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WBP NEWS

Online-News für den 15.02.2019

Wirtschaftsrecht

Anspruch auf Schmerzensgeld und Reisepreisminderung aufgrund Todesangst auf Heimreise
Der Kläger hatte für sich und seine Ehefrau bei dem beklagten Reiseveranstalter für rund 4500 € eine 12-tägige Pauschalreise auf die Malediven gebucht. Die Rückreise von der Ferieninsel zum Flughafen sollte mit einem Fährboot erfolgen. Dieses geriet in Seenot, weshalb die Reisenden nicht nur den Rückflug verpassten, sondern nach Überzeugung des LG auch einen Anspruch auf Schmerzensgeld und Reisepreisminderung haben. Der Kläger schilderte im Rahmen des Verfahrens eine äußerst dramatische Fährfahrt. Das bereits wegen schlechten Wetters verspätete Fährboot habe trotz einer Sturmwarnung und des Umstands, dass der Rückflug ohnehin nicht mehr habe erreicht werden können, abgelegt. Das Boot habe wegen des nach wenigen Minuten einsetzenden Unwetters Schlagseite erlitten, große Wellen seien über das Boot gerauscht und das gesamte Gepäck durchnässt worden. Die Schiffsmotoren und das Navigationssystem seien ausgefallen, das Schiff habe manövrierunfähig auf dem Meer getrieben und der Kapitän habe einen Notruf abgesetzt. Die Passagiere seien aufgefordert worden, Schwimmwesten anzulegen, zahlreiche Mitreisende hätten sich übergeben müssen. Das reisende Ehepaar habe Todesängste ausgestanden, zumal ein sich näherndes Boot der Küstenwache gegen das Fährboot gekracht sei. Erst ein Schiff der Marine habe das Fährboot abschleppen und an Land verbringen können. Neben dem Reisepreis verlangte der Kläger für sich und seine Ehefrau, die seitdem wegen einer posttraumatischen Behandlungsstörung in stationärer und ambulanter psychiatrischer Behandlung sei, 2.000 bzw. 2.500 € Schmerzensgeld. Der beklagte Reiseveranstalter lehnte dies mit der Begründung ab, es handele sich um höhere Gewalt. Zum Zeitpunkt des Ablegens habe nur eine Wetterwarnung auf niedrigster Stufe vorgelegen. Zudem habe es sich bei dem eingesetzten Fährboot um ein hochmodernes Schiff mit einer erfahrenen Crew gehandelt. Todesgefahr habe zu keinem Zeitpunkt bestanden.
Das LG sah indes die Reise als mangelhaft an. Der Kläger und seine Ehefrau seien auf der Rückreise in eine nicht beherrschbare Gefahrensituation gebracht worden, die die Beklagte auch zu vertreten habe. Die insoweit gegen sie sprechende Verschuldensvermutung habe sie nicht widerlegt. Insbesondere erschließe sich der Kammer nicht, aus welchem Grund die Reisenden in das Fährboot geschickt wurden und nicht etwa die Rückreise verschoben oder zumindest eine qualifizierte Wettervorhersage eingeholt wurde, bevor über den Transport per Boot entschieden wurde. Eine Erklärung darüber, welche Maßnahmen der beklagte Reiseveranstalter getroffen haben will, um die Reisenden auf dem Transport zum Flughafen keinen vermeidbaren Gesundheitsgefahren auszusetzen, sei dieser schuldig geblieben. Sein Verschulden liege dabei nicht in der Auswahl des Bootsunternehmens, sondern in dem Umstand, dass trotz schon im Zeitpunkt des Ablegens erkennbar widrigster Witterungsverhältnisse der Transport nicht abgebrochen wurde. Die mangelbehaftete Rückreise wirke so erheblich, dass sie den Erholungswert des gesamten Urlaubs entfallen ließe. Daher sei der gesamte Reisepreis zu erstatten. Dem Kläger selbst billigte das Landgericht ein Schmerzensgeld von 500 € zu, der mitreisenden Ehefrau wegen der aus dem traumatischen Erlebnis folgenden psychischen Schäden sogar 5.500 €. (LG Köln, Urt. v. 15.01.2019 – 3 O 305/17, nrkr)

Abstract: Das In-Seenot-Geraten auf der Heimreise von den Malediven löst eine Entschädigung aus.

Steuerrecht

Keine Steuerpause bei der Erbschaftsteuer
Die Klägerin erbte im August 2016 ein Netto-Kapitalvermögen von rund 65.000 €. Daraufhin setzte das Finanzamt Erbschaftsteuer fest. Hiergegen wandte sich die Klägerin mit der Begründung, dass für die Zeit vom 01.07.2016 bis zum 09.11.2016 kein wirksames ErbStG bestanden habe und eine Festsetzung von Erbschaftsteuer daher nicht zulässig sei.
Dem ist das FG Köln entgegengetreten. Die Festsetzung der Erbschaftsteuer sei rechtmäßig. Der Gesetzgeber habe mit dem am 09.11.2016 im BGBl. verkündeten ErbStAnpG 2016 eine umfassende und wirksame Rechtsgrundlage für die Besteuerung von Erbfällen und Schenkungen ab dem 01.07.2016 geschaffen. Die Neuregelungen entfalteten zwar in formeller Hinsicht eine echte Rückwirkung; diese Rückwirkung sei jedoch insbesondere unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des Gesetzgebungsverfahrens zum ErbStAnpG verfassungsrechtlich zulässig. (FG Köln, Urt. v. vom 08.11.2018 – 7 K 3022/17; nrkr – BFH: II R 1/19)

Abstract: Verzögerungen im Gesetzgebungsverfahren führen nicht zu einer Steuerpause. Auch die in der Zeit vom 01.07.2016 bis zum 09.11.2016 eingetretenen Erbfälle unterliegen der Erbschaftsteuer.

Arbeitsrecht

Anspruch auf Mindestlohn bei einem Praktikum; Unterbrechung des Praktikums
Die Klägerin vereinbarte mit der Beklagten, die eine Reitanlage betreibt, ein dreimonatiges Praktikum zur Orientierung für eine Berufsausbildung zur Pferdewirtin. Das Praktikum begann am 06.10.2015. Die Klägerin putzte und sattelte die Pferde, stellte sie auf ein Laufband, brachte sie zur Weide und holte sie wieder ab, fütterte sie und half bei der Stallarbeit. In der Zeit vom 03. bis 06.11.2015 war die Klägerin arbeitsunfähig krank. Ab dem 20.12.2015 trat sie in Absprache mit der Beklagten über die Weihnachtsfeiertage einen Familienurlaub an. Während des Urlaubs verständigten sich die Parteien darauf, dass die Klägerin erst am 12.01.2016 in das Praktikum bei der Beklagten zurückkehrt, um in der Zwischenzeit auf anderen Pferdehöfen „Schnuppertage“ verbringen zu können. Das Praktikum bei der Beklagten endete am 25.01.2016. Die Beklagte zahlte der Klägerin während des Praktikums keine Vergütung. Die Klägerin hat von der Beklagten für die Zeit ihres Praktikums Vergütung in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns in einer Gesamthöhe von 5.491,00 € brutto gefordert. Sie hat vorgetragen, die gesetzlich festgelegte Höchstdauer eines Orientierungspraktikums von drei Monaten sei überschritten. Daher sei ihre Tätigkeit mit dem Mindestlohn von 8,50 € pro Stunde zu vergüten. Das ArbG hat der Klage stattgegeben. Das LAG hat auf die Berufung der Beklagten die Klage abgewiesen.
Die Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg. Das LAG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Ein Anspruch auf gesetzlichen Mindestlohn besteht nicht, weil das Praktikum zur Orientierung für eine Berufsausbildung die Höchstdauer von drei Monaten nicht überschritten hat. Unterbrechungen des Praktikums innerhalb dieses Rahmens sind möglich, wenn der Praktikant/die Praktikantin hierfür persönliche Gründe hat und die einzelnen Abschnitte sachlich und zeitlich zusammenhängen. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Das Praktikum wurde wegen Zeiten der Arbeitsunfähigkeit sowie auf eigenen Wunsch der Klägerin für nur wenige Tage unterbrochen und im Anschluss an die Unterbrechungen jeweils unverändert fortgesetzt. Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf angemessene Vergütung nach dem Berufsbildungsgesetz hatte aus prozessualen Gründen keinen Erfolg. (BAG, Urt. v. 30.01.2019 – 5 AZR 556/17)

Abstract: Praktikanten haben keinen Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn, wenn sie das Praktikum zur Orientierung für eine Berufsausbildung oder für die Aufnahme eines Studiums leisten und es eine Dauer von drei Monaten nicht übersteigt. Das Praktikum kann jedenfalls aus Gründen in der Person des Praktikanten/der Praktikantin rechtlich oder tatsächlich unterbrochen und um die Dauer der Unterbrechungszeit verlängert werden, wenn zwischen den einzelnen Abschnitten ein sachlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht und die Höchstdauer von drei Monaten insgesamt nicht überschritten wird.

Wettbewerbsrecht

Kündigung von Bausparverträgen durch Bausparkasse kein Fall für Verbraucherzentrale
Eine Klage der Verbraucherzentrale Bundesverband gegen die Aachener Bausparkasse wurde als unzulässig abgewiesen. Gegenstand des Verfahrens waren Schreiben, in denen die Bausparkasse ihre Sparer mit alten, hochverzinsten Verträgen aufforderte, in einen weniger günstigen Tarif zu wechseln. Anderenfalls könne sie wegen der nach Vertragsschluss eingetretenen Veränderung der finanzwirtschaftlichen Rahmenbedingungen – gesunkene Marktzinsen – aus wichtigem Grund kündigen. Da der Bausparer dem Wechsel nicht zustimmte, kündigte die Bausparkasse im Anschluss den Vertrag. Die Verbraucherzentrale war der Auffassung, dass dieses Vorgehen wettbewerbsrechtlich unzulässig sei. Sie wollte der Bausparkasse daher generell verbieten, ihre Sparer auf diese Weise anzuschreiben und Kündigungen auszusprechen.
Bereits das LG hatte die Klage – allerdings als unbegründet – abgewiesen. Auch vor dem OLG hatte die Verbraucherzentrale keinen Erfolg. Es entschied, dass die Klage bereits unzulässig sei. Im wettbewerbsrechtlichen Verfahren zwischen der Verbraucherzentrale und der Bausparkasse sei nicht die rechtlich umstrittene Frage zu klären, ob die Bausparkasse Altverträge wegen des veränderten Zinsniveaus aus wichtigem Grund kündigen könne. Mit den Mitteln des Wettbewerbsrechts dürfe der Bausparkasse nicht verboten werden, Vertragskündigungen aus wichtigem Grund auszusprechen. Würde der Bausparkasse untersagt, ihre Rechtsauffassung zu vertreten, wonach Kündigungen zulässig seien, würde damit auf den Ablauf etwaiger Rechtsstreite um die Wirksamkeit der Kündigungen eingewirkt. Auf den Ablauf eines rechtsstaatlich geregelten Verfahrens dürfe aber nicht dadurch Einfluss genommen und seinem Ergebnis vorgegriffen werden, dass ein an diesem Verfahren Beteiligter durch Unterlassungsansprüche in seiner Äußerungsfreiheit eingeengt werde. Ob die Ansicht der Bausparkasse richtig ist, sei allein in etwaigen Rechtsstreiten um die Wirksamkeit einer solchen Kündigung zu klären. (OLG Köln, Urt. v. 18.01.2019 – 6 U 74/18; Rev.nicht zugelassen.)

Abstract: Mit den Mitteln des Wettbewerbsrechts darf der Bausparkasse nicht verboten werden, Vertragskündigungen aus wichtigem Grund auszusprechen. Würde der Bausparkasse untersagt, ihre Rechtsauffassung zu vertreten, wonach Kündigungen zulässig seien, würde damit auf den Ablauf etwaiger Rechtsstreite um die Wirksamkeit der Kündigungen eingewirkt. Auf den Ablauf eines rechtsstaatlich geregelten Verfahrens dürfe aber nicht dadurch Einfluss genommen und seinem Ergebnis vorgegriffen werden, dass ein an diesem Verfahren Beteiligter durch Unterlassungsansprüche in seiner Äußerungsfreiheit eingeengt werde.