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WBP NEWS

Online-News für den 01.12.2020

Zivilrecht

Warnhinweis auf Ärzteportal rechtmäßig beim Verdacht manipulierter Bewertungen
Der Antragsteller ist Zahnarzt. Die Antragsgegnerin betreibt ein Arztsuche- und Arztbewertungsportal. Sie informierte den Antragsteller darüber, dass ihren Feststellungen nach auf seinem Profil „gefälschte positive Bewertungen“ veröffentlicht worden seien. Sollte er dies nicht aufklären können, kündigte sie an, die Nutzer per Warnhinweis über das Vorliegen gekaufter Bewertungen zu informieren. Nach anschließender Korrespondenz veröffentlichte die Antragsgegnerin einen Warnhinweis auf dessen Profil. Auszugsweise heißt es dort: Bei einzelnen Bewertungen auf diesem Profil haben wir Auffälligkeiten festgestellt, die uns veranlassen an deren Authentizität zu zweifeln. Wir haben den Profilinhaber mit dem Sachverhalt konfrontiert. Hierdurch ließ sich die Angelegenheit bisher nicht aufklären. Der Profilinhaber bestreitet für die Manipulation selbst verantwortlich zu sein… Dieser Hinweis erscheint, wenn man mit der Maus auf die Gesamtnote im Profil des Antragstellers fährt. An der linken oberen Ecke der Gesamtnote befindet sich ein kleines rot unterlegtes Ausrufezeichen. Der Antragsteller begehrt im Eilverfahren von der Antragsgegnerin, die Kennzeichnung seines Profils mit einem Warnzeichen und das Einblenden des Hinweistextes zu unterlassen. Das LG hat den Antrag zurückgewiesen. Die hiergegen eingelegte Beschwerde hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg.
Der Warnhinweis greife zwar in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und des Gewerbebetriebs ein, dies sei jedoch nicht rechtswidrig. Der Antragsteller moniere zu Unrecht, dass die Antragsgegnerin ihn „als Lügner und Betrüger“ darstelle. Dem Warnhinweis sei vielmehr klar zu entnehmen, dass es sich um einen bloßen Verdacht handele und der Antragsteller die Vorwürfe bestreite. An keiner Stelle werde der Eindruck erweckt, der Arzt selbst sei für die Bewertungen verantwortlich. Die Vorgehensweise der Antragsgegnerin sei deshalb nach den Grundsätzen über die sog. Verdachtsberichterstattung gedeckt. Diese Grundsätze seien auf die Antragsgegnerin, die mit dem Bewertungsportal eine von der Rechtsordnung gebilligte und gesellschaftlich erwünschte Funktion ausübe, anwendbar. Die Antragsgegnerin berufe sich hier zu Recht auf einen „Mindestbestand an Beweistatsachen für das Vorliegen gekaufter/manipulierter Bewertungen im Profil“ des Antragstellers. Das OLG verweist auf die landgerichtlichen Feststellungen, wonach die Antragsgegnerin anhand von eMails und IP-Adressen herausgefunden habe, „dass Bewerter für Bewertungsanbieter tätig waren und diese Bewerter ebenfalls das Ärzte-Profil des (Klägers) bewertet haben sollen. Dass diese Nutzer gekaufte Bewertungen abgaben, hätten andere, von diesen Nutzern bewertete Ärzte eingeräumt“. Der Verdacht falle dabei grundsätzlich auf den Antragsteller als Profilinhaber. Dieser müsse die Vorwürfe ausräumen bzw. an der Aufklärung mitwirken. Dem sei der Antragsteller hier nicht hinreichend nachgekommen. Ohne Erfolg berufe sich der Antragsteller auf angebliche Erpressungsversuche. Sein Vorbringen, er habe Schreiben von Erpressern erhalten, die mit dem Zusenden positiver Bewertungen an die Antragsgegnerin gedroht hätten, wenn er nicht 500 € zahle, sei widersprüchlich und nicht plausibel. So sei es etwa nicht verständlich, warum die Erpresser nicht unmittelbar mit negativen Bewertungen gedroht hätten. Der Warnhinweis sei auch in seiner Gestaltung nicht zu beanstanden. Insbesondere enthalte er keine Vorverurteilung. Schließlich bestehe ein öffentliches Interesse an dem Warnhinweis. Dies sei bereits beim Verdacht einer Manipulation anzunehmen. (OLG Frankfurt, Beschl. v. 19.11.2020 – 16 W 37/20)

Abstract: Ein Ärztebewertungsportal darf bei einem begründeten Verdacht von „gekauften Bewertungen“ das Arztprofil mit einem Warnhinweis kennzeichnen.

Steuerrecht

Mehrwertsteuererstattung für Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten
Nach Auffassung des EuGH hat Deutschland unter Verstoß gegen den Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer und die praktische Wirksamkeit des Anspruchs der nicht im Mitgliedstaat der Erstattung ansässigen Steuerpflichtigen auf Erstattung der Mehrwertsteuer dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 170 und 171 der RL 2006/112/EG sowie aus Art. 5 der RL 2008/9/EG zur Regelung der Erstattung der Mehrwertsteuer an nicht im Mitgliedstaat der Erstattung, sondern in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Steuerpflichtige verstoßen, dass es die Anträge auf Erstattung der Mehrwertsteuer abgelehnt hat, die vor dem 30.09. des auf den Erstattungszeitraum folgenden Kalenderjahrs gestellt wurden, denen aber nicht die Kopien der Rechnungen oder der Einfuhrdokumente, die gemäß Art. 10 der RL 2008/9 von den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaates der Erstattung verlangt werden, beigefügt sind, ohne die Antragsteller zuvor aufzufordern, ihre Anträge durch die – erforderlichenfalls nach diesem Zeitpunkt erfolgende – Vorlage dieser Kopien zu ergänzen oder sachdienliche Informationen vorzulegen, die die Bearbeitung dieser Anträge ermöglichen. Im Übrigen sei die Klage der Kommission insoweit abzuweisen, als diese auch einen Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes geltend gemacht habe. Die Kommission habe nicht bestritten, dass die Empfangsbestätigung, die dem Steuerpflichtigen von der zuständigen nationalen Behörde übermittelt werde, wenn er einen Antrag auf Erstattung der Mehrwertsteuer gestellt habe, einen Hinweis auf die Pflicht enthalte, die erforderlichen Belege vorzulegen. Unter diesen Voraussetzungen könne nicht angenommen werden, dass eine solche Empfangsbestätigung dem Steuerpflichtigen die Gewissheit geben könne, dass sein Antrag auf Erstattung der Mehrwertsteuer von der zuständigen nationalen Behörde bearbeitet werde, obwohl er die erforderlichen Informationen und Belege nicht vorgelegt habe. Darüber hinaus gehe aus dem Vorbringen der Kommission nicht hervor, dass die zuständige nationale Behörde insoweit ihre Verwaltungspraxis zum Nachteil der Steuerpflichtigen geändert hätte, indem sie ihnen rückwirkend ihren Anspruch auf Erstattung der Mehrwertsteuer genommen hätte. (EuGH, Urt. v. 18.11.2020 – C-371/19)

Abstract: Deutschland hat dadurch gegen unionsrechtliche Richtlinien verstoßen, dass es sich systematisch geweigert hat, in einem Antrag auf Erstattung der Mehrwertsteuer fehlende Angaben nachzufordern und stattdessen den Erstattungsantrag unmittelbar abgewiesen hat, wenn solche Angaben nur noch nach der Ausschlussfrist des 30. September nachgereicht werden konnten.

Arbeitsrecht

Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten bei der Vergütung?
Die Beklagte ist ein Luftfahrtunternehmen. Der Kläger ist bei ihr als Flugzeugführer und Erster Offizier in Teilzeit beschäftigt. Seine Arbeitszeit ist auf 90 % der Vollarbeitszeit verringert. Er erhält eine um 10 % ermäßigte Grundvergütung. Nach den auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifverträgen erhält ein Arbeitnehmer eine über die Grundvergütung hinausgehende Mehrflugdienststundenvergütung, wenn er eine bestimmte Zahl von Flugdienststunden im Monat geleistet und damit die Grenzen für die erhöhte Vergütung überschritten („ausgelöst“) hat. Die sog. Auslösegrenzen gelten einheitlich für Arbeitnehmer in Teilzeit und in Vollzeit. Mit seiner Klage verlangt der Kläger von der Beklagten für die erbrachten Mehrflugdienststunden eine höhere als die bereits geleistete Vergütung. Er ist der Auffassung, die tariflichen Bestimmungen seien unwirksam. Sie behandelten Teilzeitbeschäftigte schlechter als Arbeitnehmer in Vollzeit. Ein sachlicher Grund bestehe dafür nicht. Die Auslösegrenzen seien entsprechend seinem Teilzeitanteil abzusenken. Die Beklagte hält die Tarifnormen für wirksam. Die Vergütung für Mehrflugdienststunden diene dazu, eine besondere Arbeitsbelastung auszugleichen. Sie bestehe erst, wenn die tariflichen Auslösegrenzen überschritten seien.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das LAG hat sie abgewiesen. Der Zehnte Senat des BAG ersucht den EuGH, Fragen nach der Auslegung der von UNICE, CEEP und EGB geschlossenen Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit im Anhang der Richtlinie 97/81/EG zu beantworten. Ist für die Prüfung, ob Teilzeitbeschäftigte gegenüber Vollzeitbeschäftigten schlechter behandelt werden, weil eine zusätzliche Vergütung davon abhängt, dass eine einheitlich geltende Zahl von Arbeitsstunden überschritten wird, auf die Gesamtvergütung und nicht auf den Entgeltbestandteil der zusätzlichen Vergütung abzustellen? Kann eine mögliche schlechtere Behandlung von Teilzeitbeschäftigten gerechtfertigt werden, wenn mit der zusätzlichen Vergütung der Zweck verfolgt wird, eine besondere Arbeitsbelastung auszugleichen? (BAG, Beschl. v. 11.11.2020 – 10 AZR 185/20 [A])

Abstract: Tarifvertragliche Bestimmungen, die eine zusätzliche Vergütung davon abhängig machen, dass dieselbe Zahl von Arbeitsstunden überschritten wird, ohne zwischen Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigten zu unterscheiden, werfen Fragen nach der Auslegung von Unionsrecht auf. Diese Fragen müssen durch ein Vorabentscheidungsersuchen geklärt werden, das der Zehnte Senat des BAG an den EuGH richtet.

Zivilrecht

Umlagefähigkeit von Baumfällkosten auf den Mieter
Die Parteien stritten streiten über die Umlagefähigkeit der in der Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2018 aufgeführten Kosten für das Fällen zweier abgestorbener Ebereschen, das Fällen einer absterbenden Kirsche und eines Goldregens, die Totholzentfernung an einer Birke und einer Esche an der Straße in Klettertechnik sowie das Laden, Abfahren und Entsorgen des Schnittguts. Das AG hat die Beklagten und Berufungskläger mit Urt. v. 13.02.2020 insoweit zur Zahlung der Nachforderung an den Kläger verurteilt. Dem schloss sich das LG im Urteil v. 19.11.2020 auf Basis der in Rechtsprechung und Literatur für und gegen die Umlagefähigkeit vorgebrachten Argumente an.
§ 2 BetrKV bezwecke die Abgrenzung der Betriebskosten von Instandsetzungs- und Instandhaltungskosten. § 2 Nr. 10 BetrKV stelle insofern eine Sonderregelung im Regelungsgefüge der BetrKV dar, da Pflanzen nicht ohne Weiteres mit technischen bzw. baulichen Gegebenheiten vergleichbar seien. Dass Baumfällkosten im Regelfall erst nach Jahrzehnten entstehen, begründe hier keine besondere Schutzwürdigkeit der Mieterseite. Bei Vertragsschluss könnten entsprechende Informationen eingeholt werden. Es handele sich nicht um außergewöhnliche Kosten, denen es an der Berechenbarkeit fehlt, da ein Absterben von Bäumen eine durchaus natürliche Entwicklung darstelle. Das Fällen eines kranken bzw. morschen Baumes sei eine für die Erhaltung einer gärtnerisch angelegten Fläche notwendige Maßnahme, für deren Kosten der/die jeweilige Mieter/in aufkommen müsse. Das LG wies darauf hin, dass sich die Frage der Ersatzfähigkeit aufgrund von Sturmschäden oder plötzlichen unerwarteten bzw. unvorhersehbaren Ursachen entstandener Baumfällkosten in diesem Rechtsstreit nicht gestellt habe. (LG München I, Urt. v. 19.11.2020 – 31 S 3302/20; rkr)

Abstract: Zur „Gartenpflege“ i.S.d. § 2 Nr. 10 BetrKV gehört auch das Fällen eines kranken, morschen oder abgestorbenen Baumes. Die hierfür erforderlichen Kosten sind daher im Mietverhältnis als Betriebskosten umlagefähig, unabhängig davon, ob eine Ersatzbepflanzung erfolgt oder nicht.