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WBP NEWS

Online-News für den 15.08.2022

Zivilrecht

Verblasste Parkberechtigung – wer trägt die Auto-Abschleppkosten?
Der Kläger ist berechtigt, Sonderparkplätze für Schwerbehinderte zu nutzen. Im Jahr 2020 erhielt er zum Nachweis dieser Berechtigung von der Stadt B., der Beklagten, einen Parkausweis, den er an der Windschutzscheibe seines Autos befestigte. Am 07.07.2021 stellte der Kläger sein Auto auf einem Schwerbehinderten vorbehaltenen Parkplatz ab. Zu diesem Zeitpunkt war kein Dienstsiegel der Beklagten auf dem Parkausweis erkennbar. Wegen des fehlenden Stempels ließ das Ordnungsamt den Wagen abschleppen und stellte dem Kläger dafür Kosten i.H.v. 259,94 € in Rechnung. Der Kläger vertrat im Prozess die Auffassung, die beklagte Stadt müsse die Kosten für das Abschleppen und seine Anwaltskosten übernehmen. Sie habe ihm einen mangelhaften Ausweis ohne Stempel ausgestellt. Wenn ursprünglich ein Stempel existiert habe, sei er viel zu rasch verblasst, weil die Stadt eine falsche Stempelfarbe verwendet habe. Daher sei die Beklagte für das Geschehen verantwortlich. Diese verweigerte die Kostenübernahme. Sie argumentierte, der Parkausweis sei bei Übergabe mit einem gut sichtbaren Dienstsiegel versehen gewesen, das offenbar durch das Sonnenlicht verblasst sei. Es sei eigens beschaffte, angeblich lichtbeständige Stempelfarbe verwendet worden. Wenn der Kläger den Ausweis der direkten Sonneneinstrahlung ausgesetzt habe und dadurch der Stempel verschwunden sei, habe er sich rechtzeitig um eine Erneuerung kümmern müssen.
Das Gericht hat die Klage abgewiesen. Nach einer Vernehmung der Ehefrau des Klägers und eines Mitarbeiters der Stadtverwaltung B. zeigte es sich überzeugt, dass der Parkausweis zunächst ordnungsgemäß gestempelt war. Der Beklagten könne auch nicht vorgeworfen werden, dass die Stempelfarbe anschließend innerhalb weniger Monate im Sonnenlicht so verblichen sei, dass das Siegel nicht mehr erkennbar war. Die Behörde müsse die Stempel so anbringen, dass sie bei Ausstellung des Ausweises leserlich seien. Wenn der Aufdruck später durch die Sonne verblasse, falle das in den Verantwortungsbereich des Bürgers. Es stelle – so das Gericht weiter – keine Pflichtverletzung dar, wenn die Behörde keine lichtbeständige Farbe verwende. Der Kläger habe selbst dafür sorgen müssen, dass der unleserlich gewordene Parkausweis erneuert werde. Das habe er bei in der Vergangenheit verblichenen Stempeln auch bereits mehrfach so gehandhabt. Und spätestens nach einem Hinweis des Ordnungsamtes der Stadt K. im April 2021 sei ihm bekannt gewesen, dass der Ausweis nicht mehr in Ordnung war. Auch wegen dieses weit überwiegenden Mitverschuldens müsse der Kläger in jedem Fall die Abschleppkosten allein tragen. (LG Koblenz, Urt. v. 04.07.2022 – 1 O 328/21; rkr)

Abstract: Der Autofahrer trägt die Kosten, wenn ein Auto abgeschleppt wird, weil der Stempel auf der Parkberechtigung durch die Sonneneinstrahlung verblichen ist.

Steuerrecht

Kein Wegfall der Erbschaftsteuerbefreiung bei unzumutbarer Selbstnutzung des Familienheims
Die Klägerin hatte mit ihrem Ehemann ein Einfamilienhaus bewohnt und wurde nach dessen Tod aufgrund Testaments Alleineigentümerin. Nach knapp zwei Jahren veräußerte sie das Haus und zog in eine Eigentumswohnung. Die Klägerin berief sich gegenüber dem Finanzamt und dem Finanzgericht (FG) erfolglos darauf, sie habe wegen einer depressiven Erkrankung, die sich nach dem Tod ihres Ehemannes gerade durch die Umgebung des ehemals gemeinsam bewohnten Hauses verschlechtert habe, dieses auf ärztlichen Rat verlassen. Das FG war der Ansicht, es habe keine zwingenden Gründe für den Auszug gegeben, da der Klägerin nicht die Führung eines Haushalts schlechthin unmöglich gewesen sei. Der BFH hat das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen. Grundsätzlich setzt die Steuerbefreiung gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG voraus, dass der Erbe für zehn Jahre das geerbte Familienheim selbst nutzt, es sei denn, er ist aus „zwingenden Gründen“ daran gehindert. „Zwingend“ erfasse nicht nur den Fall der Unmöglichkeit, sondern auch die Unzumutbarkeit der Selbstnutzung des Familienheims. Diese könne auch gegeben sein, wenn der Erbe durch den Verbleib im Familienheim eine erhebliche Beeinträchtigung seines Gesundheitszustands zu gewärtigen habe. Das FG hat deshalb im zweiten Rechtsgang, ggf. mit Hilfe ärztlicher Begutachtung, die geltend gemachte Erkrankung einschließlich Schwere und Verlauf zu prüfen. (BFH, Urt. v. 01.12.2021 – II R 1/21)

Abstract: Zieht der überlebende Ehepartner aus dem geerbten Familienheim aus, weil ihm dessen weitere Nutzung aus gesundheitlichen Gründen unmöglich oder unzumutbar ist, entfällt die ihm beim Erwerb des Hauses gewährte Erbschaftsteuerbefreiung nicht rückwirkend.

Arbeitsrecht

Annahmeverzug nach Vorlage eines negativen Corona-Tests
Der Kläger ist als Leiter der Nachtreinigung bei der Beklagten, die am Standort Berlin Lebensmittel für den Handel produziert, beschäftigt. Die Beklagte erstellte zum Infektionsschutz ein Hygienekonzept, das für Arbeitnehmer, die aus einem vom RKI ausgewiesenen Risikogebiet zurückkehren, eine 14-tägige Quarantäne mit Betretungsverbot des Betriebs ohne Entgeltanspruch anordnet. Die SARS-CoV-2-Eindämmungsmaßnahmen-verordnung des Landes Berlin vom 16.06.2020 sah nach Einreise aus einem Risikogebiet grundsätzlich eine Quarantänepflicht für einen Zeitraum von 14 Tagen vor. Diese sollte jedoch nicht für Personen gelten, die über ein ärztliches Attest nebst aktuellem Laborbefund verfügen, der ein negatives Ergebnis eines PCR-Tests ausweist, der höchstens 48 Stunden vor Einreise vorgenommen wurde, und die keine Symptome einer COVID-19-Erkrankung aufweisen. Der Kläger reiste während des ihm erteilten Urlaubs vom 11.08. bis zum 14.08.2020 wegen des Todes seines Bruders in die Türkei, die zu dieser Zeit als Corona-Risikogebiet ausgewiesen war. Vor der Ausreise aus der Türkei unterzog er sich einem Corona-PCR-Test, der ebenso wie der erneute Test nach Ankunft in Deutschland negativ war. Der Arzt des Klägers attestierte ihm Symptomfreiheit. Die Beklagte verweigerte dem Kläger für die Dauer von 14 Tagen den Zutritt zum Betrieb und zahlte keine Arbeitsvergütung. Mit seiner Klage hat der Kläger Vergütung wegen Annahmeverzugs i.H.v. 1.512,47 € brutto verlangt. Er hat geltend gemacht, die Beklagte habe zu Unrecht die Annahme seiner Arbeitsleistung verweigert. Das LAG hat der Klage stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat richtig erkannt, dass sich die Beklagte mit der Annahme der vom Kläger angebotenen Arbeitsleistung in Annahmeverzug befand. Das von
ihr erteilte Betretungsverbot des Betriebs führte nicht zur Leistungsunfähigkeit des Klägers (§ 297 BGB), weil die Ursache der Nichterbringung der Arbeitsleistung von der Beklagten selbst gesetzt wurde. Dass ihr die Annahme der Arbeitsleistung des Klägers aufgrund der konkreten betrieblichen Umstände unzumutbar war, hat sie nicht dargelegt. Die Weisung, dem Betrieb für die Dauer von 14 Tagen ohne Fortzahlung des Arbeitsentgelts fernzubleiben, war außerdem unbillig (§ 106 GewO) und daher unwirksam. Die Beklagte hat dem Kläger nicht die Möglichkeit eröffnet, durch einen weiteren PCR-Test eine Infektion weitgehend auszuschließen. Hierdurch hätte sie den nach § 618 Abs. 1 BGB erforderlichen und angemessenen Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer erreichen und einen ordnungsgemäßen Betriebsablauf sicherstellen können. (BAG, Urt. v. 10.08.2022 – 5 AZR 154/22)

Abstract: Erteilt der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer, der aus einem SARS-CoV-2-Risikogebiet zurückkehrt, ein 14-tägiges Betretungsverbot für das Betriebsgelände, obwohl der Arbeitnehmer entsprechend den verordnungsrechtlichen Vorgaben bei der Einreise aufgrund der Vorlage eines aktuellen negativen PCR-Tests und eines ärztlichen Attests über Symptomfreiheit keiner Absonderungspflicht (Quarantäne) unterliegt, schuldet der Arbeitgeber grundsätzlich Vergütung wegen Annahmeverzugs.

Zivilrecht

Schmerzensgeld nach Fahrradsturz
Wegen eines Fahrradsturzes erhält ein Mann aus dem Landkreis Osnabrück jetzt Schmerzensgeld in Höhe von 6.300 € und Schadensersatz in Höhe von rund 250 €. Der 72-jährige Kläger war mit seinem Pedelec unterwegs. Der Beklagte hielt sich am Straßenrand auf und rief seinen Hund, der sich auf der anderen Straßenseite befand. Der Hund des Beklagten lief daraufhin auf die Straße und auf den Kläger zu. Dieser hielt an und kam dabei zu Fall und verletzte sich. Er brach sich das Schlüsselbein und musste an der Schulter operiert werden. Darüber hinaus verlor er die Greiffunktion der rechten Hand, die allerdings vor dem Sturz bereits beeinträchtigt war. Er verklagte den Hundebesitzer.
Das LG urteilte, dass ein Fahrradfahrer zwar grundsätzlich in der Lage sein müsse, sein Pedelec abzubremsen, einem Hindernis auszuweichen oder sicher abzusteigen. Die unzulängliche Reaktion des Klägers wiege allerdings angesichts der durch den Hund ausgelösten Reaktion nicht so schwer, dass der Pedelec-Fahrer allein für den Unfall verantwortlich zu machen sei. Das Verhalten des Hundes sei für den Unfall kausal geworden, es habe sich hierin eine typische Tiergefahr realisiert. Dies führe zu einer hälftigen Haftung. Das OLG hat die Berufung des Hundehalters gegen diese Entscheidung zurückgewiesen. Das LG habe fehlerfrei eine hälftige Haftung angenommen. (OLG Oldenburg, Hinweisbeschl. V. 05.04.2022 und Beschl. v. 10.05.2022 – 13 U 199/21)

Abstract: Ein Fahrradfahrer muss zwar grundsätzlich in der Lage sein, sein Pedelec abzubremsen, einem Hindernis auszuweichen oder sicher abzusteigen. Bei einer durch einen Hund ausgelösten Reaktion wiegt das nicht so schwer, dass der Pedelec-Fahrer allein für den Unfall verantwortlich zu machen sei. Das Verhalten des Hundes ist für den Unfall kausal geworden. Die typische Tiergefahr hat sich realisiert.

Online- Gründung einer GmbH oder UG (haftungsbeschränkt) ab 01.08.2022 möglich
Der Deutsche Bundestag hat das Gesetz zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie („DiRUG“) verabschiedet. Damit ist seit dem 01.08.2022 u.a. die grenzüberschreitende Vereinfachung der Gründung von Gesellschaften durch den Einsatz digitaler Hilfsmittel vereinfacht worden. Jede Person hat jetzt die Möglichkeit, eine GmbH oder UG (haftungsbeschränkt) auch online zu gründen. Die immer noch erforderliche notarielle Beurkundung der Gesellschaftsgründung geschieht unter Verwendung eines von der BNotK bereitgestellten und gesicherten Videokommunikationssystem virtuell. Die benötigten Willenserklärungen werden hierüber beurkundet. Die Unterzeichnung der Gründungsdokumente durch die Gesellschafter erfolgt per qualifizierter elektronischer Signatur. Andere Beschlüsse (Kapitalerhöhungen, Satzungsänderungen etc.) können noch nicht online beurkundet werden. Für die Gründung ist der Notar zuständig, in dessen Amtsbereich sich der zukünftige Gesellschaftssitz oder (Wohn-)Sitz eines Gesellschafters befindet. Die Onlinegründung ist nur für reine Bargründungen möglich.