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WBP NEWS

Online-News für den 15.12.2021

Zivilrecht

Geplante Hochzeitsfeier wegen Corona nicht durchführbar – Kündigung der Location
Ein Paar hatte vor Beginn der Corona-Pandemie ein Schloss für seine Hochzeit im August 2020 gemietet. Geplant war eine Feier mit bis zu 120 Personen. Der Mietpreis betrug netto 5.000 € zuzüglich weiterer Kosten. Aufgrund der dann geltenden Corona-Verordnung waren Hochzeitsfeiern aber nur noch mit höchstens 50 Personen zulässig. Im Juli 2020 erklärte das Paar, seine Hochzeit nicht in dem Schloss zu feiern. Der Vermieter verlangte die vereinbarte Miete.
Das OLG hat dieser Klage nur zum Teil stattgegeben. Auch wenn der Mietvertrag streng genommen trotz der damals geltenden Corona-Verordnung hätte durchgeführt werden können, war dies dem Paar nicht zumutbar. Aufgrund des Infektionsgeschehens habe zumindest ein signifikantes medizinisches Risiko für die Anwesenden und ihre Kontaktpersonen bestanden. Es sei dem Brautpaar auch nicht zuzumuten gewesen, zu einem späteren Zeitpunkt zu feiern. Die Durchführung einer Hochzeitsveranstaltung stelle sich aus Sicht der Heiratenden als ein ganz besonderes einmaliges Ereignis dar, welches nicht ohne Weiteres verlegbar sei. Deshalb sei die sog. Geschäftsgrundlage für den Mietvertrag entfallen und das Paar habe wirksam kündigen können. Der Vermieter geht allerdings nicht völlig leer aus. Nach richterlichem Ermessen hat das OLG die Vertragsbeziehung an die geänderte Sachlage angepasst und dem Vermieter eine Ausgleichszahlung in Höhe von insgesamt 2.000 € zugesprochen. Dabei hat er berücksichtigt, dass in dem Vertrag bereits eine „Verwaltungspauschale“ mit 850 € beziffert war. OLG Celle, Urt. v. 02.12.2021 – 2 U 64/21; Rev. zugel.)

Abstract: Da aufgrund der Corona-Pandemie das Infektionsgeschehen zumindest ein signifikantes medizinisches Risiko für die einer Hochzeitsgesellschaft und ihrer Kontaktpersonen bestand, war die Geschäftsgrundlage für einen Mietvertrag, der zur Anmietung eines Schlosses für die Feier geschlossen worden war, entfallen, sodass der Vertrag gekündigt werden konnte. Der Vermieter erhält eine Ausgleichszahlung, die nach richterlichem Ermessen beziffert wurde.

Verwaltungsrecht

SCHUFA-Negativeintrag trotz getilgter Forderung
Gegenstand des Verfahrens ist das Begehren des Klägers, einen Negativeintrag bei der SCHUFA Holding AG zu löschen. Die SCHUFA ist eine private Wirtschaftsauskunftei. Der Kläger geriet mit einem Kreditkartenkonto in Zahlungsschwierigkeiten. Die Bank beauftragte nach der Kündigung dieses Kontos ein Inkassounternehmen mit der Eintreibung der Forderung. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob eine Ratenzahlungsvereinbarung mit dem Inkassounternehmen getroffen wurde. Jedenfalls entrichtete der Kläger in der Folge eine Teilzahlungsgebühr und zahlte die Raten vollständig. Parallel dazu meldete das Inkassounternehmen die Zahlungsschwierigkeiten an die SCHUFA. Nachdem der Kläger in einem Rechtsstreit vor einem Zivilgericht mit der Bank einen entsprechenden Vergleich geschlossen hatte, widerrief das Inkassounternehmen den Negativeintrag gegenüber der SCHUFA. Diese nahm jedoch keine Löschung des Eintrags vor. Der Kläger wandte sich in Bezug auf die von ihm begehrte Löschung an den Hessischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit als Aufsichtsbehörde. Dieser lehnte das Begehren des Klägers jedoch ab.
Das VG hat der Klage stattgegeben und den Hessischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit dazu verpflichtet, auf die Löschung des Negativeintrages bei der SCHUFA hinzuwirken. Der Kläger habe einen Anspruch auf aufsichtsbehördliches Einschreiten. Ein solcher Anspruch sei dann gegeben, wenn – wie hier – die Datenverarbeitung rechtswidrig sei und die rechtswidrig gespeicherten Daten zu löschen seien. Es bestünden bereits erhebliche Zweifel daran, ob Inkassounternehmen Einmeldungen an Wirtschaftsauskunfteien ohne gesonderte Beauftragung durch ihren Auftraggeber, hier die Bank, vornehmen dürfen. Die Datenverarbeitung habe nur im Rahmen der Weisung der Bank zu erfolgen. Eine Beauftragung zur Meldung bei der SCHUFA ergebe sich nicht aus der allgemeinen Beauftragung zur Forderungseintreibung. Jedenfalls sei die Eintragung deshalb rechtswidrig, da der Kläger und das Inkassounternehmen für die Bank eine Ratenzahlungsvereinbarung getroffen hätten und deshalb die Forderung nicht mehr fällig gewesen sei. Der Abschluss eines Ratenzahlungsvertrages führe zu einem vereinbarten Zahlungsaufschub. Die Bank und das Inkassounternehmen müssten den Fälligkeitsaufschub auch dann akzeptieren, wenn die Ratenzahlungsabrede zwar mangels Schriftform unwirksam sei, der Schuldner aber gleichwohl darauf leiste. Ein diesbezüglicher Negativeintrag bei einer Wirtschaftsauskunftei führe zu einer unrechtmäßigen Datenverarbeitung. Die SCHUFA habe hierbei keinen eigenständigen Beurteilungsspielraum, welcher sie ermächtigen würde, die Einmeldevoraussetzungen selbst zu bestimmen. Insofern komme es auch nicht auf die sogenannten Codes of Conduct, die „Verhaltensregeln für die Prüf- und Löschfristen von personenbezogenen Daten durch die deutschen Wirtschaftsauskunfteien vom 25.05.2018“ des Verbandes „Die Wirtschaftsauskunfteien e.V.“ an. (VG Wiesbaden, Urt. v. 02.12.2021 – 6 K 549/21; Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt)

Abstract: Ein SCHUFA-Negativeintrag , der durch ein Inkassounternehmen gemeldet wurde und der auf einer Forderung beruht, die der Schuldner durch Ratenzahlung tilgte, ist rechtswidrig und zu löschen.

Arbeitsrecht

Betriebliche Altersversorgung – Auslegung einer Versorgungsordnung
Die Klägerin war mit einem ehemaligen Arbeitnehmer der Beklagten verheiratet. Die Ehe wurde nach seinem vorzeitigen Ausscheiden mit einer gesetzlich unverfallbaren Anwartschaft bei der Beklagten, aber vor dem Bezug einer Altersrente geschlossen. Bei der Beklagten gilt eine Betriebsvereinbarung, die eine Witwen-/Witwerrente vorsieht. Diese entfällt danach, wenn „die Ehe zum Zeitpunkt des Ablebens des Anwärters geschieden ist“ oder wenn sie „erst nach Beginn der Altersrentenzahlung geschlossen wurde“. Die Beklagte meint, eine Witwenrente sei darüber hinaus ausgeschlossen, wenn die Ehe nach vorzeitigem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis, aber vor dem Beginn der Altersrentenzahlung eingegangen wurde. Sie verweigert daher die Zahlung einer Witwenrente an die Klägerin. Das ArbG hat der Klage im Grundsatz stattgegeben, das LGA hat auf die Berufung der Beklagten die Klage insgesamt abgewiesen.
Die Revision der Klägerin hatte im Wesentlichen Erfolg. Die Klägerin hat Anspruch auf eine Witwenrente. Versorgungsregelungen, die eine Hinterbliebenenversorgung ausschließen oder beschränken sollen, sind hinreichend klar zu fassen. Enthalten die Versorgungsbestimmungen ausdrückliche Ausschlusstatbestände, nicht jedoch für den Fall, dass die Ehe nach dem vorzeitigen Ausscheiden, aber vor dem Beginn der Altersrentenzahlung geschlossen wurde, kann insoweit kein Ausschluss angenommen werden. Aus der gesetzlich unverfallbaren Anwartschaft folgen dann nach dem Ableben des unmittelbar versorgungsberechtigten Arbeitnehmers Ansprüche auf Hinterbliebenenversorgung. (BAG, Urt. v. 02.12.2021 – 3 AZR 212/21)

Abstract: Eine Versorgungsregelung in einer Betriebsvereinbarung, wonach eine Witwen-/Witwerrente entfällt, wenn die Ehe zum Zeitpunkt des Ablebens des Anwärters geschieden ist oder wenn sie erst nach Beginn der Altersrentenzahlung geschlossen wurde, schließt eine Witwen-/Witwerrente nicht aus, wenn die Ehe zwar nach dem vorzeitigen Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis, aber vor dem Beginn des Altersrentenbezugs geschlossen wurde.

Zivilrecht

Corona als Naturkatastrophe
Der Kläger schloss bei der Beklagten am 27.01.2020 eine Reiserücktrittsversicherung ab, die auch eine Reiseabbruchsversicherung beinhaltete. Nach den Versicherungsbedingungen gewährt die Beklagte Versicherungsschutz für die Mehrkosten einer nicht planmäßigen Rückreise, wenn am Urlaubsort eine Naturkatastrophe herrscht. Der Kläger buchte am 04.03.2020 für sich und einen Mitreisenden eine Reise nach Sri Lanka vom 07.03.2020 bis 29.03.2020. Die Fluggesellschaft strich am 24.03.2020 aufgrund der durch das Coronavirus SARS-CoV-2 hervorgerufenen Reisebeschränkungen den Rückflug. Daraufhin buchte der Kläger für sich und seinen Begleiter Rückflüge für den 27.03.2020 von Colombo nach Zürich. Die insoweit entstandenen Kosten in Höhe von 3.610 € stellte der Kläger dem Reiseversicherer in Rechnung. Der Kläger meint, bei der Corona-Pandemie handele es sich um eine Naturkatastrophe, sodass der Versicherer die Mehrkosten zu tragen habe. Die hohen Kosten für die Ersatzflüge seien darauf zurückzuführen, dass es sich bei diesen – vor der Schließung des örtlichen Flughafens – um die einzig verbliebene Rückreisemöglichkeit gehandelt habe. Die Beklagte ist der Auffassung, die versicherten Risiken seien in den Versicherungsbedingungen abschließend aufgezählt worden. Eine Pandemie als versichertes Ereignis sei gerade nicht genannt worden. Das AG gab der Beklagten Recht. „(…) Bei der Corona-Pandemie handelt es sich mangels unmittelbarer physischer Auswirkungen, lokalem Auftreten und zeitlicher Eingrenzung um keine typische Naturkatastrophe. (…) Auswirkungen auf die Umwelt, insbesondere das öffentliche Leben, treten vermittelt durch staatliche Schutzmaßnahmen ein, bei denen es sich um politische Ermessensakte handelt. Bei Auswirkungen durch staatliche Maßnahmen liegt begrifflich aber keine Naturkatastrophe vor, da diese höchst unterschiedlich ausfallen können. Die Auswahl der Schutzmaßnahmen folgt weltweit verschiedenen Ansätzen. Schutzkonzepte wurden im Laufe der Zeit geändert und angepasst. In Ländern mit strengen Schutzkonzepten sind die Auswirkungen auf das öffentliche Leben stärker spürbar als in Ländern, die weniger strenge Ansätze verfolgen. Kennzeichnend für eine Naturkatastrophe ist aber, dass sie an jedem Ort die gleichen Auswirkungen hätte. (…) Auch in zeitlicher Hinsicht unterscheidet sich die Corona-Pandemie von einer Naturkatastrophe. Bei dieser besteht die Gefahrenquelle typischerweise für einen nur begrenzten Zeitraum von maximal einigen Wochen. (…) Die Gefahr durch das Coronavirus besteht aber bereits um ein vielfältiges länger und wird auch aufgrund seiner dezentralen Entwicklung noch länger eine Gefahr darstellen. (…) Dieses Ergebnis wird auch durch Erwägungen zur Rechtssicherheit gestützt (…). Naturgemäß schwankende Infektionszahlen und sich dem anpassende Schutzmaßnahmen werfen die Abgrenzungsfrage auf, ab welchem Grad die Schwelle zur Naturkatastrophe überschritten würde. (…) Infektionszahlen und Schutzmaßnahmen entwickeln sich an verschiedenen Orten unterschiedlich, sodass dasselbe Ereignis teilweise als Naturkatastrophe einzustufen wäre und teilweise nicht. (…) Mangels Vorliegen eines versicherten Ereignisses besteht mithin kein Ersatzanspruch gegen die Beklagte.“ (AG München, Urt. v. 20.05.2021 – 275 C 23753/20; rkr.)

Abstract: Eine Reiseabbruchsversicherung haftet bei coronabedingter Annullierung eines gebuchten Fluges nicht für die Kosten eines Ersatzfluges.