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WBP NEWS

Online-News für den 15.03.2024

Zivilrecht

Eine Steuerermäßigung und ihre Folgen
Ein Steuerberater prüfte für einen Mann einen Steuerbescheid, wonach der Mann Steuern nachzahlen sollte. Das Finanzamt hatte einen speziellen ermäßigten Steuersatz angewendet, der nur einmal im Leben genutzt werden kann. Allerdings hatte der Mann diesen speziellen Steuersatz gar nicht beantragt. Der Steuerberater empfahl ihm, nicht gegen den Bescheid vorzugehen, da sonst eine noch höhere Nachzahlung drohe. Der Mann folgte diesem Rat. Zehn Jahre später beantragte der Mann diesen ermäßigten Steuersatz, aber das Finanzamt lehnte ab. Dieser Steuersatz könne nur einmal im Leben beansprucht werden und sei bereits verbraucht. Rechtsmittel hiergegen blieben ohne Erfolg, der BFH bestätigte die Ansicht des Finanzamts (VIII R 2/19). Vor dem LG verlangt der Mann von dem Steuerberater Schadensersatz. Der Steuerberater habe ihm empfehlen müssen, gegen den Bescheid vorzugehen. Anders sieht es der Steuerberater: er habe nicht wissen können, dass der ermäßigte Steuersatz auch dann verbraucht ist, wenn dieser gar nicht beantragt wurde. Gerichtsentscheidungen habe es dazu noch nicht gegeben. Der ermäßigte Steuerersatz beruhte auf einer Regelung im EstG (§ 34 Abs. 3). Unter bestimmten Voraussetzungen kann die Einkommensteuer bei „außerordentlichen Einkünften“ auf Antrag nach einem ermäßigten Steuersatz bemessen werden. Konkret heißt es (Satz 4): Die Ermäßigung […] kann der Steuerpflichtige nur einmal im Leben in Anspruch nehmen.
Das LG gab dem Mann recht. Der Steuerberater habe den Mann darauf hinweisen müssen, dass der vergünstigte Steuersatz nur einmal im Leben beansprucht werden kann. Das Gesetz regele dies eindeutig. Wegen dieser klaren Regelung habe der Steuerberater über die Gefahr aufklären müssen, dass die Vergünstigung später verbraucht sein könnte, auch wenn sie gar nicht beantragt war. Da er dies versäumt habe, müsse er dem Mann den Schaden von rund 220.000 € ersetzen. (LG Lübeck, Urt. v. 11.01.2024 – 15 O 72/23; nrkr.)

Abstract: Über die Gefahr, dass bestimmte steuerrechtliche Ermäßigungen nur einmal im Leben vom Steuerpflichtigen geltend gemacht werden können und dann für später verbraucht sind, muss ein Steuerberater aufklären, auch wenn es dazu noch keine Gerichtsentscheidung gibt.

Steuerrecht

Erbschaftsteuer bei Berliner Testament
Die Eltern der Klägerin errichteten zunächst ein sog. Berliner Testament. Mit diesem in der Praxis häufig vorkommenden Testament setzten sich die Eltern gegenseitig zu Alleinerben ein, wobei der überlebende Ehegatte über den Nachlass und sein eigenes Vermögen frei verfügen konnte. Als Erben des überlebenden Ehegatten setzten die Eheleute die Klägerin und drei ihrer Schwestern ein. Ein Bruder und eine weitere Schwester wurden enterbt. Überdies enthielt das Testament eine sog. Jastrowsche Klausel. Diese regelte, dass für den Fall, dass eines der Kinder nach dem Tod des zuerst sterbenden Elternteils den Pflichtteil verlangt, dieses Kind auch vom Nachlass des zuletzt sterbenden Elternteils nur den Pflichtteil erhalten soll. Diejenigen Erben, die den Pflichtteil beim Tod des Erstverstorbenen nicht fordern, sollten bei Tod des länger lebenden Ehegatten aus dem Nachlass des Erstverstorbenen ein erst beim Tod des länger lebenden Ehegatten fälliges Vermächtnis in Höhe des Pflichtteils erhalten. Die enterbten Geschwister der Klägerin machten nach dem Tod des erstverstorbenen Vaters ihren Pflichtteil geltend. Die Klägerin erwarb daher beim Tod des Vaters ein entsprechendes Vermächtnis, dass mit dem Tod der Mutter fällig wurde. Nachdem auch die Mutter verstorben war, setzte das Finanzamt gegenüber der Klägerin Erbschaftsteuer für den Erwerb nach der Mutter fest. Das Vermächtnis rechnete es weder dem Erwerb hinzu noch wurde es als Nachlassverbindlichkeit in Abzug gebracht. Die Klägerin war hingegen der Auffassung, das Vermächtnis sei bei ihr doppelt hinzugerechnet worden und deshalb als Nachlassverbindlichkeit abzugsfähig. Das FG wies die Klage als unbegründet zurück.
Der BFH schloss sich dieser Auffassung an und verneinte, dass im Streitfall das Vermächtnis bei der Klägerin doppelt besteuert worden sei. Der Wert des Vermächtnisses wurde zunächst einmal besteuert, nämlich nach dem Tod des Vaters bei der Mutter als dessen Alleinerbin. Da das Vermächtnis zwar damals bereits entstanden war, aber erst bei dem Tod der Mutter fällig wurde, ging der Nachlass des Vaters ungeschmälert, das heißt einschließlich des Vermögens, aus dem das Vermächtnis zu erfüllen war, auf die Mutter über. Die Mutter konnte die Vermächtnisverbindlichkeit bei ihrem Erbe nicht in Abzug bringen, weil sie mangels Fälligkeit diese Schuld nicht zu begleichen hatte. Nach dem Tod der Mutter hatte die Klägerin das jetzt fällig gewordene Vermächtnis zu versteuern. Als Schlusserbin unterlag bei ihr außerdem der Nachlass nach der Mutter der Erbschaftsteuer. Dort konnte sie die dann fällig gewordene Vermächtnisverbindlichkeit als Nachlassverbindlichkeit in Abzug bringen. Das Vermächtnis unterlag bei der Klägerin daher nur einmal der Besteuerung. Dass bezüglich des betagten Vermächtnisses im Ergebnis zweimal Erbschaftsteuer entsteht – einmal (ohne Abzugsmöglichkeit als Nachlassverbindlichkeit) bei der Mutter nach dem Tod des Vaters und ein weiteres Mal bei der Klägerin nach dem Tod der Mutter – ist für die Steuerpflichtigen zwar ungünstig, aus rechtlicher Sicht ist das aber nicht zu beanstanden. Es liegt an der Verwendung der Jastrowschen Klausel, die – um den überlebenden Ehegatten mit ausreichend Liquidität auszustatten – das Vermächtnis zwar bei Tod des Erstverstorbenen anfallen, aber erst bei Tod des länger lebenden Ehegatten fällig werden lässt. (BFH, Urt. v. 11.10.2023 – II R 34/20)

Abstract: Setzen Ehegatten in einem sog. Berliner Testament ein erst später fälliges Vermächtnis für die Kinder aus, die beim Tod des Erstverstorbenen ihren Pflichtteil nicht fordern (sog. Jastrowsche Klausel), kann der überlebende Ehegatte als Erbe des erstversterbenden Ehegatten die Vermächtnisverbindlichkeit nicht als Nachlassverbindlichkeit in Abzug bringen, da das Vermächtnis noch nicht fällig ist. Das berechtigte Kind hat den Erwerb des betagten Vermächtnisses bei dem Tod des länger lebenden Ehegatten zu versteuern. Ist das Kind aufgrund der Anordnung des Berliner Testaments auch Schlusserbe nach dem länger lebenden Ehegatten geworden, kann es bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs von dem überlebenden Ehegatten die dann fällig gewordene Vermächtnisverbindlichkeit als Nachlassverbindlichkeit in Abzug bringen.

Arbeitsrecht

Zu geringer Platz – „Französisches Bett“ ist kein Doppelbett
Ist ein Bett mit einer Breite von 1,40 m ein Doppelbett? Ist es breit genug, um zwei erwachsenen Menschen einen erholsamen Urlaub zu ermöglichen? Das AG hat diese Fragen verneint und entschieden, dass Reisende jedenfalls in einem Hotel, das der Reiseveranstalter selbst mit fünf „Sonnen“ bewertet, für jeden Reisenden mit einem Schlafplatz von mehr als 70 cm Breite rechnen dürfen. Drei erwachsene Personen hatten gemeinsam ein Dreibettzimmer gebucht. Zur Verfügung gestellt wurde ihnen ein Zimmer, das über zwei Betten mit einer Breite von jeweils 1,40 m verfügte. Weil diese Ausstattung nicht der vertraglichen Vereinbarung entsprach, erhalten die beiden Reisenden, die sich ein Bett teilen müssen, nun 15 % des auf sie entfallenden Reisepreises zurück.(AG Hannover, Urt. v. 22.02.2024 – 471 C 6110/23)

Abstract: Eine Ausstattung eines Hotelzimmers mit einem 1,40 m breiten französischen Bett entspricht nicht der vertraglichen Vereinbarung, denn der Schlafplatz ist mit 70 cm zu gering bemessen.

Zivilrecht

Tierhalterhaftung bei Hundestreit
Das Herrchen eines ca. 50 kg schweren Schäferhundmischlings reichte die Leine des Hundes nur kurz an seine Freundin weiter, um sich selbst eine Zigarette zu drehen. Nachdem der Schäferhundmischling in der Folge einen kleineren, ca. 4 kg schweren Yorkshire-Terrier entdeckte, riss er sich samt Leine von der völlig überraschten Freundin los und lief zielgerichtet auf den Kleinhund und dessen Hundehalterin zu. Diese hatte ihren Hund ihrerseits nicht angeleint und sah sich gezwungen, zwischen diesen und den Schäferhund zu treten, ihren Hund sichernd hochzunehmen und den großen Hund abzudrängen. Die Hundehalterin des Yorkshire-Terriers erlitt im Ergebnis dieser Annäherung eine blutende Wunde am Finger ihrer Hand, was in der Folge mit erheblichen Langzeitfolgen wie teilweiser Arbeitsunfähigkeit, der Notwendigkeit des Wechsels des Arbeitsplatzes mit schlechterer Entlohnung, Dauerschmerzen und Einschränkungen im Rahmen der häuslichen Arbeit verbunden war. Ungeklärt blieb, ob die Wunde in Folge eines Bisses des Schäferhundes oder aber durch einen Biss des verängstigten eigenen Tieres beim Hochnehmen verursacht wurde.
Das LG hat der verletzten Hundehalterin einen Anspruch gegen die Freundin des Schäferhundmischlingshalters abgesprochen, weil diese den Schäferhundmischling nur kurz, lediglich aus reiner Gefälligkeit und nicht im Rahmen eines Aufsichtsvertrages an der Leine gehalten hatte. Mit dem plötzlichen Ausreißen habe sie nicht rechnen müssen. Nach der Entscheidung des LG muss dagegen der Hundehalter für das Verhalten seines Schäferhundmischlings und die insoweit verursachten Folgen gerade stehen, denn hätte sich dieser nicht auf die Hundehalterin und deren Kleinhund gestürzt, wäre nichts passiert. Dabei war es für das LG auch unerheblich, ob nun letztlich der Schäferhund oder der kleine Terrier seinerseits zugebissen hatte, denn auch ein solches schreckhaftes Verhalten eines kleineren, sich eines Angriffs ausgesetzten Tieres sei dem Veranlasser als tiertypisches Verhalten zuzurechnen. Sinn und Zweck der Tierhalterhaftung sei der Schutz und die Einstandspflicht vor und für die tendenzielle Unbezähmbarkeit der tierischen Natur als typisches dem Tier innewohnenden Risiko. Da die Halterin des Yorkshire-Terriers allerdings durch das Nichtanleinen und ihr Eingreifen auch ihren eigenen Anteil zum Schadenseintritt beigetragen habe, hafte sie ebenfalls anteilig, wenn auch in geringerem Maße als der Halter des Schäferhundes. Das Gericht hat hier eine Mithaftungsquote von 30 % zu ihren Lasten angenommen. Im Ergebnis ist der Hundehalterin ein Schadensersatzbetrag in Höhe von 8.587,27 € zugesprochen und zudem festgestellt worden, dass der Beklagte Hundehalter für sämtliche weiteren zukünftigen aufgrund des Hundebisses entstehenden materiellen Schäden ersatzpflichtig sein soll. (LG Rostock, Urt. v. 06.02.2024 – 3 O 878/21; nrkr.)

Abstract: Sinn und Zweck der Tierhalterhaftung ist der Schutz und die Einstandspflicht vor und für die tendenzielle Unbezähmbarkeit der tierischen Natur als typisches dem Tier innewohnenden Risiko. Deshalb ist auch mit einem schreckhaften Verhalten eines kleineren, sich eines Angriffs ausgesetzten Tieres sei dem Veranlasser als tiertypisches Verhalten zu rechnen.

Justiz
Das BMJ plant eine Zuständigkeitsverschiebung. Es will die Eingangszahlen der Amtsgerichte wieder erhöhen und dort neue Zuständigkeiten zu schaffen. Zudem soll die Streitwertgrenze von 5.000 auf 8.000 € angehoben werden.