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WBP NEWS

Online-News für den 01.08.2021

Zivilrecht

Restaurant „Ciao“ nicht mit Pizzeria „Ciao Mamma“ verwechslungsfähig
Die Parteien betreiben jeweils ein Lokal mit italienischen Speisen in der Umgebung von D. Das Lokal des Antragstellers heißt „Ciao“ und ist nach eigener Darstellung ein gehobenes italienisches Restaurant mit Pizzeria. Die Antragsgegnerin bewirbt ihr Lokal als „Hamburgeria“ und „Pizzeria“ unter dem Namen „Ciao Mamma“. Der Antragsteller nimmt die Antragsgegnerin auf Unterlassen der Verwendung der Bezeichnung „Ciao Mamma“ in Anspruch. Das LG hat den im Eilverfahren geltend gemachten Anspruch zurückgewiesen. Die hiergegen eingelegte Beschwerde hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg.
Die Bezeichnung „Ciao“ sei zwar eine besondere Geschäftsbezeichnung, der auch Unterscheidungskraft zukomme. Insbesondere bei Gaststätten und Hotels sei der Verkehr daran gewöhnt, dass sich Unternehmen häufig glatt beschreibender Etablissementsbezeichnungen bedienten es aber in einem umgrenzten örtlichen Gebiet nur einen einzigen Geschäftsbetrieb mit diesem Namen gebe. Der Bezeichnung „Ciao“ könne damit eine gewisse originäre Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden. Da es sich erkennbar um eine Grußformel handele, sei der Schutzbereich allerdings geringer. Es liege jedoch keine Verwechslungsgefahr vor. Die Parteien betrieben zwar beide Lokale, in denen italienisches Essen, insbesondere Pizzen, angeboten würden, sodass Branchenidentität vorliege. Die Kennzeichnungskraft der älteren Bezeichnung „Ciao“ – also ihre Eignung, sich als Unterscheidungsmittel bei den Kunden einzuprägen – sei jedoch mit Rücksicht auf die Bedeutung des Begriffs als italienische Grußformel durchschnittlich. Die einander gegenüberstehenden Bezeichnungen „Ciao“ und „Ciao Mamma“ seien nicht hinreichend ähnlich, um eine Verletzungsgefahr zu begründen. Zu vergleichen sei dabei der Gesamteindruck. Der Bestandteil „Mamma“ führe zu einem deutlich abweichenden Gesamteindruck. Der Verkehr verstehe die Bezeichnung „Ciao Mamma“ auch nicht als Ableger des Lokals „Ciao“, da der Bestandteil „Ciao“ nicht als eigenständiger Stammbestandteil wahrgenommen werde. (OLG Frankfurt/Main, Beschl. v. 30.06.2021 – 6 W 35/21; rkr.)

Abstract: Zwischen der Bezeichnung „Ciao“ für ein Restaurant, das italienische Speisen anbietet, und einer Pizzeria, die unter „Ciao Mamma“ firmiert, besteht keine Verwechslungsgefahr.

Verwaltungsrecht

Das Anbieten von Brautfrisuren stellt ein zulassungspflichtiges Handwerk dar
Die Antragstellerin bietet Brautfrisuren, Hairstyling, Komplettstyling sowie das Frisieren der Brauteltern an. Da sie mit dieser Tätigkeit nicht in der Handwerksrolle eingetragen war, untersagte ihr die zuständige Behörde unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Fortsetzung dieses Betriebes. Hiergegen erhob die Antragstellerin Widerspruch und beantragte gerichtlichen Eilrechtsschutz, um bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache ihre Tätigkeit weiter ausüben zu können. Sie machte geltend, hierbei handele es sich um ein künstlerisches Wirken, das nicht im stehenden Gewerbe ausgeübt werde, denn sie erbringe ihre Leistungen auf Abruf bei den Kunden zu Hause, im Hotel oder in sonstigen Locations.
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutz blieb ohne Erfolg. Die Untersagungsverfügung sei nämlich offensichtlich rechtmäßig und finde ihre Grundlage in der Handwerksordnung, die hier anwendbar sei. Es handele sich bei der Fertigung von Braut- und Hochzeitsfrisuren nicht um eine künstlerische Tätigkeit, die sich durch ein eigenschöpferisches gestaltendes Schaffen auszeichne, sondern um eine im Wesentlichen erlernbare Arbeit. Dies ergebe sich auch aus dem Vorbringen der Antragstellerin, da sie nach eigenen Angaben ihre Fertigkeiten durch den Besuch verschiedener Kurse und Workshops erworben habe. Zudem gehe es bei ihrer Arbeit um die Verwirklichung der Gestaltungswünsche ihrer Kundinnen und Kunden. Die Antragstellerin übe auch ein stehendes Gewerbe aus. Denn von ihrer Kundschaft, die regelmäßig den Kontakt zu ihr suche, gehe die Initiative zur Erbringung der Leistungen aus. Auf den Ort der Leistungserbringung komme es für diese Bewertung nicht an. Dieses Gewerbe sei als Handwerk einzustufen. Denn die Antragstellerin verrichte insbesondere mit der Gestaltung von Frisuren bei Hochzeiten eine Tätigkeit, die zum Kernbereich des Friseurhandwerks gehöre. Es stünden aufwendige und letztlich auch hochpreisige Frisuren in Rede, die bei lebensnaher Betrachtung ein besonderes Maß an Sorgfalt und fachlicher Hingabe sowie eine vorhergehende Beratung erforderten. Nehme die Antragstellerin somit eine wesentliche Tätigkeit dieses Friseurhandwerks wahr, unterfalle dies der Eintragungspflicht in der Handwerksrolle. Da dieser Betrieb hierin nicht eingetragen sei, habe er der Antragstellerin untersagt werden dürfen. (VG Koblenz, Beschl. v. 01.07.2021 – 5 L 475/21.KO; nrkr.)

Abstract: Werden Brautfrisuren angeboten und fehlt es an einer Eintragung dieses Gewerbes in die Handwerksrolle, kann die Fortsetzung des Betriebs untersagt werden, denn bei dieser Tätigkeit handelt es sich um ein zulassungspflichtiges, dem Friseurhandwerk zuzuordnendes Handwerk.

Arbeitsrecht

Corona-Anhuster kann Kündigung rechtfertigen
Der Kläger war seit dem 01.08.2015 zunächst als Auszubildender und seit dem 17.01.2019 als Jungzerspannungsmechaniker bei der Beklagten beschäftigt. Er ist Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung. Am 11.03.2020 aktivierte die Beklagte im Hinblick auf das Auftreten des Coronavirus ihren internen Pandemieplan. Zu den Maßnahmen zählten u.a. die Aufforderung, Abstand zueinander zu halten, Hygienemaßnahmen sowie das Bedecken von Mund und Nase beim Husten oder Niesen mit einem Papiertaschentuch oder Ärmel als Verhaltensregel. Die Belegschaft wurde in verschiedenen eMails und einer Abteilungsversammlung informiert. Die Verhaltens- und Hygieneregeln wurden zudem auf Zetteln im Betrieb verteilt. Nach Zustimmung des Betriebsrats kündigte die Beklagte dem Kläger am 03.04.2020 außerordentlich fristlos. Sie wirft dem Kläger vor, sich mehrfach nicht an die wegen der Corona-Pandemie ergriffenen Hygienemaßnahmen sowie an die Sicherheitsabstände gehalten zu haben. Er habe ihr in Gesprächen signalisiert, dass er die Maßnahmen „nicht ernst nehme“ und diese nicht einhalten werde. Der Kläger habe einen Mitarbeiter gegen seinen Willen am Arm angefasst. Am 17.03.2020 habe er schließlich einen Kollegen vorsätzlich und ohne jegliche Barriere aus einem Abstand von einer halben bis maximal einer Armlänge angehustet. Sinngemäß habe der Kläger gesagt, er hoffe, dass der Kollege Corona bekäme. Ob der Kläger tatsächlich Corona habe, wisse sie nicht. Der Kläger hat behauptet, er habe andere Personen keinen Infektionsgefahren ausgesetzt und, soweit es ihm möglich gewesen sei, die Sicherheitsabstände und Hustetikette eingehalten. Am 17.03.2020 habe er einen Hustreiz verspürt und deshalb spontan husten müssen. Dabei habe er ausreichenden Abstand zum Kollegen gehabt. Als der andere Kollege sich belästigt gefühlt
und dies geäußert habe, habe er entgegnet, der Kollege möge „chillen, er würde schon kein Corona bekommen“.
Das LAG hat der Kündigungsschutzklage nach der Vernehmung mehrerer Zeuginnen und Zeugen stattgegeben, weil die durchgeführte Beweisaufnahme zu Lasten der Beklagten ausging. Das LAG hat die Beweisaufnahme durchgeführt, weil die von der Beklagten behauptete Version des Sachverhalts am 17.03.2020 im konkreten Fall eine fristlose Kündigung hätte rechtfertigen können. Wer im März 2020 bewusst einen Kollegen aus nächster Nähe anhustete und äußerte, er hoffe, dass er Corona bekäme, verletzte in erheblicher Weise die dem Arbeitsverhältnis innewohnende Rücksichtnahmepflicht gegenüber seinem Kollegen. Wenn der Arbeitnehmer dann auch im Übrigen deutlich macht, dass er nicht bereit sei, die Arbeitsschutzvorschriften einzuhalten, genügte auch keine Abmahnung. Die Beklagte konnte nach der umfangreichen Beweisaufnahme aber den von ihr behaupteten Sachverhalt nicht beweisen. Da die Arbeitgeberin für den Kündigungsgrund die Beweislast trägt, ging dies zu ihren Lasten. Einer Verletzung von Abstandsregeln konnte ausreichend durch eine Abmahnung begegnet werden. (LAG Düsseldorf, Urt. v. 27.04.2021 – 3 Sa 646/20; rkr.)

Abstract: Der Arbeitgeber muss im Falle einer Kündigung beweisen, dass der Arbeitnehmer bewusst aus nächster Nähe anhustete und äußerte, er hoffe, dass dieser Corona bekäme. Damit verletzte dieser in erheblicher Weise die dem Arbeitsverhältnis innewohnende Rücksichtnahmepflicht gegenüber den Kollegen. Wenn er zudem auch im Übrigen deutlich macht, dass er nicht bereit sei, die Arbeitsschutzvorschriften einzuhalten, genügte auch keine Abmahnung.

Zivilrecht

Schadensersatzanspruch nach Weiterverkauf eines vom sogenannten Dieselskandal betroffenen Fahrzeugs
Die Klägerin erwarb im Juni 2014 einen gebrauchten VW Touran. Die Beklagte ist Herstellerin des Fahrzeugs, das mit einem Dieselmotor des Typs EA189 ausgestattet ist. Dieser Motor hatte eine Steuerungssoftware, die erkannte, ob sich das Fahrzeug auf einem Prüfstand oder im normalen Straßenverkehr befand. Im Prüfstandsbetrieb stieß das Fahrzeug weniger Stickoxid aus als im Betrieb auf der Straße. Während des laufenden Rechtsstreits veräußerte die Klägerin das Fahrzeug zu einem marktgerechten Preis. Zwischen den Parteien war streitig, ob der Klägerin trotz des Weiterverkaufs des VW Touran ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte in Höhe des gezahlten Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung für die Fahrzeugnutzung und abzüglich des erzielten Verkaufserlöses zusteht. Das LG hat der Klägerin trotz Weiterverkaufs des Diesel-Fahrzeugs einen Schadensersatzanspruch zuerkannt. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg. Die Vorinstanzen haben zutreffend angenommen, dass die Beklagte die Klägerin durch das Inverkehrbringen eines Fahrzeugs mit Abschalteinrichtung (Prüfstanderkennungssoftware) vorsätzlich sittenwidrig geschädigt hat und ihr insoweit grundsätzlich ein Anspruch auf Schadensersatz in Höhe des gezahlten Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs zusteht. Der Weiterverkauf des Fahrzeugs ließ diesen Schadensersatzanspruch nicht entfallen. Durch den Weiterverkauf trat der marktgerechte Verkaufserlös an die Stelle des im Wege der Vorteilsausgleichung herauszugebenden und zu übereignenden Fahrzeugs und war vom Schadensersatzanspruch abzuziehen. (BGH, Urt. v. 20.07.2021 – VI ZR 575/20)

Abstract: Der Weiterverkauf des Fahrzeugs lässt einen Schadensersatzanspruch nicht entfallen, wenn der Fahrhersteller durch das Inverkehrbringen eines Fahrzeugs mit Abschalteinrichtung (Prüfstanderkennungssoftware) vorsätzlich sittenwidrig geschädigt hat und ihm insoweit grundsätzlich ein Anspruch auf Schadensersatz in Höhe des gezahlten Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs zusteht.