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WBP NEWS

Online-News für den 15.05.2023

Zivilrecht

Makler können Reservierungsgebühren in AGB nicht wirksam vereinbaren
Die Kläger beabsichtigten den Kauf eines von der Beklagten als Immobilienmaklerin nachgewiesenen Grundstücks mit Einfamilienhaus. Die Parteien schlossen einen Maklervertrag und im Nachgang dazu einen Reservierungsvertrag, mit dem sich die Beklagte verpflichtete, das Grundstück gegen Zahlung einer Reservierungsgebühr bis zu einem festgelegten Datum exklusiv für die Kläger vorzuhalten. Die Kläger nahmen vom Kauf Abstand und verlangen von der Beklagten die Rückzahlung der Reservierungsgebühr. Das AG hat die Klage abgewiesen. Das LG hat die Berufung der Kläger zurückgewiesen. Der Reservierungsvertrag sei wirksam. Er stelle eine eigenständige Vereinbarung mit nicht nach den §§ 307 ff. BGB kontrollfähigen Hauptleistungspflichten dar. Der BGH hat die Beklagte auf die Revision der Kläger zur Rückzahlung der Reservierungsgebühr verurteilt. Der Reservierungsvertrag unterliegt der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle, weil es sich dabei nach dem Inhalt der getroffenen Abreden nicht um eine eigenständige Vereinbarung, sondern um eine den Maklervertrag ergänzende Regelung handelt. Dass der Reservierungsvertrag in Form eines gesonderten Vertragsdokuments geschlossen wurde und später als der Maklervertrag zustande kam, steht dem nicht entgegen. Der Reservierungsvertrag benachteiligt die Maklerkunden i.S.v. § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unangemessen und ist daher unwirksam, weil die Rückzahlung der Reservierungsgebühr ausnahmslos ausgeschlossen ist und sich aus dem Reservierungsvertrag weder für die Kunden nennenswerte Vorteile ergeben noch seitens des Immobilienmaklers eine geldwerte Gegenleistung zu erbringen ist. Außerdem kommt der Reservierungsvertrag der Vereinbarung einer erfolgsunabhängigen Provision zugunsten des Maklers gleich. Das widerspricht dem Leitbild der gesetzlichen Regelung des Maklervertrags, wonach eine Provision nur geschuldet ist, wenn die Maklertätigkeit zum Erfolg geführt hat. (BGH, Urt. v. 20.04.2023 – I ZR 113/22)

Abstract: Die in AGB vereinbarte Verpflichtung eines Maklerkunden zur Zahlung einer Reservierungsgebühr ist unwirksam.

Steuerrecht

Keine Steuerermäßigung nach § 35a EStG für Aufwendungen für ein Hausnotrufsystem ohne Sofort-Hilfe
Die Klägerin hatte ihre Wohnung mit einem Hausnotrufsystem ausgestattet. Der mit dem Anbieter geschlossene Vertrag beinhaltete jedoch lediglich die Bereitstellung des Hausnotruf-Geräts und einen 24-Stunden-Bereitschaftsservice. Das Finanzamt berücksichtigte die geltend gemachten Aufwendungen für das Hausnotrufsystem nicht als haushaltsnahe Dienstleistung. Das Finanzgericht gab der Klage allerdings statt. Dies sah der BFH anders. Die Steuerermäßigung nach § 35a EStG könne nur für haushaltsnahe Dienstleistungen in Anspruch genommen werden, die im Haushalt des Steuerpflichtigen erbracht würden. An letzterer Voraussetzung fehle es vorliegend, denn die Klägerin zahle im Wesentlichen für die vom Anbieter des Hausnotrufsystems eingerichtete Rufbereitschaft sowie für die Entgegennahme eines eventuellen Notrufs. Die Rufbereitschaft und die Entgegennahme von eingehenden Notrufen in der Servicezentrale sowie gegebenenfalls die Verständigung Dritter, damit diese vor Ort Hilfe leisten, erfolge jedoch außerhalb der Wohnung der Klägerin und damit nicht in deren Haushalt. Das Urteil grenzt sich von der Entscheidung des BFH betreffend Aufwendungen für ein Notrufsystem in einer Seniorenresidenz ab (Urt. v. 28.01.2016 – VI R 18/14, BFHE 251, 435, BStBl II 2016, 272). Dort erfolgte der Notruf über einen sog. Piepser unmittelbar an eine Pflegekraft, die sodann auch die erforderliche Notfall-Soforthilfe übernahm. (BFH, Urt. v. 15.02.2023 – VI R7/21)

Abstract: Die Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 2 EStG (Ermäßigung der Einkommensteuer um 20 % der Aufwendungen) für ein Hausnotrufsystem kann nicht in Anspruch genommen werden, wenn dieses im Notfall lediglich den Kontakt zu einer 24-Stunden-Servicezentrale herstellt.

Arbeitsrecht

Kündigung einer nicht gegen das Coronavirus geimpften medizinischen Fachangestellten
Die Klägerin arbeitete seit dem 01.02.2021 als medizinische Fachangestellte bei der Beklagten, die ein Krankenhaus betreibt. Die Klägerin wurde auf verschiedenen Stationen in der Patientenversorgung eingesetzt. Sie war nicht bereit, sich einer Impfung gegen SARS-CoV-2 zu unterziehen und nahm entsprechende Impfangebote ihrer Arbeitgeberin nicht wahr. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis innerhalb der Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG mit Schreiben vom 22.07.2021 ordentlich fristgemäß zum 31.08.2021. Hiergegen hat sich die Klägerin mit ihrer Klage gewandt und insbesondere geltend gemacht, die Kündigung verstoße gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB. Vor Wirksamwerden der ab dem 15.03.2022 geltenden Pflicht zur Vorlage eines Impf- oder Genesenennachweises für das Krankenhauspersonal (vgl. § 20a IfSG) sei sie nicht zu einer Impfung verpflichtet gewesen. Das LAG hat die Klage abgewiesen. Die Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Kündigung nicht gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB verstößt. Es fehlt an der dafür erforderlichen Kausalität zwischen der Ausübung von Rechten durch den Arbeitnehmer und der benachteiligenden Maßnahme des Arbeitgebers. Das wesentliche Motiv für die Kündigung war nicht die Weigerung der Klägerin, sich einer Impfung gegen SARS-CoV-2 zu unterziehen, sondern der beabsichtigte Schutz der Krankenhauspatienten und der übrigen Belegschaft vor einer Infektion durch nicht geimpftes medizinisches Fachpersonal. Dabei ist es rechtlich ohne Bedeutung, dass die Kündigung vor Inkrafttreten der gesetzlichen Impfpflicht erklärt worden ist. Auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten bestehen keine Bedenken an der Wirksamkeit der Kündigung. (BAG, Urt. v. 30.03.2023 – 2 AZR 309/22)

Abstract: Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses einer nicht gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 geimpften medizinischen Fachangestellten zum Schutz von Patienten und der übrigen Belegschaft vor einer Infektion verstößt nicht gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB.

Zivilrecht

Haftung im Gefälligkeitsverhältnis bei Investitionen in Krypto-Währungen
Der Kläger vereinbarte mit dem seinerzeit eng befreundeten Beklagten, dass dieser ihn bei der Investition in Krypto-Währungen unterstützen sollte. Der Beklagte verfügte sowohl über Erfahrungen bei der Anlage in Krypto-Währungen als auch über das hierfür erforderliche technische Know-how. Der Kläger überwies ihm dafür knapp 85.000 €. Der Beklagte erwarb für den Kläger hiermit teilweise Ethereum und teilweise Bitcoin-Anteile. Nachfolgend wechselte der Beklagte über die Plattform Kraken.com die zunächst erworbenen Bitcoin ebenfalls in Ethereum um. Aus den Mitteln des Klägers befanden sich damit im Oktober 2017 309.01954785 Ethereum-Anteile auf dem Krakenkonto des Beklagten. Im November wechselte der Beklagte einen Teil des Ethereums wieder in Bitcoin um, da er auf eine Wertsteigerung spekulierte. Diese Wertsteigerung blieb aus. Beim nachfolgenden „Rückwechsel“ dieser Bitcoin in Ethereum erhielt der Beklagte deshalb – und wegen des zwischenzeitlichen Kursanstiegs von Ethereum – die Ethereum-Anteile nicht mehr in voller Höhe zurück. Der Kläger nimmt den Beklagten nunmehr wegen entgangenen Gewinns auf Übertragung von Ethereum-Anteilen in Höhe dieser Differenz (116.5191785 Einheiten) in Anspruch. Das LG hatte der Klage ganz überwiegend stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten hatte vor dem OLG Erfolg. Der auf „Übertragung“ der Ethereum-Anteile gerichtete Antrag sei zwar zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt. Da es sich bei Kryptotoken wie Ethereum und Bitcoin um virtuelle, das heißt unkörperliche Gegenstände handele, könne keine Übertragung nach sachenrechtlichen Vorschriften geltend gemacht werden. Es handele sich allein um eine digitale Darstellung eines Wertes, der von keiner Zentralbank oder öffentlichen Stelle emittiert werde. Mithin bleibe lediglich die Möglichkeit, einen Anspruch auf Übertragung geltend zu machen. Dem Kläger stehe jedoch kein Anspruch auf Schadensersatz in Form des entgangenen Gewinns durch die vom Beklagten vorgenommene Umwechslung von Teilen des Ethereums in Bitcoin zu. Der Beklagte habe zwar für den Kläger als „Freundschaftsdienst“ ein fremdes Geschäft geführt. Die Umwandlung von einer Krypto-Währung (Ethereum) in eine andere (Bitcoin) stehe hier aber nicht im Widerspruch zum wirklichen oder hilfsweise mutmaßlichen Willen des Klägers. Der Kläger trage selbst nicht vor, ausdrücklich oder konkludent einen der Umwandlung entgegenstehenden Willen geäußert zu haben. Es bestünden auch keine Anhaltspunkte für einen entgegenstehenden mutmaßlichen Willen. Jedenfalls habe der Beklagte einen solchen Willen nicht erkennen können. Zwischen den Parteien habe Einigkeit bestanden, dass der Beklagte für den Kläger in dem „risikoreichen Bereich der Krypto-Währungen investieren sollte“. Dass mit dem Geld etwas Bestimmtes passieren sollte, sei zu keiner Zeit vereinbart worden. Der Kläger habe dem Beklagten vielmehr „freie Hand“ gelassen und jederzeit Einblick und Zugriff auf die Konten gehabt. Beim gemeinsamen Grillen sei zudem zwischen den Parteien auch über eine Aufspaltung der Konten in verschiedene Währungen gesprochen worden. Die anfängliche Investition sowohl in Ethereum als auch in Bitcoin sei in Kenntnis und mit Zustimmung des Klägers erfolgt. Damit erschließe sich bereits denklogisch nicht, „weshalb im weiteren Verlauf der Investitionen eine vom Beklagten erneut vorgenommene Umwechslung dem mutmaßlichen Willen des Klägers widersprochen haben sollte, zumal nach dem insoweit unstreitigen Vorbringen die Umwälzung dem Beklagten erfolgversprechend erschien“. Die Überweisung der erworbenen Bitcoins auf das Krakenkonto sei vielmehr gerade deshalb erfolgt, um die Möglichkeit von Umwechslungen zwischen den einzelnen Krypto-Währungen vornehmen zu können, was auf dem einfachen LitBit-Konto nicht möglich gewesen wäre. Dem Kläger sei es gerade darum gegangen, durch das vom Beklagten ausgeführte „Trading“ hoch risikoreich zu investieren und Gewinne zu erzielen, was letztlich auch gelungen sei. Denn der Kläger habe durch die vom Beklagten für ihn getätigten Investitionen sein eingesetztes Kapital – nach dem Kurswert der erworbenen und noch vorhandenen Ethereum-Anteile zum Zeitpunkt der Entscheidung des Berufungsgerichts – nahezu vervierfacht. (OLG Frankfurt, Urt. v. 19.04.2023 – 13 U 82/22; nrkr.)

Abstract: Im Gefälligkeitsverhältnis zwischen Freunden haftet ein beklagter Freund nicht für den entgangenen Gewinn bei Investitionen in Krypto-Währungen. Investiert ein Freund Geld eines Freundes mit dessen Zustimmung in verschiedene Krypto-Währungen und kommt es bei Umwechslungen zwischen den Währungen (Ethereum/Bitcoin) zu Kursverlusten, haftet der beklagte Freund nicht auf entgangenen Gewinn.

Soziale Medien mit Kommentarfunktion können mitbestimmungspflichtige Überwachungseinrichtungen sein
Betreibt eine Stelle der öffentlichen Verwaltung in sozialen Medien eigene Seiten oder Kanäle, kann wegen der für alle Nutzer bestehenden Möglichkeit, dort eingestellte Beiträge zu kommentieren, eine technische Einrichtung zur Überwachung des Verhaltens und der Leistung von Beschäftigten vorliegen, deren Einrichtung oder Anwendung der Mitbestimmung des Personalrats unterliegt. (BVerwG, Beschl. v. 04.05.2023 – 5 P 16.21)