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WBP NEWS

Online-News für den 01.01.2024

Zivilrecht

Maklerprovision trotz vorherigem Reservierungsverlangen
Eine Frau möchte ein Grundstück verkaufen und beauftragt einen Makler. Der Makler findet Interessenten und verlangt von ihnen mit Wissen der Verkäuferin 5.000 € für die „Reservierung“ des Grundstücks, was im Maklerrecht nicht vorgesehen ist. Die Zahlung soll auf die im Kaufpreis enthaltene Maklercourtage angerechnet werden; bei Nichtzustandekommen des Kaufvertrags sollen die Eigentümer 3.000 € und der Makler 2.000 € erhalten. Später zahlt der Makler den Interessenten nach anwaltlicher Beratung die 5.000 € zurück. Schließlich kaufen die Interessenten das Grundstück. Nun will die Verkäuferin den Makler unter anderem unter Verweis auf die geforderte Zahlung für die „Reservierung“ nicht bezahlen. Vor dem LG verlangt der Makler seine Provision. Die Verkäuferin weigert sich – der Makler habe sich treuwidrig verhalten und seinen Anspruch „verwirkt“. Die Reservierung des Grundstücks gegen Geld sei unzulässig gewesen und die Verkäuferin habe deswegen eine Strafverfolgung fürchten müssen.
Der Makler hat seine Pflichten gegenüber der Frau erfüllt, das Grundstück ist verkauft. Ein Makler bekomme nur dann keine Provision, wenn er sich seines Lohnes „unwürdig“ erwiesen habe. Das sei hier nicht der Fall. Für die Reservierung Geld zu verlangen, sei womöglich rechtswidrig gewesen. Dies betreffe aber allein das Verhältnis zwischen dem Makler und den Interessenten. Zudem habe für die Verkäuferin – entgegen ihrer Befürchtung – keine Gefahr der Strafverfolgung bestanden. Im Übrigen habe der Makler die 5.000 € zurückgezahlt. (LG Lübeck, Urt. V. 29.11.2023 – 10 O 37/23, nrkr.)

Abstract: Ein Makler kann für die Reservierung eines Grundstücks kein Geld vom Kaufinteressenten verlangen. Provision bekommt der Makler beim Verkauf des Grundstücks aber trotzdem.

Steuerrecht

Mitgliedsbeiträge an Sportvereine
Geklagt hatte ein eingetragener gemeinnütziger Verein. Er ist ein klassischer Breitensport-Verein mit mehreren Abteilungen, in denen u. a. die Sportarten Fußball, Schwimmen, Tischtennis und Gymnastik/Turnen betrieben wurden. Die 1. Herren-Fußballmannschaft wird innerhalb des Vereins als wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb geführt und erzielte bei ihren Heimspielen im Streitjahr 2015 umsatzsteuerpflichtige (Netto-)Eintrittsgelder. Die Mitglieder haben im Rahmen der Satzung und der Geschäftsordnung des Vereins das Recht, aktiv am Vereinsleben teilzunehmen und die Einrichtungen des Vereins zu nutzen. Der Verein errichtete in den Jahren 2015 und 2016 einen Kunstrasen-Fußballplatz auf einem von der Gemeinde gepachteten Vereinsgelände. Er benötigte den Platz aus Kapazitätsgründen aufgrund steigender Mitgliederzahlen und beabsichtigte, ihn bei Bedarf u. a. auch für Spiele der 1. Herrenmannschaft zu verwenden. In seiner Umsatzsteuererklärung 2015 erklärte der Verein erstmalig seine Mitgliedsbeiträge unter Berufung auf die Mehrwertsteuersystemrichtlinie als steuerpflichtige Umsätze zu 7 %. Gleichzeitig machte er den Vorsteuerabzug aus den Kosten für die Errichtung des Kunstrasenplatzes geltend. Das beklagte Finanzamt sah die Mitgliedsbeiträge als steuerfrei an und gewährte daher insoweit den Vorsteuerabzug nicht.
Die hiergegen erhobene Klage hatte in diesem Punkt keinen Erfolg. Nach Überzeugung des Finanzgerichts sind im Streitfall die Mitgliedsbeiträge steuerbar, weil ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen ihnen und der Leistung des Klägers, seinen Mitgliedern Vorteile wie Sportanlagen zur Verfügung zu stellen, besteht. Überdies handelt es sich bei den Mitgliedsbeiträgen um ein Entgelt in Form einer Teilnehmergebühr i. S. d. § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG, die insoweit den begehrten Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG ausschließen. Den Teilnehmern, d.h. den Vereinsmitgliedern, wurden seitens des Klägers nicht nur Sportgegenstände oder -anlagen zur Verfügung gestellt, sondern grundsätzlich ein organisierter und strukturierter Trainings- sowie Spielbetrieb. Dass einige Mitglieder davon keinen Gebrauch machen und nicht durch einen Trainer angeleitet bzw. nicht am Ligabetrieb teilnehmen, führt zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung. Denn grundsätzlich besteht die Möglichkeit, diese Leistungen in Anspruch zu nehmen. Dabei verstößt die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG nicht gegen Unionsrecht, weil sie die Steuerfreiheit nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL nach neuester BFH-Rechtsprechung dem Grunde nach umsetzt. (FG Niedersachsen, Urt. V. 10.01.2023 – 11 K 147/22; Rev. Zugelassen: BFH-Az.: V R 4/23)

Abstract: Mitgliedsbeiträge eines Sportvereins sind nach § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG von der Umsatzsteuer befreit.

Arbeitsrecht

Privates Hybridfahrzeug am Arbeitsplatz aufgeladen
Der Kläger war seit dem 01.07.2018 als Rezeptionist in einem Beherbergungsbetrieb tätig und regelmäßig in der Spätschicht eingesetzt. Er hatte am 12.01.2022 sein Hybridauto, einen weißen Golf, vor der Herberge geparkt und über ein Ladekabel an einer 220 Volt-Steckdose im Flur des Seminartraktes aufgeladen. Nachdem die Beklagte dies entdeckt hatte, kündigte sie das Arbeitsverhältnis am 14.01.2022 fristlos. Hiergegen hatte der Kläger sich mit seiner Kündigungsschutzklage gewandt und in erster Instanz obsiegt. In dem von dem Arbeitgeber angestrengten Berufungsverfahren haben die Parteien ihren Streit beigelegt. In der mündlichen Verhandlung hat das LAG ausgeführt, dass das unerlaubte Laden des Privatfahrzeugs auf Kosten des Arbeitgebers an sich ein Kündigungsgrund ist. Dies gilt erst recht, wenn das Laden an einer 220 Volt-Steckdose und nicht an einer Wallbox oder eingerichteten Ladestation erfolgt. Die Kammer hatte allerdings bereits Zweifel, ob von einem unerlaubten Laden auszugehen sei. Dazu hätte ggf. die Beweisaufnahme erster Instanz zur Frage der gegenüber dem Kläger erteilten Erlaubnis wiederholt werden müssen.
Unabhängig davon sprach nach den Ausführungen der Kammer mehr dafür, dass im konkreten Fall eine Abmahnung ausgereicht hätte. Eine Kündigung wäre wohl unverhältnismäßig gewesen. So lagen die Kosten für den Ladevorgang am 12.01.2022 bei lediglich 0,4076 €. Ein Verbot zum Laden von Elektromotoren für die Mitarbeitenden existierte nicht. Die Hausordnung, die dies vorsah, richtete sich ausdrücklich nur an Gäste. Das Laden anderer elektronischer Geräte, wie z. B. Handys, durch Mitarbeitende wurde geduldet. Auch wenn dies wertungsmäßig etwas anderes als das Laden eines Hybridautos ist, hätte im konkreten Fall auch angesichts der bislang beanstandungsfreien Beschäftigungszeit wohl eine Abmahnung genügt. Auf Vorschlag des Gerichts haben die Parteien sich u. a. auf eine ordentliche Kündigung zum 28.02.2022 und eine Abfindung von 8.000 € brutto geeinigt. (LAG Düsseldorf, Vergleich v. 19.12.2023 – 8 Sa 244/23)

Abstract: Wenn ein Arbeitnehmer ohne Erlaubnis, aber auch ohne zuvor erteiltes Verbot seinen Pkw über das Stromnetz des Arbeitgebers lädt, ist dieses nicht mit einer fristlosen Kündigung zu ahnden. Eine Abmahnung hätte ausgereicht.

Zivilrecht

Widerrufsrecht bei Kraftfahrzeugleasing
Mehrere Verbraucher machen vor dem LG Ravensburg geltend, sie hätten Leasing- oder Kreditverträge mit Banken von Automobilherstellern (BMW Bank, Volkswagen Bank und Audi Bank) wirksam widerrufen. Diese Verträge betrafen das Leasing eines Fahrzeugs ohne Kaufverpflichtung oder die Finanzierung eines Gebrauchtwagens. Im Fall des Leasingvertrags suchte der Verbraucher einen Automobilhändler auf, der befugt war, Auskünfte über den Vertrag zu geben. Dieser wurde sodann mittels eines Fernkommunikationsmittels unmittelbar zwischen dem Verbraucher und der Bank geschlossen. Bei den Kreditverträgen waren die Händler als Vermittler der Banken tätig. Alle diese Verbraucher erklärten ihren Widerruf mehrere Monate oder mehrere Jahre nach dem Vertragsschluss. Einer von ihnen machte von seinem Widerrufsrecht Gebrauch, nachdem der Kredit vollständig zurückgezahlt worden war. Sie sind der Ansicht, die im Unionsrecht vorgesehene Widerrufsfrist von 14 Tagen habe nicht zu laufen begonnen, weil sie bei Vertragsschluss nicht hinreichend über ihre Rechte und Pflichten informiert worden seien. Die Banken machen geltend, ein Widerruf nach so langer Zeit sei jedenfalls als missbräuchlich zu qualifizieren.
Das LG Ravensburg hat den Gerichtshof hierzu befragt. Der EuGH entschied, dass einem Verbraucher, der einen Leasingvertrag über ein nach seinen Vorgaben bestelltes Fahrzeug schließt, auf der Grundlage des Unionsrechts kein Widerrufsrecht zusteht, wenn er nach dem Vertrag nicht verpflichtet ist, das Fahrzeug am Ende der Leasingperiode zu kaufen. Dies gilt auch dann, wenn der Vertrag im Fernabsatz oder außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen wurde. In Bezug auf die Kreditverträge stellt der Gerichtshof fest, dass die in solchen Verträgen vorgesehene Widerrufsfrist von 14 Tagen nicht zu laufen beginnt, wenn die Informationen, die der Unternehmer bei Vertragsschluss erteilen muss, unvollständig oder fehlerhaft waren und wenn sich dies auf die Befähigung des Verbrauchers, den Umfang seiner Rechte und Pflichten einzuschätzen, und auf seine Entscheidung, den Vertrag zu schließen, ausgewirkt hat. In einem solchen Fall kann die Ausübung des Widerrufsrechts nach Ablauf der Frist von 14 Tagen keinesfalls als missbräuchlich angesehen werden, auch wenn dies lange nach Vertragsschluss geschieht. Sobald der Kreditvertrag vollständig erfüllt wurde, kann der Verbraucher hingegen nicht mehr von seinem Widerrufsrecht Gebrauch machen. (EuGH, Urt. V. 21.12.2023 – C-38/21, C-47/21 und C-232/21)

Abstract: Ein Verbraucher, der einen Leasingvertrag über ein Kraftfahrzeug ohne Kaufverpflichtung schließt, hat kein Widerrufsrecht. Dagegen kann ein Verbraucher, der einen Kreditvertrag im Hinblick auf den Kauf eines Fahrzeugs geschlossen hat, ohne dass er ordnungsgemäß über seine Rechte und Pflichten informiert wurde, jederzeit den Widerruf erklären, solange die Informationen nicht vollständig und zutreffend erteilt wurden, vorausgesetzt, der Widerruf erfolgt vor der vollständigen Erfüllung des Vertrags.


Vergütungsanspruch einer M&A-Beraterin
Eine Gesellschaft mit Sitz in Hong Kong beabsichtigte, zwei Tochterunternehmen zu verkaufen. Sie beauftragte ein deutsches M&A-Beratungsunternehmen, sie umfassend bei dem Unternehmensverkauf zu beraten, unter anderem die zu veräußernden Zielgesellschaften zu bewerten, Strategien auszuarbeiten und die Projektkoordination zu übernehmen. In dem Beratervertrag (sog. Advisory Agreement) ließ sich die M&A-Beraterin ein erfolgsabhängiges Transaktionshonorar versprechen, das auch dann zu zahlen war, wenn der Unternehmensverkauf innerhalb eines Jahres nach Beendigung des Advisory Agreement zustande kam. Die M&A-Beraterin wurde tätig. Nach rund einem Jahr beendete die Auftraggeberin die Zusammenarbeit und beauftragte eine neue Beraterin. Etwa neun Monate später wurde der erfolgreiche Unternehmensverkauf öffentlich bekannt gegeben. Die M&A-Beraterin klagte mit Erfolg vor der Kammer für internationale Handelssachen bei dem Landgericht Frankfurt am Main auf Zahlung ihres Beraterhonorars und auf Auskunft über den Kaufpreis für den Unternehmensverkauf. Der Streitwert des Verfahrens belief sich auf 2,785 Mio. Euro. Die Kammer für internationale Handelssachen entschied, dass eine Vereinbarung über ein erfolgsabhängiges Honorar auch dann wirksam ist, wenn die Transaktion nicht kausal auf der Leistung der M&A-Beraterin beruht. Wegen der umfassenden Beratungsleistungen sei das Advisory Agreement kein Maklervertrag, sondern ein sog. Geschäftsbesorgungsdienstvertrag. „Es ist keine unangemessene Benachteiligung darin zu sehen, dass ein solcher Geschäftsbesorger sich ein Erfolgshonorar versprechen lässt, ohne dass eine Kausalität seiner Beratungstätigkeit für das Zustandekommen der Transaktion gegeben sein muss. Diese Art der Vertragsgestaltung ist in der M&A-Branche bei einem exklusiven Mandat weithin üblich, wie der Kammer aus einer Vielzahl vergleichbarer Fallgestaltungen bekannt ist. Erst recht muss dies gelten, wenn der Berater – wie hier – nicht zugleich aufwandbezogen vergütet wird“, erklärte die Kammer für internationale Handelssachen des LG Frankfurt am 23.10.2023 (3-02 O 56/22) in ihrem nicht rechtskräftigen Urteil.