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WBP NEWS

Online-News für den 15.10.2021

Zivilrecht

Rückzahlung des Reisepreises für eine bereits unter Corona gebuchte Reise
Die Kläger buchten am 04.06.2020 bei der Beklagten unter Anzahlung von 725 € eine Mittelmeerkreuzfahrt auf der MSC M inklusive Flug von Hamburg nach Italien vom 24.11.2020 mit 05.12.2020. Von und nach Civitavecchia hätten Palermo, Valletta, Barcelona, Marseille und Genua angelaufen werden sollen. Am 17.07.2020 teilte die Beklagte mit, dass die Reise coronabedingt nur um vier Nächte verkürzt auf der MSC G, nun zum reduzierten Preis durchgeführt werden könne. Die Kläger nahmen die Änderung am 11.08.2020 an. Am 18.09.2020 erklärte die Beklagte, dass nun von und nach Genua nurmehr Civitavecchia, Neapel, Palermo und Valletta angesteuert würden, was von den Klägern umgehend angenommen wurde. Auf Nachfrage erhielten die Kläger am 06.11.2020 eine Buchungsbestätigung und zahlten den restlichen Reisepreis in Höhe von 1.802,04 €. Ebenfalls noch am 06.11.2020 teilten die Kläger per Mail mit, dass die Reise für sie aufgrund des aktuell erhöhten Infektionsgeschehens nicht durchführbar sei und baten um kostenlose Stornierung. Dies lehnte die Beklagte am 12.11.2020 ab. Am selben Tag erklärten die Kläger den Rücktritt und verlangten den Reisepreise zurück. Die Beklagte stellte Stornogebühren in Höhe von 90 % des Reisepreises in Rechnung. Die Kläger tragen vor, ganz Italien sei ab dem 08.11.2020 als Risikogebiet eingestuft und eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes erlassen worden. Außerdem habe in Italien eine nächtliche Ausgangssperre gegolten. Museen, Theater sowie Ausstellungen, Restaurants und Bars seien geschlossen gewesen. Die Kläger hätten sich nach der Rückkehr nach Hause auch in eine mindestens fünftägige Quarantäne begeben müssen. Dies sei zum Zeitpunkt der Buchung nicht voraussehbar gewesen. Einer der Kläger gehöre aufgrund Diabetes zur Risikogruppe. Die Kreuzfahrt habe auch nicht ohne Beeinträchtigungen durchgeführt werden können: Die Ausflüge am 25.11.2020 hätten nicht stattgefunden. Die Beklagte führt aus, dass die Kläger im Sommer 2020 während der Pandemie die Reise gebucht und somit ein erhöhtes Infektionsrisiko billigend in Kauf genommen hätten. Die Kläger hätten mit einer herbstlichen Verschlechterung der Infektionslage rechnen müssen. Das Gesundheits- und Sicherheitskonzept der Beklagten hätte bestmöglichen Schutz für die Reisenden geboten. Die Kreuzfahrt sei wie vorgesehen durchgeführt worden.
Allein die Tatsache der Pandemie reiche nach Auffassung des Gerichts nicht aus, um jeglichen Rücktritt von allen Pauschalreisen zu jedem Zeitpunkt ohne Anfall von Entschädigungszahlungen zuzulassen. Es komme vielmehr auf die konkreten Umstände des Einzelfalls an. Es sei zu prüfen, inwieweit die konkrete Reise, ausgehend vom Zeitpunkt des Rücktritts, erheblich beeinträchtigt sein wird. Abzustellen ist auf die Sicht eines objektiven Durchschnittsreisenden. Bloße Unwohl- und Angstgefühle des Reisenden reichen nicht aus. Abzustellen ist darauf, ob zu den zum Zeitpunkt der Buchung bekannten Beeinträchtigungen zum Zeitpunkt des Rücktritts, zu dem die Prognoseentscheidung zu treffen war, weitere Beeinträchtigungen hinzugetreten sind. Denn die bereits bei Buchung bekannten Beeinträchtigungen haben die Kläger durch die Buchung akzeptiert, weitere jedoch nicht. Zum Zeitpunkt der Buchung gab es in Italien gerade mal 3,8 Neuinfektionen auf 100.000 Einwohner. Auch bei der letzten Buchungsbestätigung der Kläger am 18.09.2020 war die Zahl der Infizierten auf 100.000 Einwohner mit 16,3 noch relativ niedrig. Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes gab es dementsprechend auch keine. Zum Zeitpunkt der ersten Mitteilung der Kläger am 06.11.2020 die Reise nicht durchführen zu wollen, hatte Italien 345,80 Infizierte auf 100.000 Einwohner. Mit dieser massiven Verschlechterung musste zum Zeitpunkt der letzten Buchungsbestätigung durch die Kläger am 18.09.2020 noch nicht gerechnet werden. Zwar war ein Anstieg der Infektionszahlen im Herbst von Wissenschaftlern prognostiziert worden. Damit, dass der Anstieg jedoch trotz aller Maßnahmen so rasant erfolgen würde, hat jedoch weder der Großteil der Bevölkerung noch die Politik gerechnet. Ein Anspruch der Beklagten auf angemessene Entschädigung besteht daher nicht, vielmehr hat die Beklagte den Reisepreis zurückzuzahlen. (AG München, Urt. v. 15.06.2021 – 113 C 3634/21; rkr.)

Abstract: Bei einem rasanten Anstieg der Zahl der Infizierten trotz aller Maßnahmen besteht nach einer Stornierung der Reise durch den Kunden kein Anspruch eines Reiseveranstalters auf eine angemessene Entschädigung. Er hat den Reisepreis zurückzuzahlen.

Steuerrecht

Zeitpunkt des Beginns und der Beendigung eines Hochschulstudiums für Zwecke des Kindergelds
Die Klägerin ist die Mutter einer im Mai 1992 geborenen Tochter, die ab März 2015 an einer Hochschule im Masterstudiengang „Management“ eingeschrieben war. Nachdem die Hochschule der Tochter zunächst den erfolgreichen Abschluss mündlich mitgeteilt hatte, stellte sie den Abschluss und die Abschlussnoten Ende Oktober 2016 online. Die Zeugnisse holte die Tochter Ende November 2016 persönlich im Prüfungsamt ab. Im März 2017 bewarb sie sich für ein weiteres Bachelorstudium im Fach Politikwissenschaft, das sie im April 2017 aufnahm. Die Familienkasse gewährte wegen des Masterstudiums bis einschließlich Oktober 2016 Kindergeld und wegen des Bachelorstudiums ab April 2017. Für März 2016 wurde die Tochter nicht wegen einer Ausbildung, sondern nur wegen ihrer Bewerbung für einen Studienplatz kindergeldrechtlich berücksichtigt. Für den Zeitraum November 2016 bis Februar 2017 lehnte die Familienkasse und nachfolgend auch das Finanzgericht eine Kindergeldfestsetzung ab.
Der BFH hielt die dagegen gerichtete Revision der Klägerin für unbegründet. Danach kommt es für die Frage, wann ein Hochschulstudium beendet ist, regelmäßig nicht auf den Zeitpunkt an, in welchem dem Kind die Prüfungsergebnisse mündlich mitgeteilt wurden, denn dies ermöglicht dem Kind regelmäßig noch keine erfolgreiche Bewerbung für den angestrebten Beruf. Auch die häufig von entsprechenden Anträgen des Studierenden abhängige Aushändigung des Zeugnisses oder die Exmatrikulation eignen sich kaum, um das Ende eines Studiums festzulegen. Maßgebend ist vielmehr, dass das Kind die letzte nach der einschlägigen Prüfungsordnung erforderliche Prüfungsleistung erfolgreich erbracht hat. Zudem muss das Kind eine schriftliche Bestätigung über sämtliche Prüfungsergebnisse entweder von der Hochschule zugesandt bekommen haben oder jedenfalls objektiv in der Lage gewesen sein, sich eine solche schriftliche Bestätigung über ein Online-Portal der Hochschule erstellen zu können. Entscheidend ist dann, welches Ereignis früher eingetreten ist. Im Streitfall war daher ausschlaggebend, dass die Hochschule die Abschlussnoten Ende Oktober 2016 online gestellt hatte. Übergangszeiten zwischen zwei Ausbildungsabschnitten werden kindergeldrechtlich nur berücksichtigt, wenn sie maximal vier Kalendermonate umfassen. Im Streitfall ging der BFH aber von einer fünf Kalendermonate umfassenden Übergangszeit aus. Denn das Masterstudium endete bereits im Oktober 2016. Das Bachelorstudium begann dagegen noch nicht mit der im März 2017 erfolgten Bewerbung, sondern erst als im April 2017 Ausbildungsmaßnahmen tatsächlich stattfanden. (BFH, Urt. v. 07.07.2021 – III R 40/19)

Abstract: Kinder, die das 18. aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben, können während eines Hochschulstudiums kindergeldrechtlich berücksichtigt werden. Ein solches Hochschulstudium beginnt mit der erstmaligen Durchführung von Ausbildungsmaßnahmen. Beendet ist das Hochschulstudium grundsätzlich dann, wenn das Kind die letzte nach der einschlägigen Prüfungsordnung erforderliche Prüfungsleistung erfolgreich erbracht hat und dem Kind sämtliche Prüfungsergebnisse in schriftlicher Form zugänglich gemacht wurden.

Arbeitsrecht

Bestätigte Kündigung eines Lehrers u.a. wegen Weigerung zum Maskentragen
Das LAG hat ausgeführt, die Kündigung sei aufgrund der Äußerungen gegenüber der Schulelternsprecherin in eMails an diese gerechtfertigt. Eine eMail enthielt neben Ausführungen zur allgemeinen Bewertung der Maskenpflicht in der Schule („bin ich der Meinung, dass diese „Pflicht“ eine Nötigung, Kindesmissbrauch, ja sogar vorsätzliche Körperverletzung bedeutet.“), auch die Aufforderung an die Eltern, mit einem vorformulierten zweiseitigen Schreiben gegen die Schule vorzugehen. Eine Abmahnung liege vor, der Kläger selbst verweise auf eine Erklärung des beklagten Landes, er müsse mit einer Kündigung rechnen, wenn er nicht von seinem Verhalten Abstand nehme. Im Folgenden habe der Kläger jedoch mit einer erneuten Erklärung per eMail gegenüber der Elternvertreterin und weiteren Stellen an seinen Äußerungen festgehalten. Als weiteren Kündigungsgrund nannte das LAG die beharrliche Weigerung des Klägers, im Schulbetrieb einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen. Das dann vorgelegte, aus dem Internet bezogene Attest eines österreichischen Arztes rechtfertige keine Befreiung. (LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 07.10.2021 – 10 Sa 867/21; Rev. nicht zugelassen)

Abstract: Die außerordentliche Kündigung eines brandenburgischen Lehrers, der die Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes ablehnte, ist wirksam.

Zivilrecht

Keine Minderung der Mietzinszahlung wegen coronabedingter Schließungen
Die Klägerin betrieb in F. als Teil einer bundesweiten Kette ein Sushi-Restaurant. Sie hatte die Räume von dem Beklagten gemietet. Im Zusammenhang mit den hessischen Verordnungen zur Bekämpfung des Corona-Virus konnte das Lokal zeitweilig nicht betrieben werden. Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass sie während der Zeit der behördlichen Beschränkungen nicht zur vollen Mietzinszahlung verpflichtet gewesen ist. Das LG hatte die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg.
Die Klägerin könne nicht Minderung der Miete verlangen. Die Mietsache sei nicht mangelhaft gewesen. Der Vermieter schuldete allein die Möglichkeit, in den überlassenen Räumen einen Geschäftsbetrieb mit dem konkret vereinbarten Zweck führen zu können. Er schuldete dagegen nicht die Überlassung des Betriebs selbst. Das sog. Verwendungsrisiko trage vielmehr der Mieter. Dem Vermieter sei die von ihm geschuldete Leistung auch nicht unmöglich geworden. Er habe weiterhin die Räumlichkeiten in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand überlassen können. Schließlich könne auch keine Herabsetzung des Mietzinses wegen einer schwerwiegenden Störung der Geschäftsgrundlage verlangt werden. Die Folgen der Corona-Pandemie führten zwar zu einer solchen schwerwiegenden Störung. Es könne davon ausgegangen werden, dass die Parteien bei Kenntnis einer solchen Pandemie eine zeitweise Mietminderung vereinbart hätten. Hier sei aber nicht feststellbar, dass der Mieterin unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls das Festhalten am unveränderten Vertrag unzumutbar sei. Zu berücksichtigen sei dabei maßgeblich die vertragliche und/oder gesetzliche Risikoverteilung, wonach das Verwendungsrisiko den Mieter treffe. Beachtlich seien zudem die wirtschaftlichen Verhältnisse beider Vertragsparteien. Hier seien ganz erhebliche Darlehensverpflichtungen auf Seiten des Vermieters mit zu gewichten. Im Ergebnis sei dem Vermieter eine Herabsetzung der Miete nicht zumutbar. (OLG Frankfurt, Urt. v. 17.09.2021 – 2 U 147/20)

Abstract: Die in der hessischen Verordnung zur Bekämpfung des Corona-Virus angeordneten Beschränkungen für Einzelhandelsgeschäfte und Gaststätten begründen weder einen zu Minderung berechtigenden Mangel der Räumlichkeiten noch führen sie zur Unmöglichkeit der vom Vermieter oder Verpächter geschuldeten Leistung.