Mühlenstraße 1 | 27356 Rotenburg (Wümme)
(04261) 93 70 0

WBP NEWS

Online-News für den 01.10.2016

Wirtschaftsrecht

2011 produziertes Fahrzeug kann im Folgejahr noch ein Neufahrzeug sein

Die Klägerin  erwarb mittels einer Ende September 2012 unterzeichneten Bestellung – über die erstbeklagte Vertragshändlerin – von der zweitbeklagten Herstellerin einen Pkw als Neufahrzeug. Das erworbene Fahrzeug war bereits Ende September 2011 produziert worden. Ohne Berücksichtigung eines auf das Unfallfahrzeug entfallenden Restwertes zahlte die Klägerin einen Kaufpreis in Höhe von ca. 105.000 € für das bestellte Neufahrzeug. Dieses übernahm sie – in Kenntnis des Produktionsjahres – im Oktober 2012. Ende 2012/Anfang 2013 verlangte die Klägerin von den Beklagten die Rückabwicklung des Kaufvertrages mit der Begründung, dass das bereits im September 2011 produzierte Fahrzeug beim Verkauf über ein Jahr alt und deswegen kein Neufahrzeug mehr gewesen sei. Zudem habe es vor dem Verkauf schon länger bei der beklagten Vertragshändlerin auf Halde gestanden und sei von dieser auch auf Straßenausstellungen als Vorführwagen benutzt worden. Deswegen habe es bei der Übergabe eine Laufleistung von schon 86 km aufgewiesen. Nachdem die Beklagten die Neulieferung eines Pkw und auch Rückabwicklung des Kaufvertrages abgelehnt hatten, hat die Klägerin von den Beklagten – unter Anrechnung eines Nutzungsvorteils für gefahrene Kilometer – im Klagewege die Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von ca. 103.800 € und die Herausgabe ihres verunfallten Fahrzeugs gegen Rückgabe des gekauften Pkw verlangt. Die Klage ist erfolglos geblieben.

Der Klägerin stehe, so das OLG, kein Anspruch auf Rückabwicklung des streitigen Kaufvertrages zu. Es könne nicht festgestellt werden, dass der als Neufahrzeug verkaufte Pkw bei der Übergabe an die Klägerin mangelhaft gewesen sei. Dass die Klägerin ein erst im Jahre 2012 hergestelltes Fahrzeug habe kaufen wollen, sei von den Parteien so nicht ausdrücklich vereinbart worden. Ihre diesbezügliche Behauptung habe die Klägerin nicht nachweisen können. Gegen die Annahme, der Abschluss des Kaufvertrages habe mit dem Produktionsjahr 2012 „stehen und fallen“ sollen, spreche im Übrigen, dass die Klägerin an dem Vertrag festgehalten habe, nachdem sie Anfang Oktober 2012 erfahren habe, dass ihr gekauftes Fahrzeug bereits im Jahre 2011 hergestellt worden sei. Den Kaufvertrag habe sie dann – nach Gewährung eines weiteren Nachlasses von 3.000 € – vollzogen. Der Pkw habe der Klägerin auch als Neufahrzeug verkauft werden dürfen. Nach der Rechtsprechung sei ein Fahrzeug fabrikneu, wenn es aus neuen Materialien zusammengesetzt und unbenutzt sei, wenn und solange das Modell unverändert weitergebaut werde, wenn das verkaufte Fahrzeug keine durch längere Standzeiten bedingten Mängel aufweise und nach der Herstellung keine Beschädigungen eingetreten seien sowie wenn zwischen Herstellung und Abschluss des Kaufvertrages nicht mehr als zwölf Monate lägen. Dass diese Voraussetzungen beim streitgegenständlichen Pkw nicht erfüllt seien, habe die insoweit beweisbelastete Klägerin nicht nachweisen können. So habe sie nicht substantiiert dargetan und nicht unter Beweis gestellt, dass das Fahrzeug nur noch ein bis Mitte 2012 produziertes „Auslaufmodell“ gewesen sei. Ebenso sei nicht bewiesen, dass das Fahrzeug bei der Übergabe bereits benutzt gewesen sei, weil es zuvor bei Ausstellungen als Probefahrzeug gedient habe. Den Nachweis dafür, dass das Fahrzeug bei der Übergabe bereits 86 km gelaufen sei, habe die Klägerin ebenfalls nicht erbracht. In dem bei der Übergabe unterzeichneten „Torpass“ habe die Klägerin die Laufleistung nicht beanstandet. Schließlich sei das Fahrzeug beim Erwerb durch die Klägerin auch nicht älter als zwölf Monate gewesen. Es sei am 30.09.2011 produziert, von der Klägerin dann am 27.09.2012 bestellt worden, wobei die beklagte Herstellerin die Bestellung am 28.09.2012 akzeptiert habe, so dass der Kaufvertrag zu diesem Zeitpunkt und damit vor Ablauf der Jahresfrist zustande gekommen sei. (OLG Hamm, Urt. v. 16.08.2016 – 28 U 140/15)

Abstract: Ein im Jahre 2011 produzierter Pkw kann vor Ablauf der Jahresfrist im Jahre 2012 noch als Neufahrzeug zu verkaufen sein.

Steuerrecht

Gesundheitsbewusstes Verhalten mindert nicht den Sonderausgabenabzug

Die Kläger hatten Krankenversicherungsbeiträge als Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a EStG geltend gemacht. Ihre Krankenkasse bot zur Förderung gesundheitsbewussten Verhaltens ein Bonusprogramm an. In der streitgegenständlichen Bonusvariante gewährte sie den Versicherten, die bestimmte kostenfreie Vorsorgemaßnahmen in Anspruch genommen hatten, einen Zuschuss von jährlich bis zu 150 € für Gesundheitsmaßnahmen, die von den Versicherten privat finanziert worden waren. Das Finanzamt sah in diesem Zuschuss eine Erstattung von Krankenversicherungsbeiträgen und verrechnete ihn mit den in diesem Jahr gezahlten Beiträgen. Dementsprechend ging es davon aus, dass auch die abziehbaren Sonderausgaben entsprechend zu mindern seien. Das Finanzgericht gab der Klage statt, da es sich nicht um die Erstattung von Beiträgen handele.

Der BFH bestätigte das Urteil. Die streitgegenständliche Bonuszahlung führe nicht dazu, dass sich an der Beitragslast der Versicherten zur Erlangung des Basiskrankenversicherungsschutzes etwas ändere. Die Zahlung habe ihren eigentlichen Rechtsgrund in einer Leistung der Krankenkasse, nämlich der Erstattung der von den Versicherten getragenen gesundheitsbezogenen Aufwendungen. Die Bonuszahlung stehe nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit den Beiträgen zur Erlangung des Basiskrankenversicherungsschutzes, sondern stelle eine Erstattung der vom Steuerpflichtigen getragenen gesundheitsbezogenen Aufwendungen dar. Dem steht aus Sicht des BFH auch nicht entgegen, dass die Krankenkasse die Bonuszahlung als erstatteten Beitrag angesehen und elektronisch im Wege des Kontrollmeldeverfahrens übermittelt hatte. Dem kommt nach der Entscheidung des BFH keine Bindungswirkung zu. (BFH, Urt. v. 01.06.2016 – X R 17/15)

Abstract: Erstattet eine gesetzliche Krankenkasse im Rahmen eines Bonusprogramms dem Krankenversicherten die von ihm getragenen Kosten für Gesundheitsmaßnahmen, mindern diese Zahlungen nicht die als Sonderausgaben abziehbaren Krankenversicherungsbeiträge.

Arbeitsrecht

Verzinsung eines Versorgungskapitals 

Bei der Beklagten besteht im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung eine Gesamtbetriebsvereinbarung zur Entgeltumwandlung, die zum Aufbau eines Versorgungskapitals führt. Die Beklagte und der Gesamtbetriebsrat haben eine Auszahlungsrichtlinie vereinbart. Danach kann das Versorgungskapital nach Eintritt des Versorgungsfalls in höchstens zwölf Jahresraten ausgezahlt werden. Das noch nicht ausgezahlte Versorgungskapital ist mit einem marktüblichen Zinssatz zu verzinsen, der von der Beklagten festzulegen ist. Der Kläger schied mit Eintritt des Versorgungsfalls nach der Vollendung des 65. Lebensjahres im zweiten Halbjahr 2011 aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten aus. Sein Versorgungskapital betrug etwa 360.000 €. Die Beklagte setzte den Zinssatz auf jährlich 0,87% fest. Dabei legte sie die Zinsstrukturkurve für deutsche und französische Staatsnullkuponanleihen zugrunde. Der Kläger hat eine Verzinsung seines Versorgungskapitals mit 3,55% pro Jahr verlangt.

Die Klage hatte keinen Erfolg. Die Bestimmung, welcher Markt für die Marktüblichkeit der Verzinsung heranzuziehen ist und welcher konkrete Zinssatz festgelegt wird, obliegt der Beklagten im Rahmen billigen Ermessens nach § 315 BGB. Es ist nicht unbillig, für die Verzinsung eines Versorgungskapitals darauf abzustellen, wie dieses sicher angelegt werden kann. Dem entspricht eine Orientierung an der Rendite von Staatsnullkuponanleihen. (BAG, Urt. v. 30.08.2016 – 3 AZR 272/15)

Abstract: Bestimmt eine Betriebsvereinbarung, dass ein dem Arbeitnehmer im Versorgungsfall zustehendes Versorgungskapital in zwölf Jahresraten auszuzahlen und mit einem marktüblichen Zinssatz zu verzinsen ist, den der Arbeitgeber festlegt, bestehen keine rechtlichen Bedenken dagegen, wenn dieser sich bei der Festlegung des Zinssatzes an der Rendite für Nullkuponanleihen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik orientiert.

EU-Recht

Bei kostenloser Bereitstellung eines öffentlichen WiFi-Netzes keine Verantwortung für Verletzungen von Urheberrechten durch Nutzer

Herr Tobias Mc Fadden betreibt ein Geschäft für Licht- und Tontechnik, in dem er kostenlos ein öffentlich zugängliches WiFi-Netz bereitstellt, um die Aufmerksamkeit potenzieller Kunden auf seine Waren und Dienstleistungen zu lenken. Über dieses Netz wurde im Jahr 2010 ein musikalisches Werk, für das Sony die Rechte innehat, rechtswidrig zum Herunterladen angeboten. Das mit dem Rechtsstreit zwischen Sony und Herrn Mc Fadden befasste LG ist der Ansicht, dass Herr Mc Fadden selbst die betreffenden Urheberrechtsverletzungen nicht begangen habe. Es hält jedoch seine mittelbare Haftung für diese Rechtsverletzung für denkbar, da er sein WiFi-Netz nicht gesichert habe. Da es Zweifel hat, ob die Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr einer solchen mittelbaren Haftung entgegensteht, hat es dem Gerichtshof eine Reihe von Fragen vorgelegt.

Die Haftung von Vermittlern, die Dienste der reinen Durchleitung von Daten anbieten, für eine von einem Dritten begangene rechtswidrige Handlung wird nämlich durch die Richtlinie beschränkt. Diese Haftungsbeschränkung greift, wenn drei kumulative Voraussetzungen erfüllt sind: Der Anbieter von Diensten hat die Übermittlung nicht veranlasst; er hat den Adressaten der Übertragung nicht ausgewählt und er hat die übermittelten Informationen nicht ausgewählt oder verändert.

Der EuGH stellt zunächst fest, dass ein Anbieter, der der Öffentlichkeit unentgeltlich ein WiFi-Netz zur Verfügung stellt, um die Aufmerksamkeit potenzieller Kunden auf die Waren oder Dienstleistungen eines Geschäfts zu lenken, damit einen „Dienst der Informationsgesellschaft“ i.S.d. Richtlinie erbringt. Er bestätigt weiter, dass dann, wenn die drei genannten Voraussetzungen erfüllt sind, keine Haftung eines Anbieters bestehen kann, der wie Herr Mc Fadden Zugang zu einem Kommunikationsnetz vermittelt. Daher hat der Urheberrechtsinhaber gegen diesen Anbieter keinen Anspruch auf Schadensersatz, weil Dritte das WiFi-Netz zur Verletzung seiner Rechte benutzt haben. Da ein solcher Schadensersatzanspruch nicht besteht, kann der Urheberrechtsinhaber auch keine Erstattung der für sein Schadensersatzbegehren aufgewendeten Abmahn- oder Gerichtskosten verlangen.

Hingegen läuft es der Richtlinie nicht zuwider, dass der Urheberrechtsinhaber bei einer innerstaatlichen Behörde oder einem innerstaatlichen Gericht eine Anordnung beantragt, mit der dem Anbieter aufgegeben wird, jeder Urheberrechtsverletzung durch seine Kunden ein Ende zu setzen oder solchen Rechtsverletzungen vorzubeugen. Der EuGH stellt schließlich fest, dass eine Anordnung, mit der dem Anbieter die Sicherung des Internetanschlusses durch ein Passwort aufgegeben wird, geeignet erscheint, ein Gleichgewicht zwischen den Rechten von Rechtsinhabern an ihrem geistigen Eigentum einerseits und dem Recht der Anbieter von Internetzugangsdiensten auf unternehmerische Freiheit und dem Recht der Internetnutzer auf Informationsfreiheit andererseits herzustellen. Er weist insbesondere darauf hin, dass eine solche Maßnahme dazu angetan ist, Nutzer eines Kommunikationsnetzes von Urheberrechtsverletzungen abzuhalten. Um diesen Abschreckungseffekt zu gewährleisten, ist es allerdings erforderlich, dass die Nutzer, um nicht anonym handeln zu können, ihre Identität offenbaren müssen, bevor sie das erforderliche Passwort erhalten. Dagegen schließt die Richtlinie ausdrücklich Maßnahmen aus, die auf eine Überwachung der durch ein Kommunikationsnetz übermittelten Informationen abzielt. Auch eine Maßnahme, die in der vollständigen Abschaltung des Internetanschlusses bestünde, ohne dass die unternehmerische Freiheit des Anbieters weniger beschränkende Maßnahmen in Betracht gezogen würden, wäre nicht geeignet, die einander widerstreitenden Rechte in Einklang zu bringen. (EuGH, Urt. v. 15.09.2016 – C-484/14)

Abstract: Ein Geschäftsinhaber, der der Öffentlichkeit kostenlos ein WiFi-Netz zur Verfügung stellt, ist für Urheberrechtsverletzungen eines Nutzers nicht verantwortlich. Jedoch darf ihm durch eine Anordnung aufgegeben werden, sein Netz durch ein Passwort zu sichern, um diese Rechtsverletzungen zu beenden oder ihnen vorzubeugen.