitarbeiter der Beklagten im telefonischen Kundenservice oder in der Filiale sowie für ausgestellte oder eingereichte Schecks hat der Inhaber eines Basiskontos ein zusätzliches Entgelt von jeweils 1,50 € zu entrichten. Der Kläger hält die Entgeltklauseln wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB, § 41 Abs. 2 ZKG für unwirksam. Die Vorinstanzen haben der Unterlassungsklage stattgegeben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Der BGH hat entschieden, dass die angefochtenen Klauseln der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB unterliegen und dieser nicht standhalten. Er hat deshalb die Revision der Beklagten zurückgewiesen. Die Entgeltklauseln sind Gegenstand der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB, weil sie von der gesetzlichen Preisregelung des § 41 Abs. 2 ZKG abweichen. Danach muss das Entgelt für die grundlegenden Funktionen eines Basiskontovertrags angemessen sein, wobei für die Beurteilung der Angemessenheit insbesondere die marktüblichen Entgelte und das Nutzerverhalten zu berücksichtigen sind. Die Einhaltung dieser gesetzgeberischen Vorgabe hat im Fall von Entgeltvereinbarungen durch AGB und in Bezug genommene Preis- und Leistungsverzeichnisse durch eine Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB zu erfolgen. Die Entgeltklauseln halten der Inhaltskontrolle nicht stand und sind deshalb gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam. Prüfungsmaßstab für die Inhaltskontrolle ist § 41 Abs. 2 ZKG. Nach dessen Satz 1 muss das Entgelt für die von § 38 ZKG erfassten Dienste, d.h. die grundlegenden Funktionen eines Zahlungskontos, nämlich das Ein- und Auszahlungsgeschäft sowie das Lastschrift-, Überweisungs- und Zahlungskartengeschäft, angemessen sein. Für die Beurteilung der Angemessenheit sind nach § 41 Abs. 2 Satz 2 ZKG insbesondere die marktüblichen Entgelte und das Nutzerverhalten zu berücksichtigen. Diese Bewertungsparameter sind jedoch – was sich bereits aus dem Wortlaut („insbesondere“) ergibt – nicht abschließend. Bei der Prüfung der Angemessenheit eines Entgelts für ein Basiskonto ist auch in den Blick zu nehmen, dass die Vorschriften über das Basiskonto allen, d.h. insbesondere auch einkommensarmen Verbrauchern den Zugang zu einem Zahlungskonto mit grundlegenden Funktionen und damit die Teilhabe am Zahlungsverkehr ermöglichen sollen und der zur Verwirklichung dieses Ziels in § 31 Abs. 1 ZKG geregelte Kontrahierungszwang nicht durch zu hohe, prohibitiv wirkende Entgelte unterlaufen werden darf. Das Entgelt für ein Basiskonto ist jedenfalls dann nicht angemessen i.S.d. § 41 Abs. 2 ZKG, wenn in dem verlangten Entgelt Kostenbestandteile enthalten sind, die entweder gar nicht oder jedenfalls nicht nur auf die Nutzer der Basiskonten umgelegt werden dürfen. Diese Vorschrift schließt es nach ihrem Sinn und Zweck insbesondere allgemein aus, den mit der Führung von Basiskonten verbundenen Zusatzaufwand oder die mit der Ablehnung eines Antrags auf Abschluss eines Basiskontos verbundenen Kosten allein auf die Inhaber von Basiskonten umzulegen. Vielmehr müssen diese Kosten von den Instituten durch die im freien Wettbewerb erzielbaren Leistungspreise erwirtschaftet werden. Dagegen hat die Beklagte verstoßen, indem sie nach den von ihr vorgelegten Kostenkalkulationen für das Basiskonto und die übrigen Girokonten den mit der Führung der Basiskonten verbundenen Mehraufwand ausschließlich auf die Basiskonten umgelegt hat. (BGH, Urt. v. 30.06.2020 – XI ZR 119/19)

Abstract: Die in den AGB eines Kreditinstituts enthaltenen Entgeltklauseln für ein Zahlungskonto mit grundlegenden Funktionen (Basiskonto) im Verkehr mit Verbrauchern sind unwirksam, wenn bei der Bemessung des Entgelts das kontoführende Institut den mit der Führung von Basiskonten verbundenen Mehraufwand allein auf die Inhaber von Basiskonten umgelegt hat.