Mühlenstraße 1 | 27356 Rotenburg (Wümme)
(04261) 93 70 0

WBP NEWS

Online-News für den 01.01.2023

Zivilrecht

Volles Schmerzensgeld für Biss-Verletzung beim Streicheln eines Hundes
Die Klägerin war zu Besuch bei ihrer Freundin und man saß gemeinsam in der Küche. Mit dabei war auch der Rottweiler-Rüde des Bruders der Freundin, mit dem die junge Frau gut vertraut war. Schon oft zuvor hatte sie mit ihm ohne Probleme gespielt und gekuschelt, doch diesmal schnappte der Hund nach ihr und biss ihr in das linke Ohr. Die Wunde musste mit zahlreichen Stichen genäht werden; die Frau war mehr als eine Woche lang arbeitsunfähig und klagt noch immer über fortbestehende Schmerzen bei Druck- und Kälteeinwirkungen. Der als Halter des Rottweilers verklagte Bruder der Freundin warf der verletzten Frau vor, sie habe den Unfall durch ihr Verhalten erheblich mitverschuldet. Denn sie habe sich zu dem Tier hinuntergebeugt und ihn gestört.
Dem ist die Kammer nicht gefolgt. Sie hat zunächst klargestellt, dass ein Hundehalter haftet, wenn sein Haustier einen anderen Menschen verletzt, auch wenn ihm kein falsches Verhalten vorzuwerfen ist, denn die Haftung für ein Haustier, das nicht zur Berufsausübung gehalten wird, setzt ein Verschulden nicht voraus. Allerdings müsse sich der Verletzte im Einzelfall ein eigenes Fehlverhalten als Mitverschulden anrechnen lassen. Im konkreten Fall konnte ein solches nach Ansicht des Richters aber nicht bewiesen werden. Die bloße Hinwendung zu einem Tier, etwa durch Streicheln oder Umarmen, könne ein Mitverschulden nicht begründen. Dies gelte jedenfalls dann, wenn man das Tier schon eine geraume Zeit über kenne und es bisher kein aggressives Verhalten gegeben habe. Den Einwand des Hundehalters, die Frau habe den Hund gestreichelt, obwohl dieser gerade am Fressen gewesen sei und man sie deutlich gewarnt habe, sah die Kammer nicht als bewiesen an. Die Beweislast für ein solches Mitverschulden liege in solchen Fällen aber beim Tierhalter selbst. Zweifel gingen deshalb zu seinen Lasten. Insgesamt erhielt sie ein Schmerzensgeld i.H.v. 4.000 €. (LG Frankenthal, Urt. v. 04.11.2022 – 9 O 42/21; rkr.)

Abstract: Ein durch einen Hundebiss Verletzter hat Anspruch auf ein volles Schmerzensgeld, nachdem ihr ein Hund in das linke Ohr gebissen hatte, auch wenn er sich zuvor zu dem ihm vertrauten Rottweiler-Rüden hinuntergebeugt und ihn am Kopf gestreichelt hat. Das kann nicht als Mitverschulden gewertet werden.

Steuerrecht

Kein Abzug von Mitgliedsbeiträgen an Vereine, die in erster Linie der Freizeitgestaltung dienen
Im Grundsatz können sowohl Spenden als auch Mitgliedsbeiträge als Sonderausgaben geltend gemacht werden. Eine gesetzliche Sonderregelung (§ 10b Abs. 1 Satz 8 EStG) schließt jedoch u.a. bei Vereinen den Abzug von Mitgliedsbeiträgen aus, die kulturelle Betätigungen fördern, die in erster Linie der Freizeitgestaltung dienen. Dasselbe gilt z.B. für Sportvereine. Spenden an solche Vereine bleiben hingegen abziehbar. In dem vom BFH entschiedenen Fall ging es um einen gemeinnützigen Verein, der ein Blasorchester für Erwachsene und eines für Jugendliche unterhält. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, der Kläger dürfe keine Zuwendungsbestätigungen („Spendenbescheinigungen“) für Mitgliedsbeiträge ausstellen. Das von dem Verein erstinstanzlich angerufene Finanzgericht (FG) Köln gab der Klage hingegen statt. Es hielt die dargestellte gesetzliche Einschränkung für Mitgliedsbeiträge nicht für anwendbar, weil der Verein nicht nur die Freizeitgestaltung, sondern auch die Erziehung und Ausbildung Jugendlicher fördere. Der BFH ist demgegenüber der Ansicht der Finanzverwaltung gefolgt und hat das Urteil des FG Köln aufgehoben. Nach dem klaren Wortlaut der gesetzlichen Regelung sind Mitgliedsbeträge schon dann nicht abziehbar, wenn der Verein auch kulturelle Betätigungen fördert, die in erster Linie der Freizeitgestaltung dienen. In einem solchen Fall kommt es nicht mehr darauf an, ob der Verein daneben auch noch andere Zwecke fördert. Gleiches folgt aus der Entstehungsgeschichte der Norm sowie aus ihrem Zweck. Damit kam es nicht darauf an, dass der klagende Verein – wovon das FG ausgegangen war – neben den Freizeitbetätigungen noch andere Zwecke fördert. (BFH, Urt. v. 28.09.2022 – X R 7/21)

Abstract: Mitgliedsbeiträge an Vereine, die in erster Linie der Freizeitgestaltung dienen, können nicht bei der Einkommensteuer abgezogen werden.

Arbeitsrecht

Verjährung von Urlaubsansprüchen
Der Beklagte beschäftigte die Klägerin vom 01.11.1996 bis zum 31.07.2017 als Steuerfachangestellte und Bilanzbuchhalterin. Nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zahlte der Beklagte an die Klägerin zur Abgeltung von 14 Urlaubstagen 3.201,38 € brutto. Der weitergehenden Forderung der Klägerin, Urlaub im Umfang von 101 Arbeitstagen aus den Vorjahren abzugelten, kam der Beklagte nicht nach. Während das ArbG die am 06.02.2018 eingereichte Klage – soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung – abgewiesen hat, sprach das LAG der Klägerin 17.376,64 € brutto zur Abgeltung weiterer 76 Arbeitstage zu. Dabei erachtete das LAG den Einwand des Beklagten, die geltend gemachten Urlaubsansprüche seien verjährt, für nicht durchgreifend. Die Revision des Beklagten hatte keinen Erfolg. Zwar finden die Vorschriften über die Verjährung (§ 214 Abs. 1, § 194 Abs. 1 BGB) auf den gesetzlichen Mindesturlaub Anwendung, die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren beginnt bei einer richtlinienkonformen Auslegung des § 199 Abs. 1 BGB jedoch nicht zwangsläufig mit Ende des Urlaubsjahres, sondern erst mit dem Schluss des Jahres, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat. Der Senat hat damit die Vorgaben des EuGH aufgrund der Vorabentscheidung vom 22.09.2022 (- C-120/21 -) umgesetzt. Nach der Rechtsprechung des EuGH tritt der Zweck der Verjährungsvorschriften, die Gewährleistung von Rechtssicherheit, in der vorliegenden Fallkonstellation hinter dem Ziel von Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der EU zurück, die Gesundheit des Arbeitnehmers durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme zu schützen. Die Gewährleistung der Rechtssicherheit dürfe nicht als Vorwand dienen, um zuzulassen, dass sich der Arbeitgeber auf sein eigenes Versäumnis berufe, den Arbeitnehmer in die Lage zu versetzen, seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub tatsächlich auszuüben. Der Arbeitgeber könne die Rechtssicherheit gewährleisten, indem er seine Obliegenheiten gegenüber dem Arbeitnehmer nachhole. Der Beklagte hat die Klägerin nicht durch Erfüllung der Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten in die Lage versetzt, ihren Urlaubsanspruch wahrzunehmen. Die Ansprüche verfielen deshalb weder am Ende des Kalenderjahres (§ 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG) oder eines zulässigen Übertragungszeitraums (§ 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG) noch konnte der Beklagte mit Erfolg einwenden, der nicht gewährte Urlaub sei bereits während des laufenden Arbeitsverhältnisses nach Ablauf von drei Jahren verjährt. Den Anspruch auf Abgeltung des Urlaubs hat die Klägerin innerhalb der Verjährungsfrist von drei Jahren erhoben. (BAG, Urt. v. 20.12.2022 – 9 AZR 266/20)

Abstract: Der gesetzliche Anspruch eines Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub unterliegt der gesetzlichen Verjährung. Allerdings beginnt die dreijährige Verjährungsfrist erst am Ende des Kalenderjahres, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat.

Sozialrecht

Die 1992 geborene Klägerin ist als Sozialarbeiterin in einer Behörde beschäftigt und hat im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit regelmäßig persönliche Kontakte. Sie ließ sich am 27.03.2021 mit dem Impfstoff AstraZeneca impfen. Nach ihren Angaben verspürte sie etwa eine Woche nach der Impfung starke Kopfschmerzen und wurde kurz darauf wegen Gedächtnisverlust, Verwirrtheit und Desorientierung stationär behandelt. In diesem Zusammenhang wurde unter anderem der Verdacht auf eine Enzephalitis geäußert. In der Folge wurde bei der Klägerin ferner ein Chronic-Fatigue-Syndrom diagnostiziert. Die Klägerin ist seitdem krankgeschrieben. Sie machte gegenüber dem beklagten Unfallversicherungsträger einen Arbeitsunfall geltend. Sie gab an, sie habe von ihrem Arbeitgeber mehrere E-Mails erhalten, in denen den Beschäftigten nahegelegt worden sei, sich gegen COVID-19 impfen zu lassen. Dementsprechend habe sie die Bescheinigung erhalten, sodass sie aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur höchsten Prioritätsstufe vorzeitig habe geimpft werden können. In der vom SG veranlassten Auskunft teilte der Arbeitgeber der Klägerin mit, dass die Mitarbeiter über die neuesten Impfstrategien des Landes Baden-Württemberg informiert worden seien. Jedem Arbeitnehmer sei es aber freigestellt gewesen, sich impfen zu lassen.
Das SG gelangte in dem Rechtsstreit zu dem Ergebnis, dass ein Arbeitsunfall nicht vorlag. Die Klägerin kam mit der Impfung keiner Rechtspflicht aus dem Beschäftigungsverhältnis nach. Die Priorisierung wegen Zugehörigkeit zu einer bestimmten Berufsgruppe diente lediglich der sachgerechten Zuteilung nur eingeschränkt vorhandener Impfmöglichkeiten. Die Hinweise des Arbeitgebers sind auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass dieser als staatliche Stelle nicht nur die eigenen Beschäftigten im Blick hatte, sondern das Ziel verfolgte, die Impfquote in Deutschland insgesamt zu heben. Maßnahmen zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit gehören aber grundsätzlich zum persönlichen Lebensbereich. Ob ein sachlicher Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit anzunehmen ist, wenn eine Schutzimpfung für die berufliche Tätigkeit zwingend erforderlich ist, ließ das SG für die COVID-19-Impfung offen. Denn im konkreten Fall hätte die Klägerin ihre berufliche Tätigkeit auch ohne Impfung ausüben können. Eine Entscheidung über die Frage, ob eine COVID-19-Impfung geeignet ist, Langzeitfolgen ähnlich einer Enzephalitis oder einem Chronic-Fatigue-Syndrom zur verursachen, war in dem Rechtsstreit ebenfalls nicht erforderlich. Schließlich kam es auch nicht darauf an, ob ein Impfschaden nach § 60 Infektionsschutzgesetz vorliegt, für den die Regelungen des sozialen Entschädigungsrechts gelten. Dies war nicht Gegenstand des Verfahrens. Die Klägerin hatte einen entsprechenden Antrag beim Versorgungsamt gestellt, über den noch nicht entschieden war. (SG Konstanz, Urt. v. 09.12.2022 – S 1 U 1276/22; nrkr.)

Abstract: Der Unfallversicherungsträger ist nicht verpflichtet, gesundheitliche Probleme nach einer COVID-19-Impfung als Arbeitsunfall anzuerkennen.

Neue Düsseldorfer Tabelle

Die zum 1. Januar 2023 aktualisierte Düsseldorfer Tabelle ist ab sofort auf der Internetseite des OLG Düsseldorf verfügbar. Die Änderungen gegenüber 2022 betreffen im Wesentlichen die Bedarfssätze minderjähriger und volljähriger Kinder, den Bedarf eines studierenden Kindes und der dem Unterhaltspflichtigen zu belassende Eigenbedarf. Die Tabellenstruktur ist gegenüber 2022 unverändert. Es verbleibt bei den bisherigen 15 Einkommensgruppen und dem der Tabelle zugrundeliegenden Regelfall von zwei Unterhaltsberechtigten. (https://www.olg-duesseldorf.nrw.de/infos/Duesseldorfer_Tabelle/index.php)