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WBP NEWS

Online-News für den 01.08.2023

Zivilrecht

Keine Mithaftung für den Autokredit des „Ex“
Die Anfang 20-Jährige verdiente als Verkäuferin in einer Bäckerei monatlich ca. 1.300 € netto. Sie unterschrieb neben ihrem Freund einen Darlehensvertrag über rund 90.000 € mit einer monatlichen Rate von knapp über 1.000 €. Der Freund wollte mit dem Geld alte Kredite umschichten und ein Auto kaufen. Zwei Jahre später kündigte die Bank den Kreditvertrag, weil der Freund die Raten nicht mehr bediente. Sie stellte die Restforderung von rund 50.000 € fällig. Weil sie von dem (inzwischen Ex-)Freund der jungen Frau das Geld nicht erhielt, verklagte die Bank die Frau, die zur Zahlung des Betrages verurteilt wurde.
Hiergegen wandte sie sich an das OLG. Dieses gab der Frau Recht und wies die Klage der Bank ab: Die Frau sei keine echte Darlehensnehmerin, sondern habe lediglich eine Mithaftung übernommen. Es handele sich daher um eine einseitig belastende Vertragsabrede. Eine solche Abrede sei zwar möglich, im konkreten Falle aber wegen der Gesamtkonstellation und der offensichtlichen, krassen finanziellen Überforderung der Frau sittenwidrig und damit nichtig. Der Bank sei bei Vertragsschluss die emotionale Verbundenheit der Frau zu ihrem Freund bekannt gewesen, ebenso deren beengte finanzielle Verhältnisse, also die Tatsache, dass die Haftung die Frau finanziell ruinieren könne. Es widerspreche dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden, wenn Banken ein solche Situation ausnutzten. Die klagende Bank habe die sich daraus im konkreten Einzelfall ergebende Vermutung der Sittenwidrigkeit nicht widerlegen können. Insbesondere spreche es nicht gegen eine Sittenwidrigkeit, dass die junge Frau bei Vertragsschluss nichts von ihrer prekären Situation ahnte, weil sie irrtümlich glaubte, es gehe nur um 7.500 € für das Auto. (OLG Oldenburg, Urt. v. 29.06.2023 – 8 U 172/22)

Abstract: Eine einseitig belastende Vertragsabrede ist grundsätzlich möglich, aber die Gesamtkonstellation muss stimmig und nicht einem offensichtlichen, krassen finanziellen Verhältnis die Unterschreibende sittenwidrig überfordern, wenn die darlehensgebende Bank bei Vertragsschluss die emotionale Verbundenheit der Unterschreibenden zum Darlehensnehmer bekannt gewesen war und deren beengte finanzielle Verhältnisse. Es widerspricht dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden, wenn Banken eine solche Situation ausnutzen.

Steuerrecht

Steuerermäßigung für die Inanspruchnahme haushaltsnaher Dienstleistungen durch Mieter
Die Kläger wohnten in einer angemieteten Eigentumswohnung. Der Vermieter stellte ihnen mit der Nebenkostenabrechnung Aufwendungen für Treppenhausreinigung, Schneeräumdienst, Gartenpflege und für die Überprüfung von Rauchwarnmeldern in Rechnung. Hierfür begehrten sie die Steuerermäßigung für haushaltsnahe Dienstleistungen und Handwerkerleistungen nach § 35a EStG. Finanzamt und FG lehnten dies ab. Der BFH entschied anders. Er gab den Steuerpflichtigen Recht.
Der Steuerermäßigung steht nicht entgegen, dass Mieter die Verträge mit den jeweiligen Leistungserbringern, z.B. dem Reinigungsunternehmen und dem Handwerksbetrieb,
regelmäßig nicht selbst abschließen. Für die Gewährung der Steuerermäßigung sei ausreichend, dass die haushaltsnahen Dienstleistungen und Handwerkerleistungen dem Mieter zu Gute gekommen. Soweit das Gesetz zudem verlange, dass der Steuerpflichtige für die Aufwendungen eine Rechnung erhalten habe und die Zahlung auf das Konto des Erbringers der Leistung erfolgt sei, genüge als Nachweis auch eine Wohnnebenkostenabrechnung oder eine Bescheinigung, die dem von der Finanzverwaltung anerkannten Muster entspricht (Anlage 2 des Schreibens des Bundesfinanzministeriums vom 09.11.2016). Aus beiden müsse sich allerdings Art, Inhalt und Zeitpunkt der Leistung sowie Leistungserbringer und Leistungsempfänger nebst geschuldetem Entgelt einschließlich des Hinweises der unbaren Zahlung ergeben. Nur bei sich aufdrängenden Zweifeln an der Richtigkeit dieser Unterlagen bleibt es dem Finanzamt oder im Klageverfahren dem FG unbenommen, die Vorlage der Rechnungen im Original oder in Kopie vom Steuerpflichtigen zu verlangen. In diesem Fall müsse sich der Mieter die Rechnungen vom Vermieter beschaffen. Diese Rechtsprechung gilt entsprechend für Aufwendungen der Wohnungseigentümer, wenn die Beauftragung für haushaltsnahe Dienstleistungen und Handwerkerleistungen durch die Wohnungseigentümergemeinschaft – regelmäßig vertreten durch deren Verwalter – erfolgt ist. (BFH, Urt. v. 20.04.2023 – VI R 24/20)

Abstract: Mieter können Aufwendungen für haushaltsnahe Dienstleistungen und Handwerkerleistungen gemäß § 35a EStG steuermindernd geltend machen, auch wenn sie die Verträge mit den Leistungserbringern nicht selbst abgeschlossen haben.

Arbeitsrecht

Das Laptop des Betriebsrats muss nicht fest montiert werden
Der Arbeitgeberin war durch das ArbG mit Beschl. v. 04.10.2021 aufgegeben worden, dem örtlichen Betriebsrat ein funktionsfähiges Laptop zur Verfügung zu stellen. Diese Entscheidung hat das LAG am 24.06.2022 (9 TaBV 52/2) bestätigt. Die Filialdirektorin der Arbeitgeberin erklärte daraufhin gegenüber der Betriebsratsvorsitzenden, sie händige das Laptop nur unter der Voraussetzung aus, dass man ihr sage, wo sie das Laptop befestigen könne. Die Arbeitgeberin meint, mit der Verpflichtung zur Überlassung eines Laptops sei nicht der standortunabhängige Einsatz verbunden. Zudem habe sie ein Interesse daran, das Laptop durch die Befestigung vor Verlust oder Beschädigung zu sichern.
Das ArbG hat entschieden, dass die Überlassung eines Laptops unter der Bedingung, dieses im Betriebsratsbüro zu befestigen, den Anspruch des Betriebsrats nicht erfüllt. Ein Laptop sei eine spezielle Bauform eines PCs, die zu den Mobilgeräten zählt und damit standortunabhängig verwendbar sei. Eine Befestigung würde damit der definitionsgemäßen Verwendungsmöglichkeit entgegenstehen. Der pflegsame Umgang mit überlassenen Sachmitteln gehöre zu den Rücksichtnahmepflichten des Betriebsrats nach dem Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit nach § 2 Abs. 1 BetrVG. Anhaltspunkte dafür, dass hier eine berechtigte Besorgnis besteht, der Betriebsrat würde dem nicht entsprechen, bestünden nicht. (ArbG Köln, Beschl. v. 10.01.2023 – 14 BV 208/20; die sofortige Beschwerde der Arbeitgeberin gegen diesen Beschluss wurde am 05.06.2023 zurückgewiesen (5 Ta 26/23)

Abstract: Ein Arbeitgeber, der verpflichtet ist, dem Betriebsrat ein Laptop zur Verfügung zu stellen, kommt dieser Verpflichtung nicht nach, wenn er auf der festen Montage des Geräts besteht.

Erbrecht

Der Lebensgefährte soll nach dem Wortlaut des Testaments verbannt werden
Die Klägerin erbte als einzige Tochter ihrer verstorbenen Mutter im Wesentlichen ein Hausgrundstück mit einem freistehenden Einfamilienhaus, das sich seit Jahrzehnten im Eigentum der Familie befand und in dem die Mutter in einer und die Tochter mit der Enkelin (bis zu deren Auszug 2016) in einer weiteren Wohnung lebten. Die Enkelin wurde als Miterbin eingesetzt. Der langjährige Lebensgefährte der Tochter hatte eine eigene Wohnung in der Nachbarschaft, ging aber in dem Haus ein und aus, war der Ziehvater der Enkelin und nahm im Haus auch Reparaturen vor. Es gab zu keiner Zeit Streit oder ein Zerwürfnis und man lebte wie eine Familie zusammen. In dem notariellen Testament, in dem die Tochter und die Enkelin als Erbinnen eingesetzt wurden, waren hierfür allerdings zwei Bedingungen formuliert. Zum einen war es den Erbinnen untersagt, das Grundstück an den Lebensgefährten der Tochter zu übertragen. Zum anderen sollten die Erbinnen dem Lebensgefährten auf Dauer untersagen, das Grundstück zu betreten. Zur Überwachung des Betretungsverbots wurde der Beklagte als Testamentsvollstrecker eingesetzt. Er sollte die Immobilie bei einem Verstoß gegen die Bedingung veräußern, wobei der Erlös zu ¼ der Tochter, zu ¼ der Enkelin und im Übrigen gemeinnützigen Zwecken zukommen sollte. Die beiden Erbinnen verlangten vor dem LG die Feststellung, dass die Bedingung des Betretungsverbots nichtig sei, weil sie dieses für sittenwidrig hielten. Das Verbot, das Grundstück an den Lebensgefährten zu übertragen, akzeptierten sie. Das LG gab der Klage statt und erklärte das Betretungsverbot wegen Sittenwidrigkeit für ungültig. Hiergegen wandte sich der Beklagte mit seiner Berufung an das OLG.
In der mündlichen Verhandlung hat der 10. Zivilsenat die Rechtslage mit den Parteien eingehend erörtert. Bei der Frage, ob eine testamentarische Bedingung wegen Sittenwidrigkeit nichtig ist, ist zu beachten, dass die vom Grundgesetz geschützte Testierfreiheit es einer Erblasserin grundsätzlich ermöglicht, die Erbfolge nach ihren eigenen Vorstellungen zu gestalten und sie dabei einen sehr großen Gestaltungsspielraum hat. Sittenwidrigkeit kann daher nur in sehr engen Ausnahmefällen angenommen werden. Dies gilt auch für Bedingungen. Ein schwerwiegender Ausnahmefall, der zur Sittenwidrigkeit einer Bedingung führen kann, ist immer nur dann anzunehmen, wenn in der Abwägung zwischen der Testierfreiheit der Erblasserin und den Freiheitsrechten der Betroffenen anzunehmen ist, dass die nur bedingte Zuwendung einen unzumutbaren Druck auf die Bedachten ausübt, sich in einem höchstpersönlichen Bereich in einer bestimmten Art und Weise zu verhalten. Bedingungen, die dagegen lediglich die Nutzung des vererbten Vermögensgegenstandes betreffen, sind dagegen regelmäßig zulässig. Hier weist zwar die angefochtene Bedingung einen Bezug zur Nutzung des vererbten Hausgrundstücks auf. Unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles steht hier jedoch im Vordergrund, dass dem langjährigen Lebensgefährten der Tochter, zugleich Ziehvater der Enkelin, der Zugang zu der schon vor dem Erbfall genutzten Wohnung auf einmal verwehrt sein soll. Das bis zum Tod der Erblasserin unstreitig praktizierte familiäre Zusammenleben könnte aufgrund der Bedingung nicht mehr in dieser Form fortgeführt werden. Damit ist aber der höchstpersönliche Bereich der Lebensführung der Tochter betroffen und die Bedingung sittenwidrig und nichtig. Für die Rechtsfolge ist weiter davon auszugehen, dass die Erblasserin ihre Tochter und ihre Enkelin auch ohne die unwirksame Bedingung zu Erbinnen eingesetzt hätte, so dass die Sittenwidrigkeit nur dazu führt, dass die Bedingung entfällt. Da der Senat damit die rechtliche Einschätzung der Vorinstanz zur Sittenwidrigkeit teilte, nahm der Beklagte seine Berufung zurück, so dass das Urteil des LG rechtskräftig wurde. (OLG Hamm, Beschl. v. 19.07.2023 – 10 U 58/21)

Abstract: Ein schwerwiegender Ausnahmefall, der zur Sittenwidrigkeit einer Bedingung in einem Testament führen kann, ist dann anzunehmen, wenn in der Abwägung zwischen der Testierfreiheit der Erblasserin und den Freiheitsrechten der Betroffenen anzunehmen ist, dass die nur bedingte Zuwendung einen unzumutbaren Druck auf die Bedachten ausübt, sich in einem höchstpersönlichen Bereich in einer bestimmten Art und Weise zu verhalten.

Modernisierung des Namensrechts
Der Name einer Person zählt zum verfassungsrechtlich geschützten Persönlichkeitsrecht. Er besteht aus Vor- und Familienname und dient dazu, eine Person im Rechtsverkehr von anderen Personen zu unterscheiden und zu identifizieren. Das BMJ hält das geltende Namensrecht an vielen Stellen jedoch nicht mehr für zeitgemäß. Es hat einen Gesetzentwurf vorgelegt, um das Namensrecht zu modernisieren, weil einzelne Änderungen in der Vergangenheit zu unübersichtlichen und teils widersprüchlichen Regelungen geführt hätten, und um Lücken zu füllen. Beabsichtigt ist die Einführung echter Doppelnamen: Paare sollen künftig beide Familiennamen zu einem gemeinsamen Doppelnamen zusammensetzen können; eine Vereinfachung bei der Änderung des Familiennamens: Scheidungskinder sollen in Zukunft einfacher ihren Familiennamen ändern können und geschlechtsangepasste Familiennamen: Angehörige der Sorben sollen künftig geschlechtsangepasste Familiennamen eintragen können.