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WBP NEWS

Online-News für den 15.03.2017

Mietrecht

Müll und Gerümpel in der Wohnung kann außerordentliche Kündigung des Vermieters rechtfertigen
Der Beklagte bewohnt seit über 30 Jahren eine Wohnung, die den Klägern gehört. Den Mietvertrag hatte er noch mit der Mutter der Kläger abgeschlossen. Die Kläger sprachen ihm gegenüber seit 2014 mehrere Kündigungen aus, die sie auf unterschiedliche Gründe stützten. Diese Kündigungen waren Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens. Das AG verurteilte den Beklagten, die Wohnung an die Kläger herauszugeben, und sah u. a. die Kündigung, die auf den Zustand des Mietobjekts gestützt war, als begründet an. Das AG hatte sich in einem Ortstermin ein Bild von den Verhältnissen in der Wohnung gemacht und dabei festgestellt, dass diese stark verschmutzt und vom Beklagten mit Gegenständen so vollgestellt war, dass u.a. ein Raum gar nicht betreten werden konnte. Auch das Badezimmer war als solches nicht benutzbar. Hinzu kam, dass der Beklagte die Räume nur unzureichend beheizt hatte. Das AG ging daher davon aus, dass der Beklagte seine Pflichten aus dem Mietverhältnis verletzt habe und infolgedessen der Eintritt eines Schadens an der Mietwohnung signifikant erhöht worden sei. Der Beklagte hat gegen das Urteil Berufung eingelegt.
Das LG hat die Berufung durch Beschluss zurückgewiesen. Die Kammer ist ebenfalls der Ansicht, dass der Beklagte dadurch, dass er die Wohnung übermäßig mit Müll und Gegenständen überfrachtete und lediglich mit einem in der Küche befindlichen Radiator beheizte, seine mietvertraglichen Pflichten verletzt habe und deshalb eine erhebliche Gefährdung der Mietsache gegeben war. Nach Auffassung des LG waren die Kläger in diesem Fall sogar berechtigt, die Wohnung außerordentlich zu kündigen, weil sie den Beklagten mehrfach abgemahnt hatten. Angesichts des Zustandes der Wohnung sei es den Klägern nicht zumutbar, bis zum nächsten ordentlichen Kündigungstermin abzuwarten. (LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 23.02.2017 – 7 S 7084/16)

Abstract: Eine von den Vermietern ausgesprochene Kündigung, die auf den verwahrlosten Zustand der Wohnung gestützt war, ist berechtigt, wenn diese übermäßig mit Müll und Gegenständen überfrachtet ist und unzureichend beheizt wird, weil der Mieter seine mietvertraglichen Pflichten damit verletzt und deshalb eine erhebliche Gefährdung der Mietsache vorliegt.

Arbeitsrecht

Keine fristlose Kündigung wegen Änderung des XING-Profils
Der Kläger war Mitarbeiter einer Steuerberaterkanzlei. Die Parteien vereinbarten im Wege eines Aufhebungsvertrages die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses mit mehrmonatiger Auslauffrist. Kurz vor Ende des Arbeitsverhältnisses stellte die beklagte Arbeitgeberin fest, dass der Kläger in seinem privaten XING-Profil bereits angegeben hatte, als „Freiberufler“ tätig zu sein. Sie sprach die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus, weil sie hierin eine unzulässige Konkurrenztätigkeit sah. Aufgrund der überwiegend beruflichen Nutzung des sozialen Netzwerks XING sei davon auszugehen, dass der Kläger hiermit aktiv eine freiberufliche Tätigkeit in Konkurrenz zur Arbeitgeberin beworben habe und Mandanten habe abwerben wollen.
Das LAG hat – wie das erstinstanzliche Gericht – die außerordentliche Kündigung als rechtsunwirksam angesehen. Einem Arbeitnehmer ist zwar grundsätzlich während des gesamten rechtlichen Bestandes des Arbeitsverhältnisses eine Konkurrenztätigkeit untersagt. Zulässig sind jedoch Handlungen, mit denen eine spätere Konkurrenztätigkeit nach Ende des Arbeitsverhältnisses lediglich vorbereitet wird. Die Grenze der noch zulässigen Vorbereitungshandlung wird erst bei einer aktiv nach außen tretenden Werbung für eine Konkurrenztätigkeit überschritten. Dies kann bei der fehlerhaften Angabe, der – aktuelle –berufliche Status sei „Freiberufler“, ohne Hinzutreten weiterer Umstände nicht angenommen werden. Entscheidend war für die Kammer auch, dass der Name der Arbeitgeberin im XING-Profil weiterhin als aktuelle Tätigkeit genannt war und unter der XING-Rubrik „Ich suche“ gerade keine Angaben durch den Kläger dahingehend vorgenommen worden waren, dass freiberufliche Mandate gesucht werden. (LAG Köln, Urt. v. 07.02.2017- 12 Sa 745/16).

Abstract: Die falsche Angabe des beruflichen Staus als „Freiberufler“ kann ohne Hinzutreten weiterer Umstände keine fristlose Kündigung wegen einer unerlaubten Konkurrenztätigkeit rechtfertigen.

Steuerrecht

Mehrwertsteuersatz auf digitale Bücher, Zeitungen und Zeitschriften
Nach der Mehrwertsteuerrichtlinie können die Mitgliedstaaten auf gedruckte Publikationen wie Bücher, Zeitungen und Zeitschriften einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz anwenden. Für digitale Publikationen gilt hingegen der normale Steuersatz, mit Ausnahme digitaler Bücher, die auf einem physischen Träger wie etwa einer CD-ROM geliefert werden. Das vom polnischen Bürgerbeauftragten angerufene polnische Verfassungsgericht zweifelt an der Gültigkeit dieser unterschiedlichen Besteuerung. Es möchte vom EuGH zum einen wissen, ob diese Besteuerung mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung vereinbar ist, und zum anderen, ob das Europäische Parlament am Gesetzgebungsverfahren hinreichend beteiligt wurde.
In seinem Urteil stellt der EuGH zunächst fest, dass durch die Regelung in der Mehrwertsteuerrichtlinie, soweit mit ihr die Anwendung eines ermäßigten Mehrwertsteuersatzes auf die Lieferung digitaler Bücher auf elektronischem Weg ausgeschlossen wird, während sie bei der Lieferung digitaler Bücher auf jeglichen physischen Trägern zulässig ist, zwei Sachverhalte ungleich behandelt werden, die in Anbetracht des vom Unionsgesetzgeber mit der Gestattung der Anwendung eines ermäßigten Mehrwertsteuersatzes bei bestimmten Arten von Büchern verfolgten Zwecks, und zwar dem der Förderung des Lesens, vergleichbar sind. Sodann prüft der EuGH, ob die Ungleichbehandlung gerechtfertigt ist. Dies ist der Fall, wenn sie im Zusammenhang mit einem rechtlich zulässigen Ziel steht, das mit der Maßnahme, die zu einer solchen unterschiedlichen Behandlung führt, verfolgt wird, und wenn die unterschiedliche Behandlung in angemessenem Verhältnis zu diesem Ziel steht. Beim Erlass einer steuerlichen Maßnahme muss der Unionsgesetzgeber Entscheidungen politischer, wirtschaftlicher und sozialer Art treffen, divergierende Interessen in eine Rangfolge bringen oder komplexe Beurteilungen vornehmen. Infolgedessen ist ihm in diesem Rahmen ein weites Ermessen zuzuerkennen, sodass sich die gerichtliche Kontrolle der Einhaltung der genannten Voraussetzungen auf offensichtliche Fehler beschränken muss. In diesem Kontext weist der EuGH darauf hin, dass der Ausschluss der Anwendung eines ermäßigten Mehrwertsteuersatzes auf die Lieferung digitaler Bücher auf elektronischem Weg die Konsequenz der für den elektronischen Handel geltenden Mehrwertsteuer-Sonderregelung ist. In Anbetracht der fortwährenden Weiterentwicklungen, denen elektronische Dienstleistungen als Ganzes unterworfen sind, wurde es nämlich als erforderlich angesehen, für diese Dienstleistungen klare, einfache und einheitliche Regeln aufzustellen, damit der für sie geltende Mehrwertsteuersatz zweifelsfrei ermittelt werden kann und so die Handhabung dieser Steuer durch die Steuerpflichtigen und die nationalen Finanzverwaltungen erleichtert wird. Durch den Ausschluss der elektronischen Dienstleistungen von der Anwendung eines ermäßigten Mehrwertsteuersatzes erspart es der Unionsgesetzgeber den Steuerpflichtigen und den nationalen Finanzverwaltungen, bei jeder Art solcher Dienstleistungen zu prüfen, ob sie unter eine der Kategorien von Dienstleistungen fällt, die nach der Mehrwertsteuerrichtlinie in den Genuss eines ermäßigten Satzes kommen können. Eine solche Maßnahme muss deshalb als zur Verwirklichung des mit der Mehrwertsteuer-Sonderregelung für den elektronischen Handel verfolgten Ziels geeignet angesehen werden. Würde man den Mitgliedstaaten die Möglichkeit geben, auf die Lieferung digitaler Bücher auf elektronischem Weg einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz anzuwenden, wie es bei der Lieferung solcher Bücher auf jeglichen physischen Trägern zulässig ist, würde überdies die Kohärenz der gesamten vom Unionsgesetzgeber angestrebten Maßnahme beeinträchtigt, die darin besteht, alle elektronischen Dienstleistungen von der Möglichkeit der Anwendung eines ermäßigten Mehrwertsteuersatzes auszunehmen.
Zur Pflicht, das Europäische Parlament im Gesetzgebungsverfahren anzuhören, führt der EuGH aus, dass sie impliziert, das Parlament immer dann erneut anzuhören, wenn der letztlich verabschiedete Text als Ganzes gesehen in seinem Wesen von demjenigen abweicht, zu dem es bereits angehört wurde, es sei denn, die Änderungen entsprechen im Wesentlichen einem vom Parlament selbst geäußerten Wunsch. Sodann prüft der EuGH, ob in Bezug auf die Bestimmung der Richtlinie, mit der die Anwendung eines ermäßigten Mehrwertsteuersatzes auf die Lieferung von Büchern auf physischen Trägern beschränkt wird, eine erneute Anhörung des Parlaments erforderlich war. Der EuGH sieht dabei in der Endfassung der betreffenden Bestimmung nur eine redaktionelle Vereinfachung des Textes des Richtlinienvorschlags, dessen Wesen in vollem Umfang erhalten blieb. Der Rat war daher nicht verpflichtet, das Parlament erneut anzuhören. Die Richtlinienbestimmung ist folglich nicht ungültig. (EuGH, Urt. v. 07.03.2017 – C-390/15).

Abstract: Der Grundsatz der Gleichbehandlung steht dem Ausschluss auf elektronischem Weg gelieferter digitaler Bücher, Zeitungen und Zeitschriften von der Anwendung eines ermäßigten Mehrwertsteuersatzes nicht entgegen. Die Mehrwertsteuerrichtlinie ist in dieser Hinsicht gültig.

Gesellschaftsrecht

Kein Recht auf Vergessenwerden für die im Gesellschaftsregister eingetragenen personenbezogenen Daten
Der Geschäftsführer einer Gesellschaft, die einen öffentlichen Auftrag für die Errichtung einer Ferienanlage in Italien erhielt, ging 2007 gerichtlich gegen die Handelskammer Lecce vor. Er war der Auffassung, dass sich die Immobilien der Anlage deshalb nicht veräußern ließen, weil sich aus dem Gesellschaftsregister ergebe, dass er Geschäftsführer einer anderen Gesellschaft gewesen sei, die 1992 insolvent geworden und 2005 liquidiert worden sei. Das Tribunale di Lecce (erstinstanzliches Gericht Lecce, Italien) gab der Handelskammer Lecce auf, die personenbezogenen Daten zu anonymisieren, die den Geschäftsführer mit der Insolvenz der früheren Gesellschaft in Verbindung bringen, und verurteilte die Handelskammer zum Ersatz des ihm daraus entstandenen Schadens. Die von der Handelskammer Lecce angerufene Corte suprema di cassazione (Kassationsgerichtshof, Italien) hat dem EuGH mehrere Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt. Geprüft werden sollte, ob es die Richtlinie zum Schutz der Daten natürlicher Personen und die Richtlinie über die Offenlegung von Gesellschaftsurkunden verbieten, dass jede Person ohne zeitliche Beschränkung Zugang zu natürliche Personen betreffenden Daten im Gesellschaftsregister haben kann.
Im Urteil weist der EuGH zunächst darauf hin, dass die Offenlegung von Gesellschaftsregistern die Rechtssicherheit in den Beziehungen zwischen den Gesellschaften und Dritten sicherstellen soll und u. a. dazu dient, die Interessen Dritter gegenüber Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung zu schützen, da diese zum Schutz Dritter lediglich ihr Gesellschaftsvermögen zur Verfügung stellen. Außerdem können sich auch noch mehrere Jahre nach Auflösung einer Gesellschaft Fragen ergeben, die einen Rückgriff auf im Gesellschaftsregister eingetragene personenbezogene Daten erfordern. In Anbetracht der Vielzahl der Rechte und Rechtsbeziehungen, die eine Gesellschaft (auch nach ihrer Auflösung) mit Akteuren in mehreren Mitgliedstaaten verbinden können, und der Unterschiede in den Verjährungsfristen der verschiedenen nationalen Rechte erscheint es nämlich nicht möglich, eine einheitliche Frist festzulegen, nach deren Ablauf die Eintragung der Daten im Register und ihre Offenlegung nicht mehr notwendig wären. Unter diesen Umständen können die Mitgliedstaaten natürlichen Personen, deren Daten im Gesellschaftsregister eingetragen sind, nicht das Recht garantieren, nach einer bestimmten Frist nach Auflösung der Gesellschaft die Löschung der sie betreffenden personenbezogenen Daten verlangen zu können. Nach Ansicht des Gerichtshofs ist dieser Eingriff in die Grundrechte der betroffenen Personen (insbesondere in ihre durch die Charta der Grundrechte der Europäischen Union garantierten Rechte auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz ihrer personenbezogenen Daten) nicht unverhältnismäßig, da erstens nur eine begrenzte Zahl an personenbezogenen Daten im Gesellschaftsregister eingetragen wird und es zweitens gerechtfertigt ist, dass die natürlichen Personen, die sich dafür entscheiden, über eine Aktiengesellschaft oder eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung am Wirtschaftsleben teilzunehmen, und die zum Schutz Dritter lediglich das Vermögen dieser Gesellschaft zur Verfügung stellen, verpflichtet sind, die Daten zu ihren Personalien und Aufgaben innerhalb der Gesellschaft offenzulegen. Der EuGH schließt es jedoch nicht aus, dass in besonderen Situationen überwiegende, schutzwürdige, sich aus dem konkreten Fall der Person ergebende Gründe ausnahmsweise rechtfertigen können, den Zugang zu den sie betreffenden personenbezogenen Daten nach Ablauf einer hinreichend langen Frist nach der Auflösung der Gesellschaft auf Dritte zu beschränken, die ein besonderes Interesse an der Einsichtnahme in die Daten nachweisen. Eine solche Zugangsbeschränkung zu personenbezogenen Daten muss das Ergebnis einer Einzelfallprüfung sein. Es ist Sache jedes Mitgliedstaats, zu entscheiden, ob er eine solche Zugangsbeschränkung in seiner Rechtsordnung wünscht. Im zu entscheidenden Fall vertritt der EuGH die Auffassung, dass der Umstand allein, dass sich die Immobilien der Ferienanlage nicht veräußern lassen, weil die potenziellen Käufer Zugang zu den im Gesellschaftsregister eingetragenen Daten über den Geschäftsführer haben, u. a. wegen des berechtigten Interesses dieser Käufer an diesen Informationen nicht für eine Rechtfertigung der Zugangsbeschränkung zu diesen Daten ausreichen kann. (EuGH, Urt. v. 09.03.2017 – C-398/15)

Abstract: Es gibt kein Recht auf Vergessenwerden für die im Gesellschaftsregister eingetragenen personenbezogenen Daten. Die Mitgliedstaaten können jedoch nach Ablauf einer hinreichend langen Frist nach der Auflösung der betreffenden Gesellschaft in Ausnahmefällen einen beschränkten Zugang Dritter zu diesen Daten vorsehen.