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WBP NEWS

Online-News für den 15.12.2022

Zivilrecht

Kein Schadensersatz für Flugpassagier wegen fehlender Nutzbarkeit von EasyPASS
Die Beklagte ist die Betreiberin eines Großflughafens, der mit dem elektronischen Grenzkontrollsystem EasyPASS ausgestattet ist. Dieses ermöglicht ein schnelleres Passieren der Grenzkontrolle, indem die Identität des Reisenden, der – neben weiteren Voraussetzungen – mindestens zwölf Jahre alt sein muss, sowie die Echtheit und Gültigkeit des elektronischen Reisedokuments automatisiert überprüft werden. Die Beklagte wies auf ihrer Internetseite auf das EasyPASS-System hin, ohne das Mindestalter für dessen Nutzung zu erwähnen. Der Kläger hatte für sich, seine Ehefrau sowie die drei minderjährigen Kinder einen Überseeflug gebucht. Die planmäßige Abflugzeit war um 12.15 Uhr. Die Familie verpasste jedoch den Flug, da sie nach Durchlaufen der Sicherheits- und Passkontrollen das Abfluggate nicht mehr rechtzeitig erreichte. Der Kläger hat geltend gemacht, er habe am Abflugtag zusammen mit seiner Familie das Reisegepäck um 10.07 Uhr am Check-in-Schalter aufgegeben. Um 11.10 Uhr habe sich seine Familie zu der Sicherheitskontrolle begeben und diese um 11.35 Uhr passiert. Anschließend seien sie zu den elektronischen Passkontrollen gegangen. Diese hätten aber nicht genutzt werden können, da seine jüngste Tochter noch keine zwölf Jahre alt gewesen sei. Die Familie sei deshalb an die zwei mit Personal besetzten Durchgänge verwiesen worden. Dort sei bei der Kontrolle eines anderen Passagiers ein Problem aufgetreten, was zu einer Verzögerung von 20 Minuten geführt habe. Obwohl er eine Mitarbeiterin der Beklagten auf das drohende Verpassen des Abflugs hingewiesen habe, sei er in der Warteschlange nicht vorgezogen worden. Das AG hat die auf Zahlung von 2.980,08 € (Erwerb eines Ersatztickets, zusätzliche Hotel- und Fahrtkosten) nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung ist ohne Erfolg geblieben. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger den Anspruch erfolglos weiter.
Der BGH hat dabei offengelassen, ob zwischen der Betreibergesellschaft und dem Kläger eine vertragliche Beziehung bestand, aus der Schadensersatzansprüche hergeleitet werden könnten. Jedenfalls fiel die Organisation der Passkontrollen nicht in den Verantwortungsbereich der Flughafenbetriebsgesellschaft, sondern in den der Bundespolizei (§ 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a BPolG). Der Flughafenbetreiber hat insoweit keine Einflussmöglichkeiten, insb. ist es ihm verwehrt, einzelne (verspätete) Reisende durch ein „Vorziehen der Passkontrolle“ gegenüber rechtzeitig erschienenen Passagieren zu privilegieren. Dessen ungeachtet ergaben sich aus dem Klägervortrag keine Anhaltspunkte für eine unangemessene, auf einem Organisationsmangel beruhende Verzögerung der Passkontrolle. Nach seinen Angaben hat er um 11.35 Uhr die Sicherheitskontrolle passiert und das Abfluggate kurz nach zwölf Uhr erreicht. Die Passkontrolle ist somit zügig durchgeführt worden. Eine Pflichtverletzung war der Beklagten auch nicht vorzuwerfen wegen des Hinweises in ihren Internetseiten auf EasyPASS, ohne zu erwähnen, dass der Passinhaber mindestens zwölf Jahre alt sein musste. Der Hinweis war ersichtlich nicht abschließend. Der Kläger hätte sich über die Nutzungsbedingungen näher, etwa über die hierfür eingerichtete Interseite der Bundespolizei, informieren müssen. Verzichtet der Fluggast auf die Einplanung eines ausreichenden Zeitpuffers, weil er das automatisierte Grenzkontrollsystem EasyPASS nutzen möchte, ohne sich rechtzeitig über dessen Modalitäten zu informieren, begibt er sich freiwillig in eine prekäre Situation, deren Folgen letztlich von ihm herbeigeführt und von ihm zu tragen sind. Der Kläger hätte sich sogar noch am Flughafen die nötigen Informationen rechtzeitig beschaffen können. Obwohl er – wie er vorgetragen hat – bereits um 10.07 Uhr das Gepäck am Check-in-Schalter aufgegeben hatte, hat er sich erst um 11.10 Uhr mit seiner Familie zur Sicherheitskontrolle begeben. Es hätte somit vor Ort noch genügend Zeit zur Verfügung gestanden, sich hinsichtlich der Nutzungsbedingungen von EasyPASS zu erkundigen. Stattdessen hat der Kläger mit seiner Familie rund eine Stunde leichtsinnig „verbummelt“, indem – wie er selbst vorträgt – unter anderem „in das ein oder andere Geschäft geschaut“ wurde. Im Übrigen darf sich ein Fluggast auch nicht auf die ständige Betriebsbereitschaft der computergestützten elektronischen Grenzkontrolle verlassen. (BGH, Urt. v. 08.12.2022 – III ZR 204/21)

Abstract: Es besteht kein Schadensersatzanspruch gegen einen Flughafenbetreiber, wenn ein Passagier seinen Flug versäumt, weil er oder seine mitreisenden Familienmitglieder nicht die Voraussetzungen für die Nutzung der automatisierten Grenzkontrolle (EasyPASS) erfüllen.

Steuerrecht

Betriebe können steuermindernde Rückstellung für Altersfreizeit bilden
Die Klägerin gewährte ihren älteren Beschäftigten neben ihrem vertraglichen Jahresurlaub einen zusätzlichen Anspruch auf bezahlte Freizeit. Voraussetzung für den Erhalt ist eine Betriebszugehörigkeit von mehr als zehn Jahren und das Überschreiten der Altersgrenze von 60 Jahren. Im Rahmen einer Betriebsprüfung lehnte das zuständige Finanzamt die steuermindernde Berücksichtigung der Rückstellung ab. Die Voraussetzungen für die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten sind nicht erfüllt. Insbesondere hätten die beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer keine Mehrleistungen erbracht, die der Betrieb zu bezahlen hätte. Hiergegen klagte die Klägerin beim Finanzgericht Köln.
Die Klage hatte Erfolg. Das FG entschied, dass die Klägerin eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten bilden kann. Die Klägerin sage die Gewährung weiterer freier Arbeitstage verbindlich zu. Die Beschäftigten würden mit ihrer Arbeitskraft in Vorleistung treten, die entsprechende Gegenleistung würde von der Klägerin demgegenüber erst in der Zukunft erbracht. Damit sei die Verpflichtung des Betriebs zur Gewährung zusätzlich freier Arbeitstage bereits vor dem Eintritt in die Arbeitsfreistellung entstanden und wirtschaftlich verursacht worden. Dem stehe nicht entgegen, dass die Zusage an die vergangene Dienstzeit und an die bevorstehende Betriebstreue der einzelnen gebunden sei.(FG Köln, Urt. v. 25.11.2022- 12 K 2486/20; nrkr.; Az. BFH: IV R 22/22)

Abstract: Betriebe, die ihren Mitarbeitern zusätzliche freie Arbeitstage in Form von Altersfreizeit gewähren, können hierfür eine steuermindernde Rückstellung bilden.

Arbeitsrecht

Wo „Glühwein“ draufsteht, muss auch Glühwein drin sein
Das LG hat der Klage einer Weinkellerei stattgegeben und einem Brauhaus verboten, seine beiden mit Bockbierwürze versetzten weinhaltigen Getränke als „Glühwein“ im geschäftlichen Verkehr zu bezeichnen. Der Begriff „Wein“ werde hierdurch in unzulässiger Weise „verwässert“. So das LG. Es liege eine Irreführung von Verbrauchern vor, da diese darüber hinweggetäuscht würden, dass mit den Beigaben der Beklagten ein zusätzlicher Wassergehalt von 2% in die Getränke der Beklagten gelange. Dies sei für ein Produkt mit der Bezeichnung „Glühwein“ unzulässig. Glühwein dürfe laut europäischer Verordnung nur Wein, Süßungsmittel und Gewürz enthalten. Der Wassergehalt, der beim Zuführen von Bockbierwürze in beide weinhaltigen Getränke der Beklagten gelange, sei zu hoch, um das Produkt noch als „Glühwein“ bezeichnen zu können. In der mündlichen Verhandlung hörte das Gericht zu der Frage, ob Bockbierwürze ein Gewürz ist und somit dem Glühwein beigegeben werden kann, einen Önologen an: Der in dem Wort „Bockbierwürze“ enthaltene Begriff „Würze“ sei lediglich historisch bedingt und inhaltsstofflich nicht korrekt, so der Sachverständige. Die Bockbierwürze sei kein Gewürz, sondern eine Flüssigkeit, die ein Gewürz empfange. Bierwürze im Allgemeinen habe nichts mit einem Gewürz oder Süßungsmitteln zu tun. Die Bockbierwürze sei gegenüber anderen Gewürzen insbesondere kein hoch konzentrierter Stoff, deshalb sei der Wasserzusatz in den Getränken der Beklagten erheblich. Dem schloss sich das Gericht an. Der Wassergehalt in Glühwein unterliege strengen Vorgaben: Nur zum Süßen oder zur Beigabe von Gewürzen sei Wasser zulässig, in so geringer Menge wie möglich, so die erkennende Kammer. An diese Vorgaben habe sich die beklagte Brauerei mit der Beigabe von Bockbierwürze nicht gehalten. Hiermit suggeriere die Beklagte dem Verbraucher bei ihren Getränken vielmehr die Eigenschaften des Traditionsgetränks Glühwein, die diese tatsächlich wegen zu hohen Wassergehalts gar nicht hätten. (LG München I, Urt. v. 17.11.2022 – 17 HKO 8213/18 ; nrkr.)

Abstract: Der Wassergehalt in Glühwein unterliegt strengen Vorgaben: Nur zum Süßen oder zur Beigabe von Gewürzen sei Wasser zulässig, und zwar in so geringer Menge wie möglich. Hält sich eine Brauerei mit der Beigabe von Bockbierwürze nicht an diese Vorgaben, darf sie das Getränk nicht als Glühwein anbieten und somit nicht dem Verbraucher suggerieren, es handele sich um das Traditionsgetränk Glühwein.

Verwaltungsrecht

Entlassung eines Polizisten wegen Cannabis-Konsums
Der Antragsteller befand sich seit April 2019 als Beamter auf Widerruf im Vorbereitungsdienst für den gehobenen Polizeivollzugsdienst des Landes Berlin. Wegen erhöhter krankheitsbedingter Fehlzeiten und Sportbefreiungen wurde der Antragsteller polizeiärztlich untersucht. Dabei ließ eine Urinprobe auf einen Tetrahydrocannabinol-Abusus (THC-Missbrauch) schließen, aufgrund dessen die Polizeiärztin ihn für dauerhaft polizeidienstunfähig erklärte und seine Fähigkeit zur Abstinenz in Frage stellte. Auf seinen THC-Wert angesprochen, räumte der Antragsteller „punktuellen Gebrauch von Cannabis“ ein. Er wurde daraufhin – sofort vollziehbar – wegen fehlender gesundheitlicher Eignung und erheblichen Zweifeln an seiner charakterlichen Eignung für den Polizeiberuf entlassen.
Das VerwG wies den dagegen gerichteten Eilantrag zurück. Die Annahme, der Antragsteller sei gesundheitlich ungeeignet, begegne keinen Bedenken. Der jedenfalls gelegentliche THC-Konsum könne nach der Polizeiärztin u.a. zu Konzentrationsstörungen, fehlender Selbsteinschätzung, Wahrnehmungsstörungen und gestörter motorischer Koordination führen, weshalb der Antragsteller insb. weder ein Dienstfahrzeug führen dürfe noch Dienst an der Waffe verrichten könne. Die beschriebenen körperlichen Einschränkungen schlössen es aus, dass der Antragsteller die Aufgaben eines Polizeibeamten im Vollzugsdienst erfülle. Eine erforderliche einjährige Abstinenz sei nicht nachgewiesen. Es bestünden nachvollziehbar auch Zweifel an der charakterlichen Eignung des Antragstellers. Dieser sei als Polizeivollzugsbeamter in besonderer Weise verpflichtet, sich gesetzestreu zu verhalten und habe sowohl sein innerdienstliches, aber auch sein außerdienstliches Verhalten dahingehend auszurichten. Beim Antragsteller liege jedoch der Verdacht nahe, dass er sich nach dem Betäubungsmittelgesetz strafbar gemacht habe, weil sich ein Drogenkonsument trotz der Straflosigkeit des Konsums regelmäßig wegen der vorausgehenden Handlungen des Erwerbs, der Einfuhr oder des Besitzes strafbar mache. (VerwG Berlin, Beschl. v. 18.11.2022 – VG 5 L 714/22;nrkr.)

Abstract: Ein Polizist in der Ausbildung kann wegen gelegentlichen Cannabis-Konsums entlassen werden.

Kohlendioxidabgabe bei Mietwohnungen wird künftig aufgeteilt
Der Bundesrat billigte am 25.11.2022 einen Bundestagsbeschluss zur Aufteilung der Kosten zwischen Vermieter- und Mieterseite bei der Kohlendioxidabgabe nach einem Stufenmodell. Mieter müssen künftig diese CO2-Abgabe für das Heizen mit Öl oder Erdgas nicht mehr allein tragen: Das Gesetz kann nun über die Bundesregierung dem Bundespräsidenten zur Unterschrift vorgelegt werden – es soll zum 1. Januar 2023 in Kraft treten.
Künftig werden die Kostenanteile entsprechend dem Kohlendioxidausstoß des Gebäudes pro Quadratmeter Wohnfläche berechnet – sie orientieren sich damit an der energetischen Qualität des Gebäudes. Je schlechter diese ist, desto höher ist der Anteil der Vermieterseite. In der untersten Stufe bei besonders emissionsreichen Gebäuden tragen Vermieter bis zu 95 Prozent der CO2-Abgabe. Das Gesetz sieht Ausnahmen für besondere Fallgestaltungen vor, zum Beispiel wenn Denkmalschutzvorgaben eine bessere Dämmung der Wohnungen verhindern. Bei Nichtwohngebäuden gilt zunächst eine hälftige Teilung der Kohlendioxidkosten.