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WBP NEWS

Online-News für den 01.02.2018

Wirtschaftsrecht

Erstattung des Reisepreises nach Änderung der Reiseleistung durch Reiseveranstalter
Die Kläger verlangen von dem beklagten Reiseveranstalter Erstattung des Reisepreises nach erklärtem Rücktritt. Sie buchten bei der Beklagten eine China-Rundreise. Nach dem Reiseverlauf waren für die dreitägige Dauer des Aufenthalts in Peking verschiedene Besichtigungen vorgesehen. Eine Woche vor der geplanten Abreise teilte die Beklagte den Klägern per Email mit, dass aufgrund einer Militärparade die Verbotene Stadt und der Platz des Himmlischen Friedens in Peking nicht besichtigt werden könnten. Stattdessen wurde ein Besuch des Yonghe-Tempels angeboten. Die Kläger erklärten daraufhin den Rücktritt vom Reisevertrag. Sie haben die Rückzahlung des Reisepreises in Höhe von 3.298  €, Ersatz nutzloser Aufwendungen für Impfungen und Visa und die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten geltend gemacht. Das AG hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das LG die Verurteilung zur Erstattung des Reisepreises bestätigt; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.
Die Revision der Beklagten ist nach dem Urteil des BGH unbegründet. Das LG hat zu Recht ein Rücktrittsrecht der Kläger bejaht. Der Reisende kann nach § 651a Abs. 5 Satz 2 BGB bei einer Erhöhung des Reisepreises um mehr als 5 % oder bei einer – im Streitfall zu bejahenden – erheblichen Änderung einer wesentlichen Reiseleistung vom Reisevertrag zurücktreten. Abgesehen von geringfügigen vom Reisenden hinzunehmenden Abweichungen ist eine nachträgliche Leistungsänderung nur zulässig, wenn der Reiseveranstalter sich diese im Reisevertrag rechtswirksam vorbehalten hat, wofür regelmäßig nur eine entsprechende Klausel in den allgemeinen Reisebedingungen des Veranstalters in Betracht kommt. Im Streitfall fehlt es an einem wirksamen Vorbehalt, da die Änderungsklausel in den allgemeinen Reisebedingungen des beklagten Reiseveranstalters unwirksam ist. Der Reiseveranstalter kann sich nach § 308 Nr. 4 BGB nur solche Leistungsänderungen vorbehalten, die unter Berücksichtigung der Interessen des Reiseveranstalters für den Reisenden zumutbar sind. Zumutbar sind nur Änderungen aufgrund von Umständen, die nach Vertragsschluss eintreten und für den Reiseveranstalter bei Vertragsschluss auch nicht vorhersehbar sind. Außerdem dürfen sie den Charakter der Reise nicht verändern. Beide Schranken kommen in der Klausel nicht zum Ausdruck, die den Ersatz nicht mehr möglicher Reiseleistungen durch vergleichbare andere zulassen. Jedenfalls unter Berücksichtigung der fehlenden vertraglichen Grundlage für Leistungsänderungen liegt im Streitfall eine erhebliche Änderung einer wesentlichen Reiseleistung vor. Wenn sie sich mangels vertraglicher Grundlage zugleich als Mangel der Reise darstellt, kann die Änderung einer wesentlichen Reiseleistung schon dann als erheblich anzusehen sein, wenn sie das Interesse des Reisenden daran, dass die Reise wie vereinbart erbracht wird, mehr als geringfügig beeinträchtigt. Der Besuch der Verbotenen Stadt und des Platzes des Himmlischen Friedens als einer der bekanntesten Sehenswürdigkeiten Pekings und Chinas stellte bereits für sich genommen eine wesentliche Reiseleistung dar. Sie wurde durch den Wegfall dieser Programmpunkte und ihren Ersatz durch den Besuch eines wenn auch bekannten Tempels mehr als nur geringfügig beeinträchtigt. (BGH, Urt. v. 16.01. 2018 – X ZR 44/17)

Abstract: Ein Reisender kann bei einer Erhöhung des Reisepreises um mehr als 5 % oder bei einer erheblichen Änderung einer wesentlichen Reiseleistung vom Reisevertrag zurücktreten.

Steuerrecht

Ausbildungsende im Kindergeldrecht
Die Tochter des Klägers absolvierte eine Ausbildung zur staatlich anerkannten Heilerziehungspflegerin, die nach der einschlägigen landesrechtlichen Verordnung drei Jahre dauert. Der Ausbildungsvertrag hatte dementsprechend eine Laufzeit vom 01.09.2012 bis zum 31.08.2015. Die Tochter bestand die Abschlussprüfung im Juli 2015; in diesem Monat wurden ihr die Prüfungsnoten mitgeteilt. Die Kindergeldgewährung setzte voraus, dass sich die Tochter in Berufsausbildung befand (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG). Die Familienkasse ging davon aus, dass eine Berufsausbildung bereits mit Ablauf des Monats endet, in dem das Prüfungsergebnis bekanntgegeben wird, so dass es nicht auf das Ende der durch Rechtsvorschrift festgelegten Ausbildungszeit ankommt. Die Familienkasse hob daher die Festsetzung des Kindergeldes ab August 2015 auf und verwies hierzu auf die Rechtsprechung des BFH, der zufolge eine Ausbildung spätestens mit der Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses endet. Der Kläger wandte sich dagegen und erstritt vor dem Finanzgericht das Kindergeld für den Monat August. Die Revision der Familienkasse hatte keinen Erfolg.
Der BFH hat mit dem neuen Urteil seine Rechtsprechung zur Dauer der Berufsausbildung präzisiert. In den bislang entschiedenen Fällen war die Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses der späteste in Betracht kommende Zeitpunkt des Ausbildungsverhältnisses. Hiervon unterscheidet sich der Streitfall, weil hier das Ausbildungsende durch eine eigene Rechtsvorschrift geregelt ist. Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 der Heilerziehungspflegeverordnung des Landes Baden-Württemberg dauert die Fachschulausbildung zur Heilerziehungspflegerin drei Jahre. Die Vorschrift des § 21 Abs. 2 BBiG, der zufolge eine Berufsausbildung vor Ablauf der Ausbildungszeit mit der Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses endet, war nicht einschlägig, da die Ausbildung an einer dem Landesrecht unterstehenden berufsbildenden Schule absolviert wurde, so dass das BBiG nicht anwendbar war. Damit endete die Berufsausbildung nicht im Juli 2015, sondern erst mit Ablauf des Folgemonats. (BFH, Urt. v. 14.09.2017 – III R 19/16)

Abstract: Die Kindergeldgewährung aufgrund einer Berufsausbildung endet nicht bereits mit der Bekanntgabe des Ergebnisses einer Abschlussprüfung, sondern erst mit dem späteren Ablauf der gesetzlich festgelegten Ausbildungszeit.

Arbeitsrecht

Senior Partner und Geschäftsführer einer Managementberatungsgesellschaft ist kein Arbeitnehmer
Der Kläger wurde 2004 bei der Beklagten als vice president (damalige Bezeichnung für Partner) nach einem Quereinstieg angestellt. 2005 schlossen die Parteien ein transfer agreement, nach dem der Kläger zum Geschäftsführer ernannt und in ein entsprechendes Dienstverhältnis übernommen wurde. Ein zuvor bestehendes Arbeitsverhältnis wurde zugleich ausdrücklich aufgehoben. Die Beklagte bestellte 2005 über 100 Partner – wie den Kläger – zu Geschäftsführen. Eine Eintragung in das Handelsregister – für die nach dem GmbHG die Geschäftsführer selbst zu sorgen haben – erfolgte zunächst nicht.
Zu den Aufgaben des Klägers gehörte die Kundenakquise und Pflege von Kundenbeziehungen, die eigene Beratungstätigkeit beim Kunden sowie die Leitung von Kundenprojekten. Dem Kläger wurde ein Büro in den Räumlichkeiten der Beklagten zur Verfügung gestellt. Es war ihm gestattet, von zu Hause oder anderswo zu arbeiten; seine Tätigkeit war nicht ortsgebunden. Feste Wochenarbeitszeiten waren dem Kläger weder dem Umfang noch der Lage nach vorgegeben. Seine umfangreiche Reisetätigkeit musste er nicht genehmigen lassen, sondern diese lediglich nach Reiserichtlinie der Beklagten abwickeln. Der Kläger bezog zuletzt als Senior Partner unter Berücksichtigung fixer und variabler Vergütungsbestandteile ein durchschnittliches Monatseinkommen von ungefähr 91.500 € brutto. Die Beklagte beendete die vertraglichen Beziehungen zum Kläger mit Schreiben vom 21.10.2015 zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist. Der Kläger hielt die Kündigung nach den Regeln des KSchG für sozial nicht gerechtfertigt.
Am 18.01.2018 wies das LAG die Berufung des Klägers gegen die erstinstanzliche Entscheidung zurück und ließ die Revision nicht zu. Nach der mündlichen Verhandlung war für das LAG entscheidend, dass der Kläger nicht als Arbeitnehmer angesehen werden und sich deshalb nicht auf das KSchG berufen könne. Die Parteien hatten im transfer agreement von 2005 ein mögliches Arbeitsverhältnis ausdrücklich beendet und ein Geschäftsführerdienstverhältnis begründet. Eine für ein Arbeitsverhältnis typische Weisungsabhängigkeit war für das LAG nicht ausreichend erkennbar. Für die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte war die Behauptung des Klägers ausreichend, Arbeitnehmer zu sein. (LAG Köln, Urt. v. 18.01.2018 7 Sa 292/17)

Abstract: Ein Senior Partner und Geschäftsführer einer internationalen Managementberatung ist kein Arbeitnehmer, der sich auf das LSchFG berufen kann.

Gesellschaftsrecht

„Vollmachten“ können Testamente sein
Die Klägerin ist die Nichte der Beklagten. Die Beklagte, die Mutter der Klägerin und die im Juni 2014 im Alter von 64 Jahren verstorbene Erblasserin sind bzw. waren Schwestern. In einem als „Testament“ überschriebenen Schriftstück bestimmte die Erblasserin im Juni 2013, dass sie ihren Schwestern nach ihrem Tode das Elternhaus in Paderborn je zur Hälfte übertrage. In zwei wenige Tage später im Juni 2013 datierten und mit „Vollmacht“ überschriebenen Schriftstücken erteilte die Erblasserin der Klägerin Vollmacht, „über meinen Bausparvertrag bei der … Bausparkasse über meinen Tod hinaus, zu verfügen und sich das Guthaben auszahlen zu lassen“ und „über sämtliches Vermögen, welches bei der Volksbank … auf meinem Girokonto und Ersparnissen (Sparbuch, Geldanlagen) besteht, über meinen Tod hinaus, zu verfügen“. Beim Tode der Erblasserin belief sich das Guthaben auf den Konten bei der Volksbank und auf dem Bausparvertrag auf zusammen ca. 63.400 €. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die Erblasserin die Beklagte und die Mutter der Klägerin in dem als „Testament“ überschriebenen Schriftstück zu hälftigen Miterben bestimmt hat, weil das Hausgrundstück das wesentliche Vermögen der Erblasserin darstellte. Einen entsprechenden Erbschein stellte das Nachlassgericht im Oktober 2014 aus. Umstritten ist zwischen den Beteiligten, ob die weiteren Schriftstücke der Erblasserin aus dem Juni 2013 ebenfalls testamentarische Anordnungen beinhalten. Die Klägerin hat gemeint, die Erblasserin habe ihr die Guthaben als Vermächtnisse zugewandt, bei den beiden Schriftstücken handele es sich nicht um bloße Vollmachten, sondern um Testamente. Während die Mutter der Klägerin ihren Vermächtnisanspruch anerkannt und der Klägerin ca. 31.700 € ausgezahlt hat, hat die Beklagte eine Zahlung verweigert und die Auffassung vertreten, die Erblasserin habe der Klägerin lediglich Vollmachten erteilt und ihr keine Vermächtnisse zugewandt.
Die von der Klägerin gegen die Beklagte auf Erfüllung des Vermächtnisses gerichtete Klage war erfolgreich. Die Erblasserin habe der Klägerin ihre Guthaben bei der Volksbank und der Bausparkasse im Rahmen von Vermächtnissen zugewiesen, so der Senat. Die beiden mit „Vollmacht“ überschriebenen Schriftstücke der Erblasserin stellten rechtswirksam errichtete privatschriftliche Testamente dar. Sie seien von der Erblasserin eigenhändig geschrieben und unterschrieben worden und erfüllten so die formalen gesetzlichen Anforderungen an ein privatschriftliches Testament. Dass sie mit „Testament“ oder „mein letzter Wille“ überschrieben seien, sei nicht erforderlich, weil sie auf einem ernstlichen Testierwillen beruhten. Die Erblasserin habe sie als rechtsverbindliche letztwillige Verfügung angesehen und der Klägerin nicht lediglich eine Verfügungsbefugnis erteilen wollen. Hiervon sei nach der durchgeführten Beweisaufnahme auszugehen. Zwar habe die Erblasserin die Schriftstücke mit „Vollmacht“ überschrieben. Sie habe die Schriftstücke aber nicht bei den genannten Banken verwahrt, sondern gemeinsam mit dem wenige Tage zuvor errichteten Testament in ihrer Wohnung hinterlegt. Ihr Einsatz im Rechtsverkehr sei aus Sicht der Erblasserin auch nicht notwendig gewesen, nachdem sie ihrer Schwester, der Mutter der Klägerin, bereits postmortale Vollmachten für die Bankkonten erteilt habe. Die Mutter der Klägerin habe als Zeugin zudem glaubhaft bekundet, dass die Erblasserin sie und nicht (auch) die Klägerin als ihre Bevollmächtigte angesehen habe. Dass die Erblasserin die beiden Schriftstücke nicht als „Testament“ und auch nicht als ihren „letzten Willen“ bezeichnet habe, spreche nicht entscheidend gegen ihren Testierwillen. Auch der Text ihres zuvor errichteten Testaments lasse erkennen, dass sich die Erblasserin mit den üblichen Formulierungen letztwilliger Verfügungen nicht ausgekannt habe. Vor diesem Hintergrund seien die beiden Schriftstücke so aufzufassen, dass die Erblasserin der Klägerin ihre auf den Konten bestehenden Guthaben als Vermächtnisse habe zuwenden wollen. Dabei habe sie mangels juristischer Beratung gemeint, dies geschehe bei den Forderungen gegen eine Bank dadurch, dass sie postmortale Vollmachten ausstelle. Die Formulierungen in dem Text, die Klägerin solle sich die Guthaben auszahlen lassen, spreche für eine Zuwendung, so auch die Formulierung, dass sie die Zuwendung behalten solle. In diesem Sinne habe die Erblasserin – das habe die Beweisaufnahme bestätigt – auch das Schriftstück aufgefasst, in dem nicht zusätzlich erwähnt sei, dass sich die Klägerin das Guthaben auszahlen lassen könne. (OLG Hamm, Urt. v. 11.05.2017 – 10 U 64/16; rkr)

Abstract: Eigenhändig ge- und unterschriebene Schriftstücke können Testamente sein, auch wenn die sie verfassende Erblasserin die Schriftstücke nicht mit „Testament“ oder „mein letzter Wille“, sondern mit einer anderen Bezeichnung wie z. B. „Vollmacht“ überschrieben hat.