Mühlenstraße 1 | 27356 Rotenburg (Wümme)
(04261) 93 70 0

WBP NEWS

Online-News für den 15.01.2017

Presserecht

Beweislast bei erheblich erhöhtem Stromverbrauch eines Konsumenten
Der klagende Energieversorger verlangt Zahlung von knapp 3.000 € Stromkosten für den Zeitraum Februar bis Dezember 2011 gegen eine vierköpfige Familie. Nachdem die Familie zuvor durchschnittlich rund 135 kWh Strom im Monat verbraucht hatte, lag der Verbrauch nunmehr bei knapp 1.000 kWh und damit mehr als 7 Mal so hoch wie vorher. Die Beklagte hat im Prozess bestritten, eine derart hohe Strommenge verbraucht zu haben.
Das Gericht hat der Stromkundin weitgehend Recht gegeben. Sie muss nur noch knapp 350 € zahlen. Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt, dass die ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers der Abrechnung aus einer enormen und nicht plausibel erklärbaren Abweichung der im Streit stehenden Verbrauchswerte gegenüber anderen Abrechnungsperioden besteht. Die Familie hat nachvollziehbar ihren Verbrauch geschildert. Ein Elektriker hat keine Fehler in der Elektroanlage des Hauses gefunden. Angesichts dieser Umstände hätte der Energieversorger den Verbrauch der Familie beweisen müssen. Entsprechende Beweisangebote hat der Versorger nicht gemacht. Das LG schließt sich mit seinem Urteil einer bei den OLG Celle und Köln bereits bestehenden neueren Rechtsprechung an. Danach kann ein offensichtlicher Fehler sich bereits aus einer enormen und nicht plausiblen Abweichung der Verbrauchswerte gegenüber anderen Abrechnungsperioden ergeben. Dann muss der Energieversorger beweisen, dass seine Abrechnung korrekt ist. (LG Magdeburg, Urt. v. 04.11.2016 – 11 O 405/16 (nrkr))

Abstract: Erhöht sich der Stromverbrauch eines Konsumenten ohne ersichtlichen Grund erheblich, muss der Stromversorger beweisen, dass der Kunde tatsächlich so viel verbraucht hat und kein Fehler im Bereich des Energieversorgers vorliegt.

Steuerrecht

Kein Abzugsverbot bei der Einladung von Geschäftsfreunden zu einem Gartenfest
Eine Rechtsanwaltskanzlei hat in mehreren Jahren sog. „Herrenabende“ im Garten des Wohngrundstücks des namensgebenden Partners veranstaltet, bei denen jeweils bis zu 358 Gäste für Gesamtkosten zwischen 20.500 € und 22.800 € unterhalten und bewirtet wurden. Das FG hatte das Abzugsverbot bejaht, weil die Veranstaltungen „Eventcharakter“ gehabt hätten, ein geschlossener Teilnehmerkreis vorgelegen habe und die Gäste sich durch die Einladung in ihrer wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Stellung bestätigt fühlen durften.
Dies hielt der BFH nicht für ausreichend. Nach dem Urteil des BFH muss sich aus der Veranstaltung und ihrer Durchführung ergeben, dass Aufwendungen für eine überflüssige und unangemessene Unterhaltung und Repräsentation getragen werden. Die bloße Annahme eines Eventcharakters reicht hierfür nicht aus, da die unter das Abzugsverbot fallenden Aufwendungen für „ähnliche Zwecke“ wie bei den Regelbeispielen „unüblich“ sein müssen. Dies kann aufgrund eines besonderen Ortes der Veranstaltung oder der Art und Weise der Unterhaltung der Gäste der Fall sein. Der BFH hat im Streitfall das Urteil des FG aufgehoben und die Sache zurückverwiesen. Das FG hat im zweiten Rechtsgang zu prüfen, ob die Art und Durchführung der „Herrenabende“ den Schluss zulässt, dass diese sich von „gewöhnlichen Gartenfesten“ abheben und mit der Einladung zu einer Segelregatta oder Jagdgesellschaft vergleichbar sind. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG erfasst neben im Gesetz ausdrücklich genannten Regelbeispielen wie Aufwendungen für Jagd oder Fischerei, für Segel- oder Motorjachten auch Aufwendungen für „ähnliche Zwecke“. Das Abzugsverbot soll Steuergerechtigkeit verwirklichen. Es erfasst auch Aufwendungen, die ausschließlich der Unterhaltung und Bewirtung der Geschäftsfreunde dienen. (BFH, Urt. v. 13.07.2016 – VIII R 26/14)

Abstract: Betriebsausgaben für die Bewirtung und Unterhaltung von Geschäftsfreunden im Rahmen eines Gartenfests fallen nicht zwingend unter das Abzugsverbot nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG.

Arbeitsrecht

Verfall von Urlaubsansprüchen
Der Kläger war vom 01.08.2001 bis zum 31.12.2013 aufgrund mehrerer befristeter Arbeitsverträge beim Beklagten als Wissenschaftler beschäftigt. Mit Schreiben vom 23.10.2013 bat ihn der Beklagte, seinen Urlaub vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses zu nehmen. Der Kläger nahm am 15. 11. und am 02.12.2013 jeweils einen Tag Erholungsurlaub und verlangte mit Schreiben vom 23.12.2013 vom Beklagten ohne Erfolg die Abgeltung von 51 nicht genommenen Urlaubstagen. Die Vorinstanzen haben der Klage auf Urlaubsabgeltung stattgegeben.
Nach den nationalen Bestimmungen waren die Urlaubsansprüche des Klägers mit Ablauf des Urlaubsjahres 2013 verfallen. Gemäß § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG verfällt der im Urlaubsjahr nicht genommene Urlaub des Arbeitnehmers grundsätzlich am Ende des Urlaubsjahres, wenn keine Übertragungsgründe nach § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG vorliegen. Der Arbeitgeber ist nach nationalem Recht nicht verpflichtet, den Urlaub ohne einen Antrag oder Wunsch des Arbeitnehmers im Urlaubsjahr zu gewähren und somit dem Arbeitnehmer den Urlaub aufzuzwingen. Die Frage, ob Unionsrecht dem entgegensteht, ist vom EuGH noch nicht so eindeutig beantwortet worden, dass nicht die geringsten Zweifel an ihrer Beantwortung bestehen. Im Schrifttum wird aus dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 30.06.2016 (- C-178/15 – [Sobczyszyn]) teilweise abgeleitet, der Arbeitgeber sei gemäß Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG verpflichtet, den Erholungsurlaub von sich aus einseitig zeitlich festzulegen. Ein Teil der nationalen Rechtsprechung versteht die Ausführungen des EuGH im Urteil vom 12.06.2014 (- C-118/13 -[Bollacke]) so, dass der Mindestjahresurlaub gemäß Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG auch dann nicht mit Ablauf des Urlaubsjahres oder des Übertragungszeitraums verfallen darf, wenn der Arbeitnehmer in der Lage war, seinen Urlaubsanspruch wahrzunehmen (vgl. LAG Köln 22.04.2016 – 4 Sa 1095/15 -). Ferner besteht Klärungsbedarf, ob die vom EuGH möglicherweise aus Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG oder Art. 31 Abs. 2 GRC entnommene Verpflichtung zwischen Privatpersonen unmittelbare Wirkung entfaltet.
Dem EuGH werden gemäß Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) folgende Fragen vorgelegt:
1. Steht Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 04.11.2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (Richtlinie 2003/88/EG) oder Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) einer nationalen Regelung wie der in § 7 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) entgegen, die als Modalität für die Wahrnehmung des Anspruchs auf Erholungsurlaub vorsieht, dass der Arbeitnehmer unter Angabe seiner Wünsche bezüglich der zeitlichen Festlegung des Urlaubs diesen beantragen muss, damit der Urlaubsanspruch am Ende des Bezugszeitraums nicht ersatzlos untergeht und die den Arbeitgeber damit nicht verpflichtet, von sich aus einseitig und für den Arbeitnehmer verbindlich die zeitliche Lage des Urlaubs innerhalb des Bezugszeitraums festzulegen?
2. Falls die Frage zu 1. bejaht wird: Gilt dies auch dann, wenn das Arbeitsverhältnis zwischen Privatpersonen bestand? (BAG, Beschl. v. 13.12.2016 – 9 AZR 541/15 (A))

Abstract: Es ist zu entscheiden, ob die nach den nationalen Bestimmungen verfallenden Urlaubsansprüche mit Ablauf eines Urlaubsjahres auch europarechtlich den Verfall nach sich ziehen.

Versicherungsrecht

Wer „erbt“ die Lebensversicherung
Der Versicherungsnehmer einer Lebensversicherung legte fest, dass die Versicherungsleistung nach seinem Tode den „Eltern, bei Heirat Ehegatte“ zustehen sollte. Nachdem der Versicherungsnehmer verstorben war, stritten seine Eltern und seine Tochter über die Bedeutung dieser Formulierung, woraus ein Rechtsstreit zwischen der Tochter und dem Versicherer entstand. Nach dem Beschluss des OLG Hamm können die überlebenden Eltern in dem zu entscheidenden Fall die Versicherungsleistung nach Tode des Versicherungsnehmers beanspruchen, weil die Ehe des Versicherungsnehmers zuvor geschieden wurde. Die 1999 geborene Antragstellerin ist die Tochter des 2013 verstorbenen Versicherungsnehmers. Sie hat ihren Vater nach dem Tode beerbt. Dieser war von 1996 bis zu seiner Scheidung im Jahre 2000 verheiratet. Aus dieser Ehe stammt die Antragstellerin nicht. 1988 schloss der Erblasser mit der Antragsgegnerin, einem Versicherer aus Münster, einen Lebensversicherungsvertrag mit einer Versicherungssumme von ca. 26.000 DM ab, in dem er festlegte, dass das Bezugsrecht für die Versicherungsleistung nach seinem Tode den „Eltern, bei Heirat Ehegatte“ zustehen solle. Nach dem Tode zahlte die Antragsgegnerin die Versicherungsleistung an die Eltern des Erblassers aus. Die durch ihre Mutter vertretene Antragstellerin ist der Ansicht, dass das Bezugsrecht der Eltern mit der Heirat des Erblassers entfallen sei, sodass die Versicherungsleistung nunmehr ihr als Alleinerbin zustehe. Deswegen schulde ihr die Antragsgegnerin Auskunft über die Versicherungsleistung und (erneute) Zahlung dieses Betrages. Für eine Prozessführung gegen die Antragsgegnerin hat die Antragstellerin Prozesskostenhilfe begehrt. Das Prozesskostenhilfegesuch ist erfolglos geblieben. Ebenso wie das LG hat auch das OLG die Erfolgsaussichten der beabsichtigten Klage verneint und Prozesskostenhilfe deswegen versagt.
Das Bezugsrecht für die Versicherungsleistung aus der Lebensversicherung lege der Versicherungsnehmer durch eine gegenüber dem Versicherer abzugebende Erklärung fest. Im vorliegenden Fall ergebe sich aus der Erklärung des Erblassers, dass seine Ehefrau die Versicherungsleistung nach der Scheidung nicht mehr habe erhalten sollen. In der vom Erblasser gewählten Formulierung „bei Heirat Ehegatte“ komme zum Ausdruck, dass die Bezugsberechtigung des potentiellen Ehegatten nur für die Dauer der Ehe bestehen sollte. Nach der Scheidung stehe das Bezugsrecht aber nicht der Antragstellerin als Alleinerbin des Erblassers zu. Der Erblasser habe seine Eltern zunächst für den Fall keiner Heirat als Empfänger der Versicherungsleistung benannt. Auch wenn diese Bestimmung während der Dauer einer Ehe zu Gunsten der Ehefrau entfallen sei, folge daraus nicht, dass die Eltern bei der Beendigung der Ehe nicht erneut berechtigt sein sollten. Die Bestimmung der Eltern als Bezugsberechtigte mit der Einschränkung „bei Heirat Ehegatte“ lasse vielmehr erkennen, dass die Eltern als ursprünglich Bezugsberechtigte erneut bestimmt werden sollten, wenn es beim Tode des Erblassers keinen vorrangig zu berücksichtigenden Ehegatten gebe. Deswegen könne die Antragstellerin die Antragsgegnerin nicht auf Auskunft und nicht (erneut) auf Zahlung der Versicherungsleistung in Anspruch nehmen. (OLG Hamm, Beschl. v 13.05.2016 – 20 W 20/16)
Abstract: In einer vom Erblasser gewählten Formulierung „bei Heirat Ehegatte“ kommt zum Ausdruck, dass die Bezugsberechtigung des potentiellen Ehegatten nur für die Dauer der Ehe bestehen sollte. Nach der Scheidung steht das Bezugsrecht nicht der Antragstellerin als Alleinerbin des Erblassers zu.