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WBP NEWS

Online-News für den 15.01.2021

Zivilrecht

Ansprüche des Mieters auf Schadensersatz nach einem Auszug aus der Mietwohnung aufgrund pflichtwidrigen Verhaltens des Vermieters
Verfahren VIII ZR 238/18: Der Kläger war Mieter einer Wohnung der Beklagten in Berlin. Ihm wurde zum 31.08.2012 wegen Eigenbedarfs gekündigt. Das AG gab der nachfolgenden Räumungsklage statt. Während des laufenden Berufungsverfahrens erwarb der Kläger unter Einschaltung eines Maklers eine Eigentumswohnung in Berlin. Hierfür stellte ihm der Makler eine Provision in Höhe von 29.543,42 € in Rechnung. In der Berufungsinstanz schlossen die Parteien einen Räumungsvergleich, worin sich der Kläger zum Auszug bis Ende Februar 2016 verpflichtete. Die Beklagte realisierte den in der Kündigung behaupteten Eigenbedarf nach Auszug des Klägers nicht. Mit der Behauptung, der Eigenbedarf sei nur vorgetäuscht gewesen, nimmt der Kläger die Beklagte auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch. In der Revisionsinstanz streiten die Parteien aufgrund der vom Senat zugelassenen Revision darüber, ob dem Kläger die für den Erwerb der Eigentumswohnung aufgewendeten Maklerkosten in Höhe von 29.543,42 € zustehen. Zur Begründung hat das einen solchen Anspruch (anders als das Amtsgericht) bejahende Landgericht ausgeführt, der Kläger könne von der Beklagten wegen Verletzung der nachvertraglichen Treuepflicht (§ 280 Abs. 1 BGB) auch die für den Ersatzwohnungskauf angefallenen Maklerkosten verlangen, denn die Beklagte sei nicht nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist, sondern darüber hinaus bis zum Ablauf der im Vergleich vereinbarten Räumungsfrist verpflichtet gewesen, den Kläger über den nachträglichen Wegfall des Eigenbedarfs zu informieren. Zu dem hiernach erstattungsfähigen Schaden zählten auch die für die Vermittlung der Eigentumswohnung angefallenen Maklerkosten. Es könne keinen Unterschied machen, ob sich der Kläger dafür entscheide – wie hier – Eigentum zu erwerben oder (nochmals) eine Wohnung anzumieten.
Verfahren VIII ZR 371/18: In diesem Verfahren begehrt der Mieter ebenfalls den Ersatz von Kündigungsfolgeschäden. Nachdem das Mietverhältnis der Parteien durch diverse Streitigkeiten bereits belastet war, kündigte der beklagte Mieter Anfang August 2013 das Mietverhältnis fristlos, unter anderem deshalb, weil der Vermieter beziehungsweise ein von diesem beauftragter Handwerker den Balkon der Mietwohnung ohne Einverständnis betreten habe. Unter Einschaltung eines Maklers erwarb der Beklagte am 24.08.2013 in der Nähe seiner von der bisherigen Mietwohnung 250 km entfernten Arbeitsstelle ein Einfamilienhaus, das im Dezember 2013 bezugsfertig wurde. Am 30.09.2013 räumte der Beklagte die Mietwohnung und bezog eine Zwischenunterkunft. Mit seiner Widerklage nimmt der Beklagte den Kläger auf Schadensersatz in Anspruch. Er macht unter anderem die Maklerkosten für den Hauserwerb (13.030,50 €), die Umzugskosten, die Kosten der Übergangsunterkunft sowie die Kosten für den Umbau und Wiedereinbau seiner Einbauküche geltend. Die Widerklage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Zur Begründung hat das LG ausgeführt, zwar komme grundsätzlich ein Schadensersatzanspruch des Beklagten aus § 280 Abs. 1 BGB in Betracht, weil der Mieter aufgrund des pflichtwidrigen Verhaltens des Vermieters zur fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigt gewesen sei. Zwar könnten Zweifel daran bestehen, ob die Kündigung überhaupt kausal auf die Pflichtverletzung zurückzuführen sie. Dies könne jedoch dahinstehen, weil die geltend gemachten Schäden jedenfalls nicht ersatzfähig seien. Es seien nur solche Schäden zurechenbar, die bei Anmietung einer Ersatzwohnung in der Nähe der bisherigen angefallen wären. Vorliegend habe der Beklagten jedoch Eigentum erworben und dies unter Verlagerung seines Lebensmittelpunktes. Es handele sich daher weder um vergleichbaren noch um angemessenen Ersatzwohnraum. Vielmehr habe der Beklagte anlässlich der Kündigung seine Lebensumstände so verändert, dass die in der Folge getätigten Aufwendungen nicht mehr zurechenbar auf die Pflichtverletzung des Klägers zurückzuführen seien.
Der BGH hat in beiden Fällen entschieden, dass die Maklerkosten, welche die jeweiligen Mieter zwecks Erwerbs einer Eigentumswohnung beziehungsweise eines Hauses zu Eigentum aufgewandt haben, keinen erstattungsfähigen Schaden darstellen. Im Verfahren VIII ZR 371/18 hat das Berufungsgericht eine den Mieter zur fristlosen Kündigung berechtigende Pflichtverletzung rechtsfehlerfrei bejaht. Im Verfahren VIII ZR 238/18 hingegen ist bereits eine Pflichtverletzung der Vermieterin nicht rechtsfehlerfrei festgestellt. Zwar handelt ein Vermieter pflichtwidrig und ist dem Mieter zum Schadensersatz verpflichtet, wenn er eine Kündigung des Mietvertrags schuldhaft auf einen in Wahrheit nicht bestehenden Eigenbedarf (§ 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB) stützt oder er den Mieter nicht über einen späteren Wegfall des geltend gemachten Eigenbedarfs informiert. Diese Hinweispflicht besteht jedoch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist und nicht – wie vom Berufungsgericht angenommen – bis zum Ablauf der im Vergleich vereinbarten Räumungsfrist. Ob hiernach der Vermieterin eine Pflichtverletzung vorzuwerfen ist, konnte im Ergebnis offenbleiben. Denn die Schadensersatzpflicht des pflichtwidrig handelnden Vermieters umfasst nicht die Maklerkosten, die einem Mieter entstehen, der von der Anmietung einer neuen Wohnung absieht und stattdessen Wohnungs- oder Hauseigentum erwirbt. Zwar stellt der Erwerb von Eigentum an einer Wohnung beziehungsweise einem Hausanwesen vorliegend noch eine adäquat kausale Reaktion des Mieters auf eine (unterstellte) Pflichtverletzung des Vermieters dar. Denn es lag nicht außerhalb des zu erwartenden Verlaufs der Dinge, dass die Mieter den notwendigen Wohnungswechsel zum Anlass nahmen, ihre Wohnbedürfnisse künftig nicht in angemieteten, sondern eigenen Räumlichkeiten zu befriedigen und zu dessen Erwerb einen Makler einschalten. Jedoch sind die im Zuge des Eigentumserwerbs aufgewandten Maklerkosten nicht mehr vom Schutzzweck der jeweils verletzten Vertragspflicht umfasst. Denn eine vertragliche Haftung – hier der jeweiligen Vermieter – besteht nur für diejenigen äquivalenten und adäquaten Schadensfolgen, zu deren Abwendung die verletzte Vertragspflicht übernommen wurde. Der Schaden muss in einem inneren Zusammenhang mit dem (verletzten) Gebrauchserhaltungsinteresse des Mieters stehen, was bezüglich der Maklerkosten nicht der Fall ist, denn die Mieter haben mithilfe des Maklers nicht lediglich ihren Besitzverlust (an der bisherigen Wohnung) ausgeglichen, sondern im Vergleich zu ihrer bisherigen Stellung eine hiervon zu unterscheidende (Rechts-)Stellung als Eigentümer eingenommen. Der (bisherige) Mieter unterliegt als (späterer) Eigentümer hinsichtlich der Wohnungsnutzung keinen vertraglichen Bindungen mehr. Sein Besitzrecht an der Wohnung ist nicht mehr wie zuvor ein abgeleitetes, sondern ein ihm originär zustehendes Recht, das ihm grundsätzlich eine uneingeschränkte und eigenverantwortliche Nutzungs- und Verfügungsbefugnis (§ 903 BGB) gibt. Zudem ist dieses (Nutzungs-)Recht nicht zeitlich begrenzt. Demgegenüber gehört es zum Wesen des Mietvertrags, dass dem Mieter (lediglich) ein Anspruch auf Gebrauchsüberlassung auf Zeit zusteht. Diese zeitliche Begrenzung ist auch zu berücksichtigen, wenn es um die Bestimmung der Ersatzfähigkeit von Schäden des Mieters in Fällen wie den vorliegenden geht. Durch den Abschluss des Mietvertrags hatte der Mieter sein Interesse an der Erlangung eines zeitlich begrenzten Gebrauchsrechts gezeigt. Erwirbt er eine Wohnung beziehungsweise ein Hausanwesen zu Eigentum verfolgt er bezüglich der Deckung seines Wohnbedarfs andere Interessen als bisher. Im Verfahren VIII ZR 371/18 hat der BGH das Verfahren an das Berufungsgericht zurückverwiesen, damit geprüft werden kann, ob dem Mieter ein Anspruch auf Ersatz der weiter geltend gemachten Kündigungsfolgeschäden in Form der Umzugskosten, der Mehrkosten für die Übergangsunterkunft sowie der Kosten für den Aus- und Umbau der Einbauküche zusteht.
Im Gegensatz zu den Maklerkosten für den Eigentumserwerb stehen diese Schäden noch in dem gebotenen inneren Zusammenhang zur Vertragspflichtverletzung des Vermieters. Der Umstand, dass der Mieter sich entschließt, seinen künftigen Wohnbedarf nicht mehr mittels der Anmietung von Räumlichkeiten zu decken, sondern Eigentum zu erwerben, hat bezüglich dieser Schadenspositionen, die anders als die Maklerkosten, bereits in dem durch die Pflichtverletzung des Vermieters herbeigeführten Wohnungsverlust angelegt sind, keinen Einfluss auf die grundsätzliche Erstattungsfähigkeit. Sofern daher die Pflichtverletzung für die Kündigung kausal geworden ist (was das Berufungsgericht bisher offengelassen hat), kann die grundsätzliche Ersatzfähigkeit der Kosten für den Umzug und eine Übergangsunterkunft nicht verneint werden. Im Verfahren 238/18 hat der Senat das Urteil des Berufungsgerichts aufgehoben und die Entscheidung des AG wiederhergestellt, das die Klage wegen der für den Kauf einer Eigentumswohnung aufgewendeten Maklerkosten abgewiesen hatte. (BGH, Urt. v. 09.12.2020 – VIII ZR 238/18 und VIII ZR 371/18)

Abstract: Ein Mieter, der infolge einer Pflichtverletzung des Vermieters aus der Wohnung auszieht und keine neue Wohnung anmietet, sondern Wohnungs- oder Hauseigentum erwirbt, kann die zum Zwecke des Eigentumserwerbs angefallenen Maklerkosten nicht als Schadensersatz vom Vermieter ersetzt verlangen.

Steuerrecht

Steuerliche Berücksichtigung von Verpflegungsmehraufwand und Unterkunftskosten bei Auslands(praxis)semestern Die Klägerin nahm nach einer abgeschlossenen Ausbildung ein Studium an einer inländischen Hochschule auf. Die Studienordnung der Hochschule schreibt für den Studiengang vor, dass die/der Studierende das Studium für zwei Semester an einer ausländischen Partneruniversität zu absolvieren hat. Während des Auslandsstudiums bleibt die/der Studierende an der inländischen Hochschule eingeschrieben. Die Klägerin beantragte für die Zeit des Auslandsstudiums die Anerkennung der dadurch bedingten zusätzlichen Unterkunftskosten sowie der Verpflegungsmehraufwendungen als Werbungskosten. Das Finanzamt lehnte dies ab, da die Auslandsuniversität die erste Tätigkeitsstätte der Klägerin sei und daher die Aufwendungen für Unterkunft und Verpflegung – vergleichbar einem Arbeitsnehmer – nur im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung als Werbungskosten angesetzt werden könnten. Eine solche liege aber unstreitig nicht vor. Anders als das Finanzgericht gab der BFH der Klage der Studentin statt. Sehe die Studienordnung, wie im Fall der Klägerin vor, dass Studierende einen Teil des Studiums an einer ausländischen Hochschule absolvieren können bzw. müssen, bleibe die inländische Hochschule, jedenfalls soweit die/der Studierende dieser auch für die Zeiten des Auslandsstudiums zugeordnet bleibe, die erste Tätigkeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 4 Satz 8 EStG. Kosten für Unterkunft und Verpflegungsmehraufwand im Ausland seien deshalb als vorweggenommene Werbungskosten steuerlich zu berücksichtigen, auch wenn keine doppelte Haushaltsführung vorliege. Entsprechendes gelte bei Praxissemestern. Von dieser Rechtsprechung profitieren allerdings nur Studierende, die bereits eine Erstausbildung (Berufsausbildung oder eine Bachelorstudiengang) abgeschlossen haben. Aufwendungen für die erste Ausbildung (Berufsausbildung oder Studium) sind hingegen vom Werbungskostenabzug ausgenommen (§ 9 Abs. 6 EStG). Der Aufwand wird nur im Rahmen des Sonderausgabenabzugs berücksichtigt und wirkt sich steuerlich nur aus, wenn die/der Studierende im Jahr der Aufwandsentstehung über steuerpflichtige Einkünfte verfügt. (BFH, Urt. v. 14.05.2020 – VI R 3/18)

Abstract: Studierende können Unterkunftskosten und Verpflegungsmehraufwendungen eines Auslandsemester als vorab entstandene Werbungskosten geltend machen.

Arbeitsrecht

Mund-Nasen-Maske
Der Kläger ist bei der Beklagten als Verwaltungsmitarbeiter im Rathaus beschäftigt. Die Beklagte ordnete mit Schreiben vom 06.05.2020 mit Wirkung zum 11.05.2020 in den Räumlichkeiten des Rathauses das Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung für Besucher und Beschäftigte an. Der Kläger legte ein Attest vor, das ihn ohne Angabe von Gründen von der Maskenpflicht befreite. Sein Arbeitgeber wies ihn daraufhin an, ein Gesichtsvisier beim Betreten des Rathauses und bei Gängen über die Flure und in Gemeinschaftsräumen zu tragen. Der Kläger legte ein neues Attest vor, das ihn wiederum ohne Angabe von Gründen von der Pflicht zum Tragen von Gesichtsvisieren jeglicher Art befreite. Ohne Gesichtsbedeckung wollte die Beklagte den Kläger nicht im Rathaus beschäftigen. Mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung begehrte der Kläger im Eilverfahren seine Beschäftigung im Rathaus ohne Gesichtsbedeckung; alternativ wollte er im Homeoffice beschäftigt werden.
Das ArbG wies die Anträge des Klägers ab. Nach Auffassung des Gerichts überwiegt der Gesundheits- und Infektionsschutz aller Mitarbeiter und Besucher des Rathauses das Interesse des Klägers an einer Beschäftigung ohne Gesichtsvisier oder Mund-Nase-Abdeckung. Zudem hatte die Kammer Zweifel an der Richtigkeit der ärztlichen Atteste. Die Kammer ging – wie auch das OVG Münster bei der Maskentragepflicht an Schulen – davon aus, dass ein solches Attest konkrete und nachvollziehbare Angaben enthalten muss, warum eine Maske nicht getragen werden könne, da der Kläger mithilfe der ärztlichen Bescheinigungen einen rechtlichen Vorteil für sich erwirken will, nämlich die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zum Betreten des Rathauses ohne Maske. Einen Anspruch auf Einrichtung eines Homeoffice-Arbeitsplatzes verneinte die Kammer in diesem Fall. (ArbG Siegburg, v. 16.12.2020 – 4 Ga 18/20; nrkr.)

Abstract: Der Arbeitgeber darf das Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung während der Arbeitszeit anordnen.

Zivilrecht

Umfang der von „YouTube“ geschuldeten Auskunft über Benutzer
Die Klägerin ist eine Filmverwerterin. Die Beklagte zu 1), deren Muttergesellschaft die Beklagte zu 2) ist, betreibt die Internetplattform „YouTube“. Beim Hochladen von Videos auf „YouTube“ müssen sich Benutzer registrieren und dabei zwingend ihren Namen, eine eMail-Adresse und ein Geburtsdatum angeben. Für die Veröffentlichung eines Videos von mehr als 15 Minuten Länge muss außerdem eine Telefonnummer angegeben werden. Ferner müssen die Nutzer in die Speicherung von IP-Adressen einwilligen. Die Klägerin macht exklusive Nutzungsrechte an den Filmwerken „Parker“ und „Scary Movie 5“ geltend. Diese Filme wurden in den Jahren 2013 und 2014 von drei verschiedenen Nutzern auf „YouTube“ hochgeladen. Die Klägerin hat die Beklagten auf Auskunftserteilung in Anspruch genommen. In der Revisionsinstanz streiten die Parteien noch darüber, ob die Klägerin Ansprüche auf Auskunft über die eMail-Adressen, die Telefonnummern und diejenigen IP-Adressen hat, die für das Hochladen der beiden Filme und für den letzten Zugriff auf die Konten der Benutzer genutzt wurden. Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte teilweise Erfolg. Das Berufungsgericht hat die Beklagten zur Auskunft über die eMail-Adressen der Benutzer verurteilt, die die Filme hochgeladen haben, und hat die Klage im Übrigen abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge und verfolgen die Beklagten ihren Antrag auf vollständige Abweisung der Klage weiter. Der BGH hat das Verfahren mit Beschl. v. 21.02.2019 ausgesetzt und dem EuGH Fragen zur Auslegung der Richtlinie 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums vorgelegt. Der BGH wollte im Wesentlichen wissen, ob sich die in Art. 8 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2004/48/EG geregelte Auskunftspflicht von Personen, die – wie im Streitfall die Beklagten – in gewerblichem Ausmaß für rechtsverletzende Tätigkeiten genutzte Dienstleistungen erbracht haben, auch auf die eMail-Adressen, Telefonnummern und IP-Adressen der Nutzer der Dienstleistungen erstreckt. Der EuGH hat über die Fragen durch Urt. v. 09.07.2020 – C-264/19 entschieden.
Der BGH hat der Revision der Beklagten stattgegeben und die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Der Auskunftsanspruch über „Namen und Anschrift“ i.S.d. § 101 Abs. 3 Nr. 1 UrhG schließt die Auskunft über eMail-Adressen und Telefonnummern der Nutzer der Dienstleistungen nicht ein. Er umfasst auch nicht die Auskunft über die für das Hochladen rechtsverletzender Dateien verwendeten IP-Adressen oder die von den Nutzern der Dienstleistungen zuletzt für einen Zugriff auf ihr Benutzerkonto verwendeten IP-Adressen.
Der Begriff „Anschrift“ i.S.v. § 101 Abs. 3 Nr. 1 UrhG deckt sich mit dem Begriff „Adressen“ in Art. 8 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2004/48/EG. Diese Richtlinienvorschrift ist nach dem auf die Vorlageentscheidung des Senats ergangenen Urteil des EuGH dahin auszulegen, dass der darin genannte Begriff „Adressen“ sich, was einen Nutzer anbelangt, der durch das Hochladen von Dateien ein Recht des geistigen Eigentums verletzt hat, nicht auf die eMail-Adresse und Telefonnummer dieses Nutzers sowie die für das Hochladen dieser Dateien genutzten IP-Adresse oder die bei seinem letzten Zugriff auf das Benutzerkonto verwendete IP-Adresse bezieht. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Umfangs der Auskunft in § 101 Abs. 3 Nr. 1 UrhG über die Regelung in Art. 8 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2004/48/EG hinausgehen wollte. Danach ist eine weitere (dynamische) Gesetzesauslegung durch den Senat ebenso ausgeschlossen wie eine analoge Anwendung von § 101 Abs. 3 Nr. 1 UrhG. Ein über die Auskunft von „Namen und Anschrift“ i.S.v. § 101 Abs. 3 Nr. 1 UrhG hinausgehender Auskunftsanspruch ergibt sich auch nicht aus dem allgemeinen Auskunftsanspruch nach § 242 BGB. (BGH, Urt. v. 10.12.2020 -I ZR 153/17)

Abstract: Ein Betreiber einer Videoplattform muss keine eMail-Adressen, Telefonnummern oder IP-Adressen ihrer Nutzer herausgeben, die urheberrechtlich geschützte Inhalte widerrechtlich auf die Plattform hochgeladen haben.