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WBP NEWS

Online-News für den 15.11.2017

Gewerbliches Mietrecht

Unwirksame Werbeverlängerung im Rahmen eines Humansponsorings
Die Klägerin vermietet Werbeflächen auf Kraftfahrzeugen. Die Fahrzeuge erwirbt sie, um sie an soziale Institutionen zu verleihen. Mit der Beklagten schloss sie am 22.03.2010 einen Vertrag über eine Werbefläche auf einem Sozialmobil, das einem Pflegestift als Institution überlassen wurde. Vereinbart war eine Basislaufzeit von fünf Jahren zu einem Bruttogesamtpreis von 2.299 €. Der von der Klägerin gestellte Formularvertrag enthält u.a. folgende Bestimmung: „Die Werbelaufzeit beginnt mit der Auslieferung des Fahrzeuges an den Vertragspartner. Der Vertrag verlängert sich automatisch ohne Neubeantragung um weitere 5 Jahre, wenn nicht 6 Monate vor Ablauf des Vertrages schriftlich gekündigt wird.“ Mit Schreiben vom 03.03.2015 wies die Klägerin darauf hin, dass mangels Kündigung eine Vertragsverlängerung um weitere fünf Jahre eingetreten sei und stellte für die zweite Werbeperiode eine erste Rate in Rechnung. Daraufhin focht die Beklagte den Vertrag unter dem 09.03.2015 wegen arglistiger Täuschung an, erklärte den Rücktritt vom Vertrag und kündigte diesen. Die Klägerin verlangt die Vergütung für die verlängerte Vertragslaufzeit. Das AG hat die Klage abgewiesen, das LG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg.
Der BGH hat klargestellt, dass eine Klausel zur automatischen Verlängerung eines Werbevertrags wegen fehlender Transparenz unwirksam ist, wenn bei Vertragsbeginn nicht eindeutig feststeht, bis wann die Kündigung zur Abwendung der Verlängerung spätestens ausgesprochen werden muss. Dies ist auch dann der Fall, wenn das Vertragsende und die daran anknüpfende letztmögliche Kündigungsmöglichkeit unklar sind, weil schon der Vertragsbeginn nicht eindeutig feststeht. Das war hier deswegen der Fall, weil nach dem Vertragsinhalt letztlich unklar bleibt, ob für den Vertragsbeginn die bei Vertragsschluss ungewisse Auslieferung des Fahrzeugs an die Klägerin oder dessen Übergabe an die Institution maßgeblich ist. (BGH, Urt. v. 25.10.2017 – XII ZR 1/17)

Abstract: Eine Klausel zur automatischen Verlängerung eines Werbevertrags ist wegen fehlender Transparenz unwirksam, wenn bei Vertragsbeginn nicht eindeutig feststeht, bis wann die Kündigung zur Abwendung der Verlängerung spätestens ausgesprochen werden muss.

Steuerrecht

Sog. Sanierungserlass ist nicht auf Altfälle anwendbar
Der Große Senat des BFH hatte den sog. Sanierungserlass mit Beschl. v. 28.11.2016 – GrS 1/15 – verworfen, weil er gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verstößt. Das BMF hat die Finanzämter daraufhin angewiesen, den sog. Sanierungserlass in allen Fällen, in denen die an der Sanierung beteiligten Gläubiger bis (einschließlich) 08.02.2017 (Zeitpunkt der Veröffentlichung des Beschlusses des Großen Senats des BFH) endgültig auf ihre Forderungen verzichtet haben, gleichwohl weiterhin uneingeschränkt anzuwenden.
Der BFH hat entschieden, dass diese Anordnung des BMF in gleicher Weise gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verstößt wie der sog. Sanierungserlass selbst. Eine solche Regelung hätte nach Auffassung des BFH nur der Gesetzgeber treffen können.
In den beiden Urteilen zugrunde liegenden Verfahren hatten die Kläger mit den jeweiligen Finanzämtern darüber gestritten, ob in ihren Fällen die Voraussetzungen für einen Steuererlass vorliegen. Auf diese Frage ging der BFH in den Revisionsurteilen nicht ein. Da die Anordnung des BMF gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verstößt, dürfen Gerichte den sog. Sanierungserlass auch in Altfällen nicht anwenden. Mit dem Gesetz gegen schädliche Steuerpraktiken im Zusammenhang mit Rechteüberlassungen v. 27.06.2017 sind inzwischen antragsgebundene Steuerbefreiungstatbestände für Sanierungsgewinne geschaffen worden. Diese Bestimmungen finden auf Altfälle keine Anwendung. (BFH, Urt. v. 23.8.2017 – I R 52/14 und X R 38/15)

Abstract: Der sog. Sanierungserlass des BMF, durch den Sanierungsgewinne steuerlich begünstigt werden sollten, darf für die Vergangenheit nicht angewendet werden.

Arbeitsrecht

Durch Insolvenzanfechtung erzwungene Rückzahlung von Ausbildungsvergütung
Der Kläger wurde von der späteren Schuldnerin von 2008 bis 2012 zum Metallbauer ausgebildet. Ihm stand zuletzt eine monatliche Ausbildungsvergütung von 495,20 € brutto zu. In einem nach Abschluss seiner Ausbildung eingeleiteten Rechtsstreit schloss er im Oktober 2012 vor dem ArbG mit der Schuldnerin einen Vergleich, in dem sich diese verpflichtete, rückständige Ausbildungsvergütung von 2.800,00 € netto zu zahlen. Zahlungen erfolgten jedoch erst im Dezember 2012 und Januar 2013 unter dem Druck von Zwangsvollstreckungs-maßnahmen, die der Kläger eingeleitet hatte. Am 15.09.2014 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Eröffnungsbeschluss nennt als Grundlage der Eröffnung neben zwei Anträgen aus dem Jahr 2014 ausdrücklich auch einen bereits am 07.10.2010 – und damit mehr als zwei Jahre vor der Zahlung der rückständigen Ausbildungsvergütung – gestellten Insolvenzantrag. Der Insolvenzverwalter verlangt mit seiner Widerklage die Rückzahlung der vom Kläger erstrittenen Ausbildungsvergütung. Der Kläger hat geltend gemacht, es sei nicht nachvollziehbar, warum das Verfahren auch auf den Antrag v. 07.10.2010 hin eröffnet worden sei. Zudem könne ihm durch die Anfechtung nicht die Ausbildungsvergütung entzogen werden, die auch sein Existenzminimum habe sichern sollen.

Das ArG hat die Widerklage abgewiesen. Das LAG hat auf die Berufung des Beklagten der Widerklage stattgegeben. Die Revision des Klägers hatte vor dem BAG keinen Erfolg. Die ArbG waren als sog. Prozessgerichte im Anfechtungsstreit daran gebunden, dass das AG als Insolvenzgericht im rechtskräftig gewordenen Eröffnungsbeschluss auch den Insolvenzantrag v. 07.10.2010 als Eröffnungsgrundlage bestimmt hatte. Anlass, eine verfassungsrechtlich legitimierte Anfechtungssperre bei Druckzahlungen zu erwägen, besteht nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht, weil der Arbeitnehmer in solchen Fällen die zur Absicherung des Existenzminimums vorgesehenen und geeigneten staatlichen Hilfen wie Grundsicherung und Insolvenzgeld in Anspruch nehmen kann. Daran hat der Senat auch für den Fall der Rückforderung einer Ausbildungsvergütung im Wege der Insolvenzanfechtung festgehalten. (BAG, Urt. v. 26.10.2017 6 AZR 511/16)

Abstract: Zahlungen des ArbG an AN und Auszubildende, die nicht in der geschuldeten Art erfolgen, können vom späteren Insolvenzverwalter gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO ohne weitere Voraussetzungen zur Masse zurückgefordert werden, wenn die Zahlungen nach dem Insolvenzantrag vorgenommen worden sind, der zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens geführt hat.

Zivilrecht

Mit „Schadensaufnahme“ überschriebenes Formular ist i. d. R. kein Gutachtensauftrag
Die Klägerin ist ein Sachverständigenbüro, das den Halter eines Pkw auf Zahlung der Kosten für ein Sachverständigengutachten verklagt. Die inzwischen verstorbene Ehefrau des Beklagten erschien am 18.03.2014 in einem Autohaus. Ihre Absicht war es, sich hinsichtlich einer etwaigen Reparatur des Pkw, der formal auf den Beklagten zugelassen war, zu erkundigen. Bei dem Schaden handelt es sich um einen Parkunfall. In dem Autohaus füllte die Frau das Formblatt „Schadensaufnahme“ aus. Am unteren Rand des Formulars war in ganz kleiner Schrift der Hinweis angebracht: „Die Unterschrift gilt als Auftragserteilung zur Erstellung des Gutachtens …“. Die Klägerin erstattete noch am gleichen Tag das Gutachten und übergab der Ehefrau des Beklagten noch vor Ort die Rechnung über 771 €. Der Beklagte ist der Ansicht, dass ein Gutachten weder mündlich noch schriftlich in Auftrag gegeben wurde. Dies sei dem Geschäftsführer der Klägerin auch bekannt gewesen. Seine Ehefrau sei davon ausgegangen, dass lediglich ein kostenloser Kostenvoranschlag erfolgen sollte. Das Sachverständigenbüro erhob Klage. Die Klage wurde abgewiesen.
Dafür, dass ein mündlicher Auftrag erteilt worden ist, sei das Sachverständigenbüro beweisfällig geblieben. Ein schriftlicher Gutachtensauftrag könne nicht in dem mit „Schadensaufnahme“ überschriebenen Formular gesehen werden. Zum einen sei bereits die Überschrift irreführend, sodass ein objektiver Empfänger nicht von einem Gutachtensauftrag ausgehen dürfe. Zum anderen spreche das Ausstreichen des Wortes „Rechnung an“ dafür, dass eben keine entgeltliche Leistung erbracht werden sollte. Der Umstand, dass unten im Kleingedruckten erläutert ist, dass mit der Unterschrift eine Beauftragung zur Erstellung eines Gutachtens nach Honorartabelle erfolgt sei, führt ebenfalls zu keiner anderen rechtlichen Bewertung. Durch das Kleingedruckte misst die Klägerseite der Unterschrift eine erweiterte Bedeutung zu, die der Unterschreibende so, ohne auf das Kleingedruckte extra hingewiesen zu sein, nicht ohne weiteres abgeben wollte. Ein objektiver Empfänger kann in der konkreten Situation nicht davon ausgehen, dass der Unterschreibende alles Kleingedruckte in seinen Erklärungswillen aufgenommen hat“, so die Urteilsgründe. (AG München, Urt. v. 13.07.2017 – 222 C 1303/17; rkr.)

Abstract: In der Unterzeichnung eines mit „Schadensaufnahme“ überschriebenen Formulars liegt in der Regel kein Gutachtensauftrag.