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WBP NEWS

Online-News für den 01.02.2022

Familienrecht

Unterhaltspflicht von Großeltern
Das Amtsgericht hatte den Antrag gegen die Großeltern auf Zahlung von Unterhalt zurückgewiesen: Es sei nicht ersichtlich, warum die Kindesmutter nicht vollschichtig arbeiten und dadurch den Barunterhalt für das Kind aufbringen könne.
Das OLG hat diese Frage anders entschieden. Es könne offengelassen werden, ob die Mutter vollschichtig arbeiten müsse. Selbst bei einer Vollzeittätigkeit reiche ihr Einkommen nicht aus, um den Unterhalt des Kindes ganz oder teilweise zu erbringen. Um den eigenen Unterhalt sicherzustellen, müsse ihr der angemessene Selbstbehalt – von zurzeit 1.400 € – belassen werden. Da die Mutter auch bei einer Vollzeittätigkeit nicht so viel verdienen könne, dass sie den Unterhalt für das Kind zahlt und 1.400 € für ihren Lebensunterhalt behalten könne, komme eine Haftung der Großeltern für den Unterhalt des Enkels in Betracht. Daran ändere sich auch nichts dadurch, dass der Kindesvater im Laufe des Verfahrens eine Arbeitsstelle angetreten habe und seitdem Unterhalt zahle. Denn es seien noch Rückstände für die Vergangenheit offen. Im Ergebnis könne daher Auskunft von den Großeltern über deren Einkommen und Vermögen verlangt werden. Im Anschluss an diese Auskunft ist zu entscheiden, ob die Großeltern tatsächlich Unterhalt schulden. (OLG Oldenburg, Beschl. v. 16.12.2021 – 13 UF 85/21)

Abstract: Nicht nur Eltern müssen ihren Kindern Unterhalt zahlen, solange diese zur Schule gehen oder sich noch in einer Ausbildung befinden. Dieselbe Verpflichtung kann auch die Großeltern eines Kindes treffen, wenn die Eltern wegen mangelnder Leistungsfähigkeit keinen Unterhalt zahlen können oder sich der Unterhaltsanspruch rechtlich nur schwer durchsetzen lässt.

Steuerrecht

Keine Kostenerstattung im Einspruchsverfahren wegen Hinterziehungszinsen
Die Klägerin hatte zu Unrecht Kindergeld bezogen. Deshalb setzte die Familienkasse gegen sie Hinterziehungszinsen fest. Der dagegen gerichtete Einspruch der Klägerin war zwar in der Sache erfolgreich. Die Familienkasse entschied aber, die im Einspruchsverfahren entstandenen Kosten der Klägerin nicht zu erstatten. Das Finanzgericht gab der daraufhin erhobenen Klage statt und verpflichtete die Familienkasse zur Erstattung der Aufwendungen.
Der BFH sah die Sache anders. Das Einspruchsverfahren nach der Abgabenordnung ist grundsätzlich für beide Seiten kostenfrei, d.h. Einspruchsführer und Behörde haben jeweils ihre eigenen Aufwendungen zu tragen. Abweichend von diesem Grundsatz werden nach § 77 EStG im Einspruchsverfahren gegen Kindergeldfestsetzungsbescheide dem erfolgreichen Rechtsbehelfsführer die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen erstattet. Diese Vorschrift kann aber nach dem Urteil des BFH nicht herangezogen werden, wenn der Einspruchsführer sich erfolgreich gegen die Festsetzung von Hinterziehungszinsen wegen unberechtigt erhaltener Kindergeldzahlungen gewandt hat. § 77 EStG ist seinem Wortlaut nach nur anwendbar, soweit der Einspruch „gegen die Kindergeldfestsetzung“ erfolgreich war. Als Ausnahme von Grundsatz der Kostenfreiheit des außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens kann die Kostenerstattungspflicht auch nicht durch eine entsprechende Anwendung des § 77 EStG begründet werden. Denn es fehlt für eine solche Analogie an einer planwidrigen Gesetzeslücke. (BFH, Urt. v. 01.09.2021 – III R 18/21)

Abstract: Auch bei einem erfolgreichen Einspruch gegen Hinterziehungszinsen gibt es im Kindergeldverfahren keine Kostenerstattung.

Arbeitsrecht

Fristlose Kündigung wegen Drohungen gegen Vorgesetzten
Der Kläger war bei der beklagten Stadt seit über 13 Jahren in der Buchhaltung beschäftigt. Er äußerte gegenüber seiner Kollegin nach einer Auseinandersetzung mit seinem Vorgesetzten über diesen: „Diesen kleinen Wicht schmeiße ich aus dem Fenster. Ich lasse mir das nicht länger gefallen. Ich bin kurz vorm Amoklauf. Ich sage dir, bald passiert was. Der lebt gefährlich, sehr gefährlich.“ Der Kläger erhielt am 28.12.2020 deswegen eine fristlose und hilfsweise fristgerechte Kündigung zum 30.06.2021. Hiergegen erhob er Kündigungsschutzklage.
Mit Urteil vom 04.11.2021 wies das ArbG die Klage ab. Die fristlose Kündigung hielt es nach Vernehmung der Kollegin als Zeugin für gerechtfertigt. Der wichtige Kündigungsgrund lag nach Auffassung der Kammer darin, dass der Kläger in ernstzunehmender Art und Weise gegenüber seiner Kollegin Äußerungen getätigt habe, die sowohl die Ankündigung für eine Gefahr von Leib und Leben des Vorgesetzten als auch die Ankündigung eines Amoklaufs beinhaltet hätten. Der Kläger habe die Drohung nach Überzeugung des Gerichts absolut ernst gemeint. Eine vorherige Abmahnung sei in diesem Fall entbehrlich. Eine Weiterbeschäftigung des Klägers bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist sei dem Arbeitgeber nicht zuzumuten. (ArbG Siegburg, Urt. v. 04.11.2021 – 5 Ca 254/21)

Abstract: Kündigt ein Arbeitnehmer einer Kollegin gegenüber glaubhaft an, er beabsichtige seinen Vorgesetzten aus dem Fenster zu schmeißen und er sei kurz vorm Amoklauf, kann dies eine fristlose Kündigung rechtfertigen.

Zivilrecht

Anleger von Wirecard haben keinen Schadensersatzanspruch gegen die BaFin
Die Kläger hatten sich vor dem sog. Wirecard-Skandal als Aktionäre an der Wirecard-AG beteiligt. Infolge der Insolvenz des Unternehmens im Juni 2020 erlitten sie erhebliche Verluste. Die Kläger haben nun von der BaFin Schadensersatz in unterschiedlicher Höhe von rund 3.000 € bis rund 60.000 € verlangt. Sie sind der Meinung, die beklagte BaFin habe die Marktmanipulationen von Wirecard nicht verhindert und die Öffentlichkeit nicht ausreichend informiert. Hinweisen auf Gesetzesverstöße der Wirecard AG sei die Behörde nicht ausreichend nachgegangen.
Die Richter der Amtshaftungskammer des LG haben in der heutigen Verhandlung ausgeführt, dass Schadensersatzsprüche von Anlegern gegen die BaFin im Wirecard-Skandal nicht bestehen. Nach den ausdrücklichen gesetzlichen Vorschriften nehme die BaFin ihre Aufgaben und Befugnisse ausschließlich im öffentlichen Interesse wahr, nicht aber im Interesse einzelner Anleger. „Eine etwaige Verletzung von Amtspflichten der BaFin kann deswegen nicht zu einer Ersatzpflicht gegenüber einem geschädigten Anleger führen. Es besteht kein sogenannter Drittschutz“. Mit ihren Urteilen ist die Amtshaftungskammer des LG einer bereits am 05.11.2021 ergangenen Entscheidung der 8. Zivilkammer des LG (2-08 O 98/21) gefolgt. Die 8. Zivilkammer hatte eine Klage eines Anlegers von Wirecard-Aktien gegen die BaFin ebenfalls abgewiesen. (LG Frankfurt, Urt. v. 19.01.2022 – 2-04 O 65/21, 2-04 O 531/20, 2-04 O 561/20, 2-04 O 563/20)

Abstract: Die BaFin nimmt ihre Aufgaben und Befugnisse ausschließlich im öffentlichen Interesse wahr, nicht aber im Interesse einzelner Anleger, sodass eine etwaige Verletzung von Amtspflichten der BaFin nicht zu einer Ersatzpflicht gegenüber einem geschädigten Anleger führen kann.

Beiträge zur Rentenversicherung

Beiträge zur Rentenversicherung sollen ab 2023 vollständig steuerlich absetzbar sein. Ziel der Bundesregierung ist es, insbesondere auch für zukünftige Rentenjahrgänge eine „doppelte Besteuerung“ von Renten aus der Basisversorgung zu vermeiden. Die Regierungsparteien hatten sich im November 2021 im Koalitionsvertrag auf eine entsprechende Anpassung verständigt. Danach soll der Vollabzug der Rentenversicherungsbeiträge als Sonderausgaben – statt nach dem Stufenplan erst ab 2025 – vorgezogen und bereits ab 2023 erfolgen.