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WBP NEWS

Online-News für den 15.03.2021

Zivilrecht

Aufpreis für die Umbuchung von wegen Corona annullierten Flügen
Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen e.V. hatte ein Luftfahrtunternehmen auf Unterlassung in Anspruch genommen, gegenüber Verbrauchern im Falle eines annullierten Fluges dem Fluggast auf Nachfrage eine anderweitige Beförderung unter vergleichbaren Reisebedingungen zu einem späteren Zeitpunkt nach Wunsch des Fluggastes trotz verfügbarer Plätze lediglich gegen Zahlung eines Aufpreises zu ermöglichen. Das LG hatte mit Urt. v. 22.09.2020 eine dahingehende zunächst erlassene einstweilige Verfügung im Wesentlichen aufrechterhalten. Hintergrund waren die Umbuchungen zweier Verbraucher, deren Flüge im März 2020 bzw. Ostern 2020 infolge der Corona-Pandemie auf Dezember 2020 bzw. März 2021 und Juli 2020 verlegt worden waren. Hierfür hatte das Luftfahrtunternehmen die Zahlung eines Aufpreises verlangt. Gegen das Urt. des LG hat das Luftfahrtunternehmen Berufung eingelegt und sich zur Begründung darauf berufen, es liege entgegen der Begründung des LG kein Verstoß gegen die Bestimmungen der FluggastrechteVO vor. Dieser Auffassung hat sich der Senat in seinem Urteil vom 26.02.2021 angeschlossen. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt, dass eine – insbesondere an den sog. Erwägungsgründen der FluggastrechteVO orientierte – Auslegung der maßgeblichen Vorschriften der FluggastrechteVO (Art. 5 Abs. 1a) und Art. 8 Abs. 1c)) dafür spreche, einen eindeutigen zeitlichen Bezug zum ursprünglichen Reiseplan des Fluggastes zu fordern. Ein beliebiges kostenfreies Umbuchungsrecht außerhalb jeglichen Zusammenhangs mit der geplanten Reise, z. B. auf einen Flug zu einer besonders teuren Reisezeit, solle gerade nicht gewährt werden. (OLG Köln, Urt. v. 26.02.2021 – 6 U 127/20; rkr.)

Abstract: Ein Luftfahrtunternehmen darf für die Umbuchung von infolge der Corona-Pandemie annullierten Flügen einen Aufpreis verlangen, wenn die Umbuchung auf einen deutlich späteren Zeitpunkt erfolgt. Betroffene Fluggäste können sich insofern nicht mit Erfolg auf die Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.02.2004 (FluggastrechteVO) berufen.

Steuerrecht

Ausländische Quellensteuer auf Kapitalerträge und Gewerbesteuer
Streitig war die Frage, ob – und falls ja, wie – das Finanzamt verpflichtet ist, gezahlte kanadische Quellensteuer auf Kapitalerträge für Zwecke der Anrechnung auf die Gewerbesteuer festzustellen. Das Hessische FG hat die Frage bejaht und der Klage stattgegeben. Der Einbehalt kanadischer Quellensteuer führt zu einer Doppelbesteuerung, denn Deutschland und Kanada erheben von demselben Steuerpflichtigen für denselben Steuergegenstand und denselben Zeitraum eine gleichartige Steuer. Die Vermeidung der Doppelbesteuerung auf der Grundlage des zwischen Kanada und Deutschland geltenden Doppelbesteuerungsabkommens (DBA) erfolgt durch Anrechnung der Steuer. Dies gilt nach der Entscheidung des Hessischen FG nicht nur für die Einkommensteuer, sondern auch für die Gewerbesteuer. Zwar enthalte das Gewerbesteuergesetz keine entsprechende Anrechnungsvorschrift, das DBA ordne jedoch als Rechtsfolgenverweis eine solche Anrechnung an. Trotz Fehlens einer ausdrücklichen gewerbesteuerrechtlichen Anrechnungsregelung habe diese Anrechnung in entsprechender Anwendung der körperschaftsteuerrechtlichen und einkommensteuerrechtlichen Anrechnungsregelungen (§ 26 Abs. 1 Satz a Nr. 1 KStG und § 34c Abs. 6 Satz 2 EStG) zu erfolgen. Das Hessische FG hat weiterhin entschieden, dass die Feststellung der Anrechnung sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach im Rahmen des Gewerbesteuer-Messbescheides durch das Finanzamt zu erfolgen habe. (Hess. FG, Urt. 26.08.2020 – 8 K 1860/16; Rev. eingelegt: I R 8/21).

Abstract: Einbehaltene ausländische Quellensteuer auf Kapitalerträge kann auch auf die inländische Gewerbesteuer angerechnet werden.

Arbeitsrecht

Hinweis- und Informationspflichten des Arbeitgebers – Schadensersatz
Der im Jahr 2014 in den Ruhestand getretene Kläger war bei der Beklagten beschäftigt. Vor dem Hintergrund des zu Beginn des Jahres 2003 in Kraft getretenen Tarifvertrags zur Entgeltumwandlung für Arbeitnehmer/-innen im kommunalen öffentlichen Dienst (TV-EUmw/VKA) schloss die Beklagte mit einer Pensionskasse einen Rahmenvertrag zur betrieblichen Altersversorgung. Im April 2003 nahm der Kläger an einer Betriebsversammlung teil, auf der ein Fachberater der örtlichen Sparkasse die Arbeitnehmer der Beklagten über Chancen und Möglichkeiten der Entgeltumwandlung als Vorsorge über die Pensionskasse informierte. Der Kläger schloss im September 2003 eine Entgeltumwandlungsvereinbarung mit Kapitalwahlrecht ab. Anfang 2015 ließ er sich seine Pensionskassenrente als Einmalkapitalbetrag auszahlen. Für diesen muss der Kläger aufgrund einer Gesetzesänderung im Jahr 2003 Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung entrichten. Mit seiner Klage begehrt der Kläger im Wege des Schadensersatzes die Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge von der Beklagten. Er hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe ihn vor Abschluss der Entgeltumwandlungsvereinbarung über das laufende Gesetzgebungsverfahren zur Einführung einer Beitragspflicht auch für Einmalkapitalleistungen informieren müssen. In diesem Fall hätte er eine andere Form der Altersvorsorge gewählt. Das ArbG hat die Klage abgewiesen. Das LAG hat der Klage stattgegeben. Die Revision der Beklagten hatte Erfolg. Es kann offenbleiben, ob den Arbeitgeber nach – überobligatorisch – erteilten richtigen Informationen über betriebliche Altersversorgung im Wege der Entgeltumwandlung überhaupt weitere Hinweispflichten auf bis zum Abschluss einer Entgeltumwandlungsvereinbarung erfolgende Gesetzesänderungen oder entsprechende Gesetzesvorhaben, die zulasten der Arbeitnehmer gehen, treffen. Jedenfalls setzte eine solche Verpflichtung voraus, dass der Arbeitnehmer konkret über diejenigen Sachverhalte informiert worden ist, die durch die (geplante) Gesetzesänderung zu seinen Lasten geändert wurden. Dies traf im vorliegenden Verfahren nicht zu. Auf der Betriebsversammlung ist über Beitragspflichten zur Sozialversicherung nicht unterrichtet worden. Daher konnte auch dahingestellt bleiben, ob der Beklagten das Verhalten des Fachberaters der Sparkasse zuzurechnen ist. (BAG, Urt. v. 18.02.2020 – 3 AZR 206/18)

Abstract: Der Arbeitgeber hat zwar keine allgemeine Pflicht, die Vermögensinteressen des Arbeitnehmers wahrzunehmen. Erteilt er jedoch Auskünfte, ohne hierzu verpflichtet zu sein, müssen diese richtig, eindeutig und vollständig sein. Andernfalls haftet der Arbeitgeber für Schäden, die der Arbeitnehmer aufgrund der fehlerhaften Auskunft erleidet.

Zivilrecht

Verkehrssicherungspflicht durch Betrieb einer automatischen Schiebetür im Eingangsbereich eines Bahnhofs
Die klagende 81-jährige Rentnerin hat Ansprüche auf Schadensersatz- und Schmerzensgeld gegen die Betreiberin eines Bahnhofs nach einem Unfall mit einer automatischen Schiebetür. Durch das Schließen der Tür stürzte die Klägerin und erlitt eine Schenkelhalsfraktur, die ärztlich behandelt werden musste. Die Beklagte habe ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt, indem sie im Eingangsbereich des Bahnhofs eine automatische Schiebetür betrieben habe, die ihren Schließvorgang fortsetze, obwohl sich eine Person im unmittelbaren Schließ- und damit Gefahrenbereich befinde. Überdies schließe die automatische Tür mit einer derartigen Kraft bzw. Geschwindigkeit, dass zumindest ältere Menschen davon zu Fall gebracht werden können. Die Kammer stellte fest, dass der Sturz darauf zurückzuführen sei, dass der Bewegungsmelder die Klägerin, die in einem sehr spitzen Winkel auf die Tür zugelaufen sei, nicht erfasst habe. Hierdurch habe die Beklagte ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt, denn in einem derart hoch frequentierten Bereich einer Bahnhofshalle, sei stets damit zu rechnen, dass eine Tür von allen möglichen Seiten und Winkeln durchschritten werde. Auch sei damit zu rechnen, dass ein Durchschreiten der Tür bei den verschiedensten Personen in allen Altersklassen in unterschiedlichen Geschwindigkeiten erfolge. Dass eine Tür trotzdem schließe, obwohl sich eine Person zwischen den Türflügeln befinde, schaffe eine Gefahrenlage, die ohne weiteres durch die Beklagte hätte verhindert werden können. Selbst wenn Bewegungsmelder den spitzen Winkel, in dem die Klägerin auf die Tür zugelaufen ist, nicht erfassen (können), hätte die Beklagte zur Wahrung ihrer Verkehrssicherungspflicht den Eingangsbereich baulich, so gestalten müssen, dass ein Zulaufen auf die Tür aus einem spitzen Winkel nicht möglich gewesen wäre. Eine solche bauliche Veränderung zu schaffen, wäre für einen umsichtigen und vorsichtigen Betreiber der Automatiktür ohne weiteres zumutbar gewesen und hätte den Sicherheitsgrad so erhöht, dass auch der konkrete Unfall vermieden worden wäre. Darüber hinaus stellte die Kammer fest, dass die Tür im zu entscheidenden Fall zu kraftvoll schloss. Hierzu führte sie aus, dass eine Tür so konstruiert sein muss, dass Personen jeden Alters bei „normalem“ Durchschreiten der Tür nicht umgestoßen werden. Die Klägerin sei durch den Schließvorgang der Tür so kraftvoll getroffen worden, dass sie unvermittelt auf die Seite stürzte. Die Klägerin musste sich jedoch nach Auffassung der Kammer ein Mitverschulden von 30 % anrechnen lassen. Insoweit ging die Kammer insbesondere davon aus, dass wenn die Klägerin ihre Geschwindigkeit vor Betreten des Eingangsbereiches der Bahnhofshalle reduziert und/oder ein genaues Augenmerk auf die Automatiktür geworfen hätte, ihr aufgefallen wäre, dass sich die Tür bereits im Schließvorgang befunden hatte. (LG Oldenburg, Urt. v. 23.02.2021- 4 O 2137/20; nrkr.)

Abstract: Der Betreiber einer automatischen Schiebetüre verletzt seine Verkehrssicherungspflicht, wenn diese ihren Schließvorgang fortsetzt, obwohl sich eine Person im unmittelbaren Schließ- und damit Gefahrenbereich befindet und die automatische Tür mit einer derartigen Kraft bzw. Geschwindigkeit schließt, dass zumindest ältere Menschen davon zu Fall gebracht werden können.