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WBP NEWS

Online-News für den 01.07.2022

Zivilrecht

Schadenersatz nach plötzlich hochgeklappter Motorhaube
Als zwei Fahrerinnen mit dem Auto auf die Stadtautobahn auffuhren, klappte auf einmal die Motorhaube hoch und die Sicht war versperrt. Geistesgegenwärtig konnten die beiden auf den Seitenstreifen fahren. Personenschaden gab es keinen. Aber das Fahrzeug hatte einen Totalschaden. Kurz zuvor war der Ehemann der Fahrerin beim „TÜV“ gewesen und hatte die orangene Plakette erhalten. Er verklagte das Land Niedersachsen vor dem LG auf Schadenersatz. Das LG wies die Klage ab und argumentierte, ein Verschulden des TÜV-Prüfers stehe nicht fest. Der Prüfer hatte vor Gericht ausgesagt, er kontrolliere nach der Prüfung des Motors stets standardmäßig, dass die Motorhaube wieder ordnungsgemäß einraste. Warum die Motorhaube letztlich hochgeklappt sei, könne nicht mehr festgestellt werden.
Der Kläger hatte mit seiner Berufung gegen dieses Urteil beim OLG jetzt Erfolg. Nach den Ausführungen des gerichtlich hinzugezogenen Sachverständigen stehe fest, dass die Motorhaube nicht ordnungsgemäß verriegelt gewesen sei. Der ganze Schließmechanismus sei entfettet und trocken gewesen, was dazu geführt habe, dass das Schloss nicht richtig arretiert habe. Offenbar habe der Prüfer die Arretierung der Motorhaube nicht sichergestellt. Eine andere Schadensursache komme nicht in Frage. Insbesondere könne ausgeschlossen werden, dass der Kläger oder seine Frau die Motorhaube nach der TÜV-Untersuchung geöffnet und sodann nicht wieder richtig verschlossen hätten. Für sie hätte so kurz nach dem TÜV auch keine Verpflichtung bestanden, das Auto noch einmal zu kontrollieren. Der Kläger müsse sich daher auch kein Mitverschulden anrechnen lassen. Der Kläger erhält nach dem Richterspruch Ersatz für den Totalschaden. Außerdem muss das Land Niedersachsen ihm die Rechtsanwaltskosten ersetzen. (OLG Oldenburg, Urt. v. 03.06.2022 – 6 U 31/22)

Abstract: Wenn der TÜV-Prüfer beim Verschließen der Motorhaube nicht sorgsam gehandelt hat und sich die Motorhaube während der Fahrt öffnet und dadurch ein Schaden entsteht, haftet für den Schaden das Bundesland.

Steuerrecht

Kein Betriebsausgabenabzug für bürgerliche Kleidung
Die Kläger waren als selbständige Trauerredner tätig. Bei der Gewinnermittlung machten sie Aufwendungen u.a. für schwarze Anzüge, Blusen und Pullover als Betriebsausgaben geltend. Das Finanzamt und das Finanzgericht (FG) lehnten die steuerliche Berücksichtigung dieser Aufwendungen ab.
Der BFH bestätigte, dass Aufwendungen für Kleidung als unverzichtbare Aufwendungen der Lebensführung nach § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG grundsätzlich nicht abziehbar sind. Sie sind nur dann als Betriebsausgaben zu berücksichtigen, wenn es sich um Aufwendungen für typische Berufskleidung i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 EStG handelt. Schwarze Anzüge, Blusen und Pullover fallen nicht hierunter, da es sich um bürgerliche Kleidung handelt, die auch privat getragen werden kann. Für diese ist kein Betriebsausgabenabzug zu gewähren, selbst wenn die Kleidung ausschließlich bei der Berufsausübung benutzt oder das Tragen von schwarzer Kleidung von den Trauernden erwartet wird. Aus anderen Gründen verwies der BFH die Sache an das FG zurück. (BFH, Urt. v. 16.03.2022 – VIII R 33/18)

Abstract: Ein Betriebsausgabenabzug für bürgerliche Kleidung scheidet auch dann aus, wenn diese bei der Berufsausübung getragen wird.

Arbeitsrecht

Kein Wiedereinstellungsanspruch in der Insolvenz
Der Kläger war bei einem Betten- und Matratzenhersteller mit rund 300 Arbeitnehmern beschäftigt. Dieser kündigte das Arbeitsverhältnis wirksam zum 31.07.2019 wegen Betriebsstilllegung. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, noch während der Kündigungsfrist sei ein Betriebsübergang auf die spätere Schuldnerin beschlossen und am 01.08.2019 vollzogen worden. Er nahm deshalb die spätere Schuldnerin, die etwa 20 Arbeitnehmer beschäftigte, auf Wiedereinstellung in Anspruch. Gegen eine von der späteren Schuldnerin erklärte vorsorgliche Kündigung erhob er fristgerecht Kündigungsschutzklage. Während des Berufungsverfahrens wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Das Verfahren wurde dadurch unterbrochen. Der Kläger erklärte mit Schriftsatz vom 29.06.2020 die Aufnahme des Verfahrens. Der Beklagte widersprach der Aufnahme. Das LAG hat mit Zwischenurteil festgestellt, dass das Verfahren weiterhin unterbrochen ist.
Die Revision des Klägers hatte aus prozessualen Gründen Erfolg. Der richterrechtlich entwickelte Wiedereinstellungsanspruch kommt zum Tragen, wenn sich die bei Zugang der Kündigung noch zutreffende Prognose des Arbeitgebers, der Beschäftigungsbedarf werde bei Ablauf der Kündigungsfrist entfallen, als fehlerhaft erweist, etwa weil es zu einem Betriebsübergang kommt. Zwar besteht ein solcher Anspruch in der Insolvenz nicht, so dass der Rechtsstreit an sich nicht nach § 240 ZPO unterbrochen wird. Wird jedoch mit dem Wiedereinstellungsanspruch – wie im vorliegenden Fall – zugleich die Wirksamkeit einer Kündigung angegriffen, führt das zur Unterbrechung auch bezüglich des Streits über die Wiedereinstellung. Umgekehrt hat die Aufnahme des Kündigungsrechtsstreits, für die es nach § 86 Abs. 1 Nr. 3 InsO genügt, dass bei Obsiegen des Arbeitnehmers Masseverbindlichkeiten entstehen können, auch die Aufnahme des Streits über die Wiedereinstellung zur Folge. (BAG, Urt. v. 25.05.2022 – 6 AZR 224/21)

Abstract: In der Insolvenz des Arbeitgebers besteht kein Wiedereinstellungsanspruch des Arbeitnehmers. Ist ein solcher Anspruch vor Insolvenzeröffnung bereits gegenüber dem Schuldner entstanden, erlischt er mit Insolvenzeröffnung. Die Insolvenzordnung bindet durch § 108 Abs. 1 InsO den Insolvenzverwalter nur an bereits vom Schuldner begründete Arbeitsverhältnisse, kennt jedoch keinen Kontrahierungszwang des Insolvenzverwalters. Einen solchen Zwang kann nur der Gesetzgeber anordnen.

Zivilrecht

Rückbau eines hohen Kreuzes in einer WEG
Die Berufung einer Rentnerin, die in ihrem Garten ein etwa sieben Meter hohes Holzkreuz aufgestellt hat, wurde zurückgewiesen. Ihre Nachbarin lebte mit ihr in einer WEG und fühlte sich durch das Kreuz gestört. Sie erhob Klage vor dem AG und verlangte, dass die Beklagte das Kreuz wieder beseitigt. Die Klage war erfolgreich.
Die Beklagte legte gegen das Urteil Berufung ein. Das LG entschied, dass das AG die Beklagte zu Recht zur Beseitigung des Kreuzes verpflichtet habe. Es handele sich bereits aufgrund der massiven Höhe um eine optische Beeinträchtigung der Wohnanlage. Auf einen vernünftigen Betrachter wirke das Kreuz wie ein störender Fremdkörper. Es führe nämlich dazu, dass der Garten sein Erscheinungsbild als Garten in weiten Teilen verliere und stärker die Züge einer Gedenkstätte annehme. Für die Klägerin sei das Kreuz auch deutlich sichtbar. Das Gericht war nach der durchgeführten Beweisaufnahme schließlich nicht davon überzeugt, dass die Klägerin – wie die Beklagte zuvor behauptet hatte – in die Errichtung des Kreuzes eingewilligt hatte. (LG Düsseldorf, Urt. v, 22.06.2022 – 25 S 56/21)

Abstract: Bei einem sieben Meter hohen Kreuz im Garten einer Wohnanlage handelt sich bereits aufgrund der massiven Höhe um eine optische Beeinträchtigung der Wohnanlage. Auf einen vernünftigen Betrachter wirkt das Kreuz wie ein störender Fremdkörper, denn der Garten verliert sein Erscheinungsbild als Garten und nimmt stärker die Züge einer Gedenkstätte an.

Verordnung über die Einrichtung und Führung des Gesellschaftsregisters

Für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) existiert bislang kein eigenes öffentliches Register

Der Rechtsverkehr kann die Existenz, Identität und ordnungsgemäße Vertretung der GbR nicht mit derselben Zuverlässigkeit feststellen wie etwa bei einer offenen Handelsgesellschaft, einer Kommandit- oder einer Partnerschaftsgesellschaft. Zudem erfolgt weder bei der Gründung einer GbR noch bei Veränderungen im Laufe ihres „Lebenszyklus“ (etwa bei Gesellschafterwechsel, Sitzverlegung, Änderung der Vertretungsbefugnisse) eine vorgeschaltete Prüfung durch den Notar oder das Registergericht, etwa hinsichtlich der Identität und Geschäftsfähigkeit der Beteiligten. Dies wird den Bedürfnissen des Rechts- und Wirtschaftsverkehrs, der auf Rechtssicherheit und verlässliche Informationen über Gesellschaften, die beispielsweise durch Beteiligung am Grundstücksverkehr oder den Erwerb von Gesellschaftsanteilen tätig sind, angewiesen ist, nicht mehr gerecht.
Aus diesen Gründen führt das Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz vom 10.08.2021 (BGBl. I S. 3436, im Folgenden: MoPeG) zum 01.01.2024 ein Gesellschaftsregister ein, das sich in Funktion und Inhalt eng an das Handels- und das Partnerschaftsregister anlehnt. Den Gesellschaftern steht es danach grundsätzlich frei, ob sie ihre Gesellschaft zur Eintragung ins Gesellschaftsregister anmelden. Die Eintragung ist aber Bedingung für wirtschaftlich bedeutsame Transaktionen (etwa den Erwerb eines Grundstücks durch die GbR), womit ein erhöhter Anreiz für die Eintragung der GbR ins Gesellschaftsregister besteht. Die Verordnung hat zum Ziel, die Vorgaben des MoPeG zur Schaffung eines Gesellschaftsregisters umzusetzen.