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WBP NEWS

Online-News für den 15.06.2018

Wirtschaftsrecht

30 Prozent auf (fast) alles
Der Möbelmarkt hatte in einem Prospekt damit geworben „30 Prozent Rabatt auf fast alles“ zu gewähren, wobei sich das Wort „fast“ senkrecht gedruckt im Knick des gefalteten Prospektes befand und deutlich kleiner und dünner gestaltet war als der Rest des Textes. Der Senat ließ offen, ob bereits diese Gestaltung die Verbraucher in maßgeblicher Weise in die Irre geführt hat. Jedenfalls entstehe ein irreführender Eindruck durch die zugehörige Sprechblase, in der ausgeführt wurde, den Rabatt gebe es „auch auf Polstermöbel, Wohnwände, Küchen, Schlafzimmer, Stühle, Tische…[es folgen weitere Produktkategorien]… einfach auf fast alles“. Diese Aufzählung könne der Verbraucher nur dahin verstehen, dass der Rabatt uneingeschränkt gelten solle mit Ausnahme der in der Aufzählung nicht genannten Produktkategorien wie z. B. Gartenmöbel. Tatsächlich ergab sich aber aus einer Anmerkung zu der Werbung, dass es zahlreiche weitere Einschränkungen des Rabatts gab. Zu diesen Ausnahmen gehörten nicht nur bereits reduzierte Ware und alle Angebote aus den Prospekten, Mailings und Anzeigen des Möbelmarktes, sondern es waren auch die Artikel von 40 namentlich genannten Herstellern von dem Rabatt ausgenommen worden. Die Angaben zum Preisnachlass seien im Blickfang der Werbung objektiv falsch im Sinne einer sog. dreisten Lüge, d. h. einer objektiven Unrichtigkeit, für die kein vernünftiger Anlass bestanden habe. Eine solche Falschangabe könne auch nicht durch einen erläuternden Zusatz richtig gestellt werden. (OLG Köln, Urt. v. 20.04.2018 – 6 U 153/17; Rev. nicht zugelassen)

Abstract: Ein Möbelmarkt darf nicht damit werben, er gewähre 30 Prozent Rabatt auf fast alles, wenn in einer Anmerkung zu der Werbung die Produkte von 40 Herstellern von dem Rabatt ausgenommen sind.

Steuerrecht

Keine Kapitalertragsteuer auf Rücklagen bei Regiebetrieben
Die klagende Stadt hatte die handelsrechtlichen Jahresüberschüsse ihres Betriebs gewerblicher Art Schwimmbäder (BgA), der als Regiebetrieb geführt wurde, in den Jahren 2005 und 2006 als Gewinnvortrag ausgewiesen. Die Gewinne stammten maßgeblich aus Dividendeneinnahmen, die zwar auf das Bankkonto der Klägerin flossen, aber vom BgA in einem verzinsten Verrechnungskonto erfasst waren. Die Klägerin ging davon aus, dass insoweit keine der Kapitalertragsteuer unterliegenden Einkünfte aus Kapitalvermögen vorlagen. Zu diesen gehört nach § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b EStG nur der nicht den Rücklagen zugeführte Gewinn eines BgA ohne eigene Rechtspersönlichkeit. Das Finanzamt und das Finanzgericht (FG) erkannten demgegenüber die Gewinnvorträge nicht als Rücklage i. S. des § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b EStG an, so dass es zu einer Nachforderung von Kapitalertragsteuer kam. Der BFH hob das FG-Urteil und die angegriffenen Nachforderungsbescheide auf. Er entschied, dass Regiebetriebe eine Rücklage bilden dürfen, auch wenn ihre Gewinne – abweichend zu Eigenbetrieben – unmittelbar in den Haushalt der Trägerkörperschaft fließen. Denn das Gesetz sehe keine Differenzierung zwischen Eigen- und Regiebetrieben vor und die Ausschüttungsbesteuerung der BgA habe ohnehin nur fiktiven Charakter. Damit wendet sich der BFH gegen die Auffassung der Finanzverwaltung (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 9. Januar 2015 IV C 2 -S-2706- a / 13 / 10001, BStBl I 2015, 111). Danach sollte im Gegensatz zu Eigenbetrieben bei Regiebetrieben eine Rücklagenbildung nur zulässig sein, wenn die Zwecke des BgA ohne die Rücklagenbildung nicht erfüllt werden können. Nach dem Urteil des BFH ist dem nicht zu folgen, da hierfür keine gesetzliche Grundlage besteht. Darüber hinaus kommt es auch nicht auf eine haushaltsrechtliche Mittelreservierung an. Für die steuerliche Anerkennung reicht vielmehr jedes „Stehenlassen“ der handelsrechtlichen Gewinne als Eigenkapital aus, sofern anhand objektiver Umstände nachvollzogen und überprüft werden kann, dass dem Regiebetrieb die entsprechenden Mittel weiterhin als Eigenkapital zur Verfügung stehen. Kommt es in diesem Zusammenhang zu Liquiditätsabflüssen an die Trägerkörperschaft, sind die für Kapitalgesellschaften und deren Alleingesellschafter entwickelten Grundsätze über verdeckte Gewinnausschüttungen entsprechend anwendbar. Die Fortentwicklung der Rechtsprechung zum Kapitalertragsteuerabzug bei BgA wird durch zwei weitere Urteile des BFH vom 30. Januar 2018 ergänzt. Zum einen hat der BFH im Urteil VIII R 75/13 entschieden, dass bei dem Regiebetrieb einer kommunalen Gebietskörperschaft die Gewinne des Jahres 2001 auch dann steuerfrei bleiben, wenn sie zunächst in die Rücklagen eingestellt, dann aber in einem späteren Veranlagungszeitraum wieder aufgelöst werden. Diese nur für die Gewinne des Jahres 2001 geltende Steuerfreiheit folge aus der Formulierung der zeitlichen Anwendungsregelung bei Einführung des § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchs. b EStG. Zum anderen hat der BFH im Urteil VIII R 15/16 entschieden, dass die für Regiebetriebe kommunaler Gebietskörperschaften entwickelten Grundsätze zur Bildung von Rücklagen auch bei Regiebetrieben einer Verbandskörperschaft Anwendung finden. (BFH, Urt. v. 30.01.2018 – VIII R 75/13, VIII R 42/15 und VIII R 15/16)

Abstract: Gemeinden dürfen bei ihren Regiebetrieben Rücklagen bilden, die bis zu ihrer Auflösung die Kapitalertragsteuer mindern. Damit wendet sich der BFH gegen die Auffassung der Finanzverwaltung, die dies von weiteren Voraussetzungen abhängig macht.

Arbeitsrecht

Kein Zuschuss zum Mutterschaftsgeld für Tagesmütter
Die Klägerin ist als Tagespflegeperson in der Kindertagespflege tätig. Der beklagte Landkreis erteilte ihr als örtlich zuständiger Träger der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe die Erlaubnis zur Betreuung von bis zu fünf gleichzeitig anwesenden fremden Kindern in der Kindertagespflege. Die Betreuungszeiten wurden in Absprache zwischen der Klägerin und den Eltern festgelegt. Für die Betreuung gewährte der beklagte Landkreis der Klägerin laufende Geldleistungen nach § 23 SGB VIII in Höhe von 3,90 € pro Kind und Betreuungsstunde. Dieser Anerkennungsbetrag wurde pro Betreuungsjahr für bis zu sechs Wochen Urlaub und bis zu zwei Wochen Krankheit weitergezahlt. Die Klägerin gebar im März 2014 ein Kind. Sie verlangt vom beklagten Landkreis für den Zeitraum der Mutterschutzfristen von sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Geburt die Zahlung von Zuschuss zum Mutterschaftsgeld in Höhe der durchschnittlichen wöchentlichen laufenden Geldleistungen. Sie meint, sie sei Arbeitnehmerin des beklagten Landkreises, jedenfalls sei sie als eine solche zu behandeln. Der Anspruch ergebe sich bei unionsrechtskonformer Auslegung des Mutterschutzgesetzes, des § 23 SGB VIII sowie unmittelbar aus der Richtlinie 2010/41/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 07.07.2010 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen, die eine selbständige Erwerbstätigkeit ausüben.
Das BAG hat – wie die Vorinstanzen – die Klage abgewiesen. Die Klägerin ist als Tagespflegeperson keine Arbeitnehmerin des beklagten Landkreises, und zwar auch nicht im Sinne des Unionsrechts. Sie verrichtet für diesen nicht Tätigkeiten nach dessen Weisung. Aus der Richtlinie 2010/41/EU folgt kein unmittelbarer Anspruch auf die begehrte Zahlung gegen den beklagten Landkreis, denn die Richtlinie bestimmt den Schuldner nicht hinreichend konkret. Gleiches gilt für die UN-Frauenrechtskonvention. (BAG, Urt. v. 23.05.2018 – 5 AZR 263/17)

Abstract: Wird eine selbständige „Tagesmutter“, die nach §§ 22 ff., § 43 SGB VIII als Tagespflegeperson Kinder in der Kindertagespflege betreut, schwanger, hat sie keinen Anspruch auf Zuschuss zum Mutterschaftsgeld nach dem Mutterschutzgesetz. Ein Anspruch folgt auch nicht aus Unionsrecht.

Reiserecht

Bahn verspätet – Flug verpasst – keine Entschädigung
Die Kläger fuhren von Würzburg im Rahmen eines von ihrem Reiseveranstalter angebotenen kostenlosen Zugtickets (Rail & Fly) mit einem ICE von Würzburg nach Bonn. Dieser Zug war 103 Minuten verspätet, sodass die Kläger erst zu einem Zeitpunkt vor Abflug ihres Fluges nach Phuket/Thailand am Check In Schalter des Flughafens Köln/Bonn ankamen, als das Einchecken bereits beendet war. Sie machten vor Gericht Mehrkosten für das Buchen eines Ersatzfluges am kommenden Tag sowie eine Hotelübernachtung geltend.
Das Gericht wies diese Ansprüche wegen eines Mitverschuldens der Kläger bei der Schadensverursachung komplett ab. Nach Auffassung des Gerichts hätten die Kläger einen Zug wählen müssen, welcher zumindest nach regulärem Fahrplan drei Stunden vor Abflug des Fluges den Flughafen erreicht. Hierauf habe sie der Reiseveranstalter auch in seinen Schreiben hingewiesen. Indem sie diese Empfehlung ignorierten, hätten die Kläger den Schaden mitverursacht. Andererseits haften Reiseveranstalter nach Auffassung des AG grundsätzlich auch im Falle einer Zugverspätung, weil der Service des Rail & Fly gemeinsam mit dem Flug als eine einheitliche Reiseleistung angesehen werden müsse. Daher wäre eine Haftung des Reiseveranstalters grundsätzlich denkbar gewesen, wenn die Kläger einen früheren Zug genommen hätten. Sie hätten mögliche Verspätungen im Bahnverkehr einkalkulieren müssen. (AG Frankfurt, Urt. v. 20.02.2018 – 32 C 1966/17; rkr.)

Abstract: Flugreisende haben keinen Anspruch auf Ersatz von zusätzlichen Flugkosten oder einer Hotelübernachtung, wenn sie durch eine Zugverspätung zu spät zum Check In ihres Fluges kommen.