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WBP NEWS

Online-News für den 15.12.2023

Zivilrecht

Kein Anspruch des Grundeigentümers auf Umschreibung des Grundbuchs nach Löschung einer rechtmäßigen Zwangseintragung
Die Rechtsbeschwerdeführerin ist Eigentümerin mehrerer Wohnungseigentumseinheiten. In Abteilung II der Wohnungsgrundbücher wurden jeweils ein Vermerk über die Anordnung der Zwangsversteigerung, ein allgemeines Verfügungsverbot nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO sowie ein Vermerk über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen und in Abteilung III jeweils eine Arresthypothek und eine Sicherungshypothek eingetragen. Nach Löschung der Zwangseintragungen beantragt die Eigentümerin gegenüber dem Grundbuchamt, neue Wohnungsgrundbuchblätter anzulegen, aus denen die gelöschten Eintragungen nicht mehr ersichtlich sind. Das Grundbuchamt hat den Antrag zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete Beschwerde war erfolglos. Mit der von dem Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Eigentümerin ihren Umschreibungsantrag weiter.
Der BGH hat die Rechtsbeschwerde der Eigentümerin zurückgewiesen. Eine Löschung der Zwangseintragung i.S. einer Entfernung kommt von vornherein nicht in Betracht, weil nicht mehr gültige Eintragungen aus dem Grundbuch nicht entfernt, sondern lediglich „gerötet“ und mit einem Löschungsvermerk versehen werden. Aus diesem Grund ist der Antrag der Eigentümerin auch nicht auf eine „echte“ Löschung gerichtet, sondern auf die Anlage neuer Wohnungsgrundbuchblätter, aus denen die gelöschten Eintragungen nicht mehr ersichtlich sind. Ein Anspruch mit diesem Inhalt ergibt sich nicht aus § 28 GBV, da die Wohnungsgrundbuchblätter weder unübersichtlich geworden sind noch durch eine Umschreibung wesentlich vereinfacht würden. Wie das Beschwerdegericht zutreffend sieht, kann dieser Vorschrift ein Umschreibungsanspruch auch nicht im Wege der verfassungskonformen Auslegung entnommen werden. Die Norm enthält nach ihrem eindeutigen Wortlaut keine Verpflichtung zu der Umschreibung eines Grundbuchblattes nach Löschung einer rechtmäßig zustande gekommenen Zwangseintragung. Dies beruht auf einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers, der die langjährige einhellige Ablehnung eines solchen Anspruchs in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte nicht zum Anlass genommen hat, eine Änderung der Rechtslage herbeizuführen. Dementsprechend kommt auch eine analoge Anwendung der Vorschrift nicht in Betracht, weil es an einer Regelungslücke fehlt. Art. 17 Abs. 1 a) DS-GVO begründet ebenfalls keinen Umschreibungsanspruch. Die Norm findet nach dem Ausschlusstatbestand des Art. 17 Abs. 3 b) DS-GVO keine Anwendung, da die Speicherung und Verarbeitung personenbezogener Daten im Grundbuch zu der Wahrnehmung einer Aufgabe im öffentlichen Interesse erforderlich ist. Schließlich kann der geltend gemachte Anspruch auch nicht unmittelbar aus der Verfassung abgeleitet werden. Der BGH hat insoweit dahinstehen lassen, ob sich in Ermangelung einer einfachgesetzlichen Regelung aus Grundrechten überhaupt ein verfassungsunmittelbarer Umschreibungsanspruch ergeben könnte, da die Beteiligte durch die Ablehnung des Umschreibungsantrags jedenfalls nicht in ihren Grundrechten verletzt ist. Wird Dritten Grundbucheinsicht gewährt, liegt darin zwar ein Eingriff in das auf diese Daten bezogene, durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Recht auf informationelle Selbstbestimmung des durch die Grundbucheinsicht Betroffenen. Dieser Eingriff ist jedoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Insbesondere entspricht die gesetzliche Regelung dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Es besteht ein erhebliches öffentliches Interesse an der Funktionsfähigkeit des Grundbuchs, das zuverlässig Auskunft über die gegenwärtigen und vergangenen Rechtsverhältnisse an dem Grundstück geben muss. Es wäre nicht praktikabel, wenn bei jeder gelöschten Zwangseintragung auf Antrag ein neues Grundbuchblatt angelegt und das alte Grundbuchblatt geschlossen werden müsste. Der damit verbundene Arbeitsaufwand führte bei der Vielzahl derartiger Löschungsvorgänge zu einer empfindlichen Störung der Funktionsfähigkeit der Grundbuchämter. Dem stünde kein erheblicher Nutzen für den betroffenen Eigentümer gegenüber, weil bei Darlegung eines berechtigten Interesses auch in das geschlossene Grundbuchblatt Einsicht genommen werden könnte. Art. 14 Abs. 1 GG sowie Art. 3 Abs. 1 GG gebieten ebenfalls keinen Anspruch auf die Umschreibung von Grundbuchblättern nach der Löschung einer Zwangseintragung. (BGH, Beschl. v. 21.09.2023 – V ZB 17/22)

Abstract: Der von einer rechtmäßig zustande gekommenen Zwangseintragung im Grundbuch betroffene Eigentümer hat nach deren Löschung keinen Anspruch auf Umschreibung des Grundbuchs.

Steuerrecht

Keine Steuerersparnis durch die Vermietung von Luxusimmobilien
Die Steuerpflichtigen, ein Elternpaar, hatten insgesamt drei Villengebäude mit einer Wohnfläche von jeweils mehr als 250 qm erworben. Die Immobilien vermieteten sie unbefristet an ihre volljährigen Kinder. Durch die Vermietung entstanden den Steuerpflichtigen jährliche Verluste zwischen 172.000 € und 216.000 €. Diese Verluste verrechneten sie mit ihren übrigen Einkünften. Dadurch ergab sich eine erhebliche Einkommensteuerersparnis. Der BFH hat die Verrechnung der Verluste mit den übrigen Einkünften und die damit verbundene Steuerersparnis nicht zugelassen. Wird eine Immobilie mit einer Wohnfläche von mehr als 250 qm vermietet, müsse der Steuerpflichtige nachweisen, dass die Vermietung mit der Absicht erfolge, einen finanziellen Überschuss zu erzielen. Könne er diesen Nachweis nicht führen, weil er über einen längeren Zeitraum Verluste erwirtschafte, handele es sich bei der Vermietungstätigkeit um eine steuerlich nicht beachtliche sogenannte Liebhaberei. Im Fall einer Liebhaberei seien aus dieser Tätigkeit stammende Verluste nicht mit anderen positiven Einkünften verrechenbar. Der BFH bestätigt mit dieser Entscheidung seine bisherige Rechtsprechung, wonach bei der Vermietung von aufwendig gestalteten oder ausgestatteten Objekten (z.B. Größe von mehr als 250 qm Wohnfläche; Schwimmhalle) nicht automatisch von einer steuerbaren Tätigkeit auszugehen ist. Denn insoweit handelt es sich um Objekte, bei denen die Marktmiete den besonderen Wohnwert nicht angemessen widerspiegelt und die sich aufgrund der mit ihnen verbundenen Kosten oftmals auch nicht kostendeckend vermieten lassen. Daher ist bei diesen Objekten anlässlich der steuerlichen Erfassung der Einkünfte regelmäßig nachzuweisen, dass über einen 30-jährigen Prognosezeitraum ein positives Ergebnis erwirtschaftet werden kann. (BFH, Urt. V. 16.11.2023 – IX R 17/21)

Abstract: Wird ein Objekt mit einer Größe von mehr als 250 qm Wohnfläche vermietet, können aufgrund der Vermietung entstehende Verluste nicht ohne Weiteres mit anderen Einkünften des Steuerpflichtigen verrechnet werden.

Arbeitsrecht

Ein Smiley ist im Kennwort der Vorschlagsliste für eine Betriebsratswahl unzulässig
Fünf Arbeitnehmer eines weltweit tätigen Logistikunternehmens mit einem Betrieb am Flughafen Köln/Bonn und einer weiteren Betriebsstätte im benachbarten T. hatten die Wahl des 25köpfigen Betriebsrats angefochten und dies u.a. damit begründet, dass der Wahlvorstand ihren Wahlvorschlag zu Unrecht wegen des verwendeten Listenkennworts zurückgewiesen und stattdessen mit den Familien- und Vornamen der beiden in der Liste an erster Stelle benannten Wahlbewerbern versehen habe. Die Arbeitnehmer hatten beim Wahlvorstand zunächst einen Wahlvorschlag mit dem Kennwort „fair.die“ eingereicht. Nachdem der Wahlvorstand den Vorschlag wegen einer phonetischen Verwechslungsgefahr mit der Gewerkschaft ver.di zurückgewiesen hatte, teilten die Arbeitnehmer mit, dass ihr Wahlvorschlag das Kennwort „FAIRdie Liste“ tragen solle. Dieses Kennwort sowie drei weitere Alternativvorschläge, die ebenfalls ein Smiley enthielten, lehnte der Wahlvorstand wiederum ab.
Wie das LAG entschieden hat, ist ein Bildzeichen als Bestandteil eines Kennworts unzulässig, wenn es wie das Smiley lediglich einen Stimmungs- oder Gefühlszustand ausdrückt, keine eindeutige Wortersatzfunktion hat und demgemäß üblicherweise nicht mit ausgesprochen wird. Zudem hätte auch bei dem Kennwort „FAIRdie Liste“ eine Verwechslungsgefahr bestanden, da es lautsprachlich wie „ver.di-Liste“ klingt. Gleichwohl hat das LAG die Betriebsratswahl für unwirksam erklärt, weil der Wahlvorstand für die Betriebsstätte T. trotz ihrer räumlichen Nähe zum Hauptbetrieb unzulässigerweise die generelle Briefwahl angeordnet hatte. Das LAG hat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen. (LAG Köln, Beschl. v. 01.12.2023 – 9 TaBV 3/23)

Abstract: Eine Vorschlagsliste für die Betriebsratswahl, die in ihrem Kennwort ein enthält, ist ungültig.

Zivilrecht

Verkehrsunfall beim Überholen: Haftung bei Verstoß gegen „doppelte Rückschaupflicht“
Am Tag 23.12.2021 kam es auf einer Landstraße zu einem Verkehrsunfall. Ein Auto überholte einen Trecker mit Anhänger, der Trecker bog in diesem Moment links ab und das Auto landete im Graben. Über den genauen Unfallablauf herrscht Uneinigkeit – vor allem zu der Frage, ob der Treckerfahrer vor dem Abbiegen geblinkt hat. Die Fahrerin des Autos verlangte nun vor dem LG den Ersatz des Schadens.
Das Gericht kam zu dem Ergebnis, die Autofahrerin könne 2/3 ihres Schadens von dem Treckerfahrer ersetzt verlangen. Dieser habe offensichtlich gegen die „doppelte Rückschaupflicht“ verstoßen. Derjenige, der links abbiegen wolle, habe vor dem Einordnen und nochmals direkt vor dem Abbiegen auf den nachfolgenden Verkehr zu achten. Hätte der Treckerfahrer diese Regelung befolgt, wäre es nicht zu dem Unfall gekommen. Doch auch die Fahrerin des Autos habe sich nicht korrekt verhalten. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stand für das Gericht fest, dass der Treckerfahrer nach links geblinkt habe. Dies bestätigte ein Zeuge, der hinter den beiden Unfallbeteiligten fuhr. Es habe sich deswegen um eine unklare Verkehrssituation gehandelt, in der im Zweifel auf einen Überholvorgang verzichtet werden müsse. Aus diesem Grund habe die Klägerin 1/3 des Schadens selbst zu zahlen. (LG Lübeck, Urt. V. 28.09.2023 – 15 O 46/23; rkr.)

Abstract: Abbiege- und Überholvorgänge im Straßenverkehr bergen große Risiken und verlangen daher größte Aufmerksamkeit von allen Verkehrsteilnehmern. Beim Abbiegen und beim Überholen ist die doppelte Rückschaupflicht zu beachten.

Trinkgeldhöhe überschritten
Zahlungen in Höhe von 50.000 € bzw. rund 1,3 Mio. € sind regelmäßig keine steuerfreien Trinkgelder. Dies hat das FG Köln entschieden (Az. 9 K 2507/20 und 9 K 2814/20). Ein an einer GmbH beteiligtes Unternehmen zahlte den beiden Prokuristen der GmbH Beträge von 50.000 € bzw. rund 1,3 Mio. € und bezeichnete die Zahlungen als „Trinkgelder“. Die Prokuristen machten im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärungen geltend, dass die Zahlungen als Trinkgelder nach § 3 Nr. 51 EstG steuerfrei seien. Die Beträge seien ihnen im Zusammenhang mit Beteiligungsveräußerungen von einem Dritten freiwillig und ohne einen Rechtsanspruch zusätzlich zu dem von der GmbH als Arbeitgeberin gezahlten Arbeitslohn gewährt worden. Das Finanzamt behandelte die Beträge als steuerpflichtigen Arbeitslohn. Freiwillige Sonderzahlungen konzernverbundener Unternehmen seien keine steuerfreien Trinkgelder. Auch wenn die für das Streitjahr geltende Fassung des EstG keine betragsmäßige Begrenzung mehr enthalte, sei die Höhe der Zahlungen zu berücksichtigen. Der Trinkgeldbegriff werde durch den Trinkgeldempfänger geprägt. Trinkgelder würden traditionell insbesondere Kellnern, unselbstständigen Boten, Friseuren, Fußpflegern, Gepäckträgern und Taxifahrern gewährt. Es handele sich regelmäßig um Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in eher niedriger entlohnten Berufen, die solche Zusatzleistungen regelmäßig nur als geringe Beträge erhielten. Geldgeschenke von hohem Wert oder die einem Arbeitsentgelt entsprächen seien dagegen kein Trinkgeld. Die Klagen der Prokuristen hatten keinen Erfolg. Die Zahlungen seien schon aufgrund ihrer Höhe, aber auch mit Blick auf die Gesamtumstände keine steuerfreien Trinkgelder. Auch wenn der Gesetzgeber im Jahr 2002 die damals noch enthaltene Freibetragsgrenze in Höhe von 1.224 € abgeschafft habe, habe er nicht beabsichtigt, dem Begriff des Trinkgelds keinerlei betragsmäßige Begrenzung mehr zuzuschreiben. Die Zahlungen in Höhe von 50.000 € bzw. rund 1,3 Mio. € überstiegen jedenfalls deutlich den Rahmen dessen, was nach dem allgemeinen Begriffsverständnis als Trinkgeld verstanden werden könne.