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WBP NEWS

Online-News für den 01.09.2024

Zivilrecht

Aufschaukelnder Anhänger ist nicht mangelhaft
Der Inhaber eines Betriebes für Garten- und Landschaftsbau bestellte bei einem Unternehmen, das Handel mit Baumaschinen betreibt, für seinen Betrieb einen Anhänger. Dabei handelte es sich um einen sog. Starrdeichsel-Plattformanhänger mit Zentral-Doppel-Achse. Nach dessen Auslieferung reklamierte der Garten- und Landschaftsbauer erst mehr als drei Wochen später ein Aufschaukeln des Anhängers im Fahrbetrieb, wenn der Anhänger nicht beladen sei. Der Anhänger sei deshalb mangelhaft. Der Garten- und Landschaftsbauer erhob Klage mit dem Ziel, sich mit seiner Klage vom Kaufvertrag zu lösen und von dem Unternehmen die Rücknahme und Rückübereignung des Anhängers gegen Rückzahlung des Kaufpreises zu verlangen.
In einem Hinweisbeschluss hat das OLG die Klageabweisung des LG bestätigt. Zur Begründung hat der Senat ausgeführt, dass ein Mangel des Anhängers im Verfahren nicht bewiesen worden sei. Aufgrund des gerichtlich eingeholten Sachverständigengutachtens sei der Senat vielmehr davon überzeugt, dass die gesetzlich vorgeschriebene Stützlast und damit das Vermeiden des Aufschaukelns des Anhängers durch das Ergreifen von einfachen Maßnahmen erreicht werden könne. Bei einem Starrdeichsel-Anhänger mit Einzelachse oder Doppelachse müsse für eine ausreichend hohe Anhänger-Stützlast Sorge getragen werden, denn bei zu geringer Stützlast könne es technisch bedingt zu einer unzureichenden Belastung der spurführenden Hinterachse des Zug-Lkws kommen. Sollte es bei einer bestimmten Transportsituation nicht möglich sein, die zu transportierende Ladung so zu verteilen, dass eine ausreichend hohe Stützlast erreicht werde, bestehe – neben einer evtl. Anpassung der Höhe der Anhängerkupplung – aus technischer Sicht die Möglichkeit, diese durch zusätzliches Mitführen von Ballastgewicht zu realisieren, beispielsweise mittels befüllter Big-Bags oder mittels Betonteile. Zudem sei bei einem Handelskauf einem gewerblichen Käufer zuzumuten, innerhalb von zwei Wochen einen Anhänger im Fahrbetrieb mit und ohne Ladung zu prüfen. Mit einer bloßen Inaugenscheinnahme des Anhängers innerhalb der ersten beiden Wochen nach dem Erwerb genüge der Käufer bei einem Kauf unter Handelsleuten den gesetzlichen Vorgaben nicht, um sich seine Gewährleistungsrechte zu erhalten. Der Kläger hat seine Berufung auf den Hinweis des Senats zurückgenommen. (OLG Zweibrücken, Beschl. v. 12.07.2024 – 4 U 63/24)

Abstract: Ein sich aufschaukelnder Anhänger ist nicht mangelhaft, wenn das als Mangel gerügte Aufschaukeln mit einfachen Maßnahmen verhindert werden könne. Ein gewerblicher Käufer sollte das Fahrverhalten des Anhängers innerhalb einer Zweiwochenfrist nach Auslieferung des Anhängers prüfen, um seine Gewährleistungsrechte nicht zu verlieren.

Steuerrecht

Höhe für sog. Aussetzungszinsen verfassungswidrig?
Einspruch und Klage haben im Steuerrecht grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung, d.h. die Erhebung einer Abgabe wird nicht aufgehalten und der Steuerpflichtige muss die festgesetzte Steuer zunächst zahlen. Die aufschiebende Wirkung von Einspruch und Klage kann aber in einem summarischen Verfahren auf Antrag bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids von Finanzamt oder Finanzgericht gesondert durch die Aussetzung der Vollziehung (AdV) angeordnet werden. Für den Steuerpflichtigen bedeutet das einerseits, dass er die Steuer zunächst nicht zahlen muss. Andererseits droht ihm eine Belastung mit Zinsen, wenn sein Rechtsmittel endgültig ohne Erfolg bleibt und er die Steuer „nachträglich“ zahlen muss. Er hat dann nämlich für die Dauer der AdV und i.H.d. ausgesetzten Steuerbetrags Zinsen i.H.v. einhalb Prozent pro Monat, also 6 % pro Jahr zu entrichten (Aussetzungszinsen, § 237 i.V.m. 238 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung –AO–). Mit Beschl. v. 08.07.2021 – 1 BvR 2237/14 (BVerfGE 158, 282) hat das BVerfG die Vollverzinsung in dieser Höhe (§ 233a i.V.m. § 238 Abs. 1 Satz 1 AO) ab dem 01.01.2014 für unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG erklärt, dies aber nicht auf die Aussetzungszinsen und andere Teilverzinsungstatbestände erstreckt.
Im Streitfall hatte der Kläger seinen Einkommensteuerbescheid 2012 angefochten. Dessen Vollziehung setzte das FA aus. Die Klage war erfolglos. Aussetzungszinsen von einhalb Prozent wurden für 78 Monate festgesetzt, u.a. für den Zeitraum von 01.01.2019 bis zum 15.04.2021. Der Kläger wandte sich gegen die Zinsfestsetzung.
Nach Auffassung des BFH ist ein Zinssatz für die Zinsen bei AdV in Höhe von einhalb Prozent pro Monat, also 6 % p.a. gemäß § 237 i.V.m. § 238 Abs. 1 Satz 1 AO im Zeitraum vom 01.01.2019 bis zum 15.04.2021 mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar. Zumindest während einer anhaltenden strukturellen Niedrigzinsphase ist der gesetzliche Zinssatz der Höhe nach evident nicht (mehr) erforderlich, um den durch eine spätere Zahlung typischerweise erzielbaren Liquiditätsvorteil abzuschöpfen. Zudem werden Steuerpflichtige, die Zinsen schulden, weil sie die Steuer nach AdV nicht bezahlt haben, und Steuerpflichtige, die Nachzahlungszinsen entrichten müssen, weil ihre Steuerfestsetzung zu einem Unterschiedsbetrag (§ 233a Abs. 3 AO) geführt hat und sie die materiell-rechtlich von Anfang an geschuldete Steuer deshalb erst später zahlen müssen, ungleich behandelt. Denn Nachzahlungszinsen werden seit dem 01.01.2019 lediglich mit einem Zinssatz von 0,15 % für jeden Monat, also 1,8 % p.a. berechnet. Auch diese Zinssatzspreizung ist verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt. (BFH, Beschl. v. 08.05.2024 – VIII R 9/23)

Abstract: Der BFH hält Aussetzungszinsen von monatlich einhalb Prozent für sog. Aussetzungszinsen für verfassungswidrig Er hat daher das BVerfG angerufen.

Arbeitsrecht

Arbeitgeberzuschuss zu Entgeltumwandlung – Tariföffnung
Der Kläger ist seit 1982 als Holzmechaniker bei der Beklagten beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft beidseitiger Tarifbindung der seit dem 01.01.2009 geltende Tarifvertrag zur Altersversorgung zwischen dem Landesverband Niedersachen und Bremen der Holz und Kunststoff verarbeitenden Industrie e.V. und der IG-Metall vom 09.12.2008 (TV AV) Anwendung. Der Kläger wandelt seit 2019 auf der Grundlage dieses Tarifvertrags monatlich Entgelt um. Der Tarifvertrag gewährt den Arbeitnehmern, die Entgelt umwandeln, einen zusätzlichen Altersvorsorgegrundbetrag in Höhe des 25-fachen des Facharbeiter-Ecklohns. Der Kläger verlangt von der Beklagten ab dem 01.01.2022 zusätzlich zu seinem umgewandelten Entgelt den Arbeitgeberzuschuss nach § 1a Abs. 1a BetrAVG i.H.v. 15%. Er hat gemeint, der TV AV sei keine abweichende Regelung i.S.v. § 19 Abs. 1 BetrAVG. Der Anspruch auf Zahlung eines Zuschusses aus § 1a Abs. 1a BetrAVG könne gemäß § 19 Abs. 1 BetrAVG nicht durch eine tarifvertragliche Regelung zur Entgeltumwandlung ausgeschlossen werden, die bereits vor In-Kraft-Treten der Regelung bestanden habe. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision des Klägers war erfolglos. Die Auslegung von § 19 Abs. 1 BetrAVG ergibt, dass von § 1a BetrAVG abweichende Regelungen auch in vor dem Inkrafttreten des Ersten Betriebsrentenstärkungsgesetzes geschlossenen Tarifverträgen enthalten sein können. Mit den Regelungen des TV AV liegt eine solche von § 1a BetrAVG abweichende Regelung im Sinne des § 19 Abs. 1 BetrAVG vor. (BAG, Urt. v. 20.08.2024 – 3 AZR 285/23)

Abstract: Von den gesetzlichen Regelungen zur Entgeltumwandlung (§ 1a BetrAVG) einschließlich des Anspruchs auf einen Arbeitgeberzuschuss nach § 1a Abs. 1a BetrAVG kann gemäß § 19 Abs. 1 BetrAVG auch in Tarifverträgen abgewichen werden, die bereits vor Inkrafttreten des Ersten Betriebsrentenstärkungsgesetzes am 01.01.2018 geschlossen wurden.

Zivilrecht

Vorverlegten Rückflug verpasst – Kein Anspruch auf Ersatz von Rückflugkosten ohne nachvollziehbare Darlegung der Hinderungsgründe eines verpassten Boardings
Der Kläger buchte für sich, seine Ehefrau und seine beiden sieben und 18 Monate alten Kinder eine Pauschalreise nach Antalya in der Zeit vom 26.09.2022 bis 05.10.2022 zum Preis von 1.664,00 €. Der Rückflug war am 05.10.2022 für 23.20 Uhr ab Antalya geplant, wurde jedoch zunächst auf 23:55 Uhr verschoben. Hierüber wurde der Kläger per eMail am Vorabend informiert. Der Check-Out im Hotel war für 12:00 Uhr vorgesehen. Nach den Ausführungen des Klägers sei ursprünglich geplant gewesen, den Tag mit der Familie seines Bruders, der in einem anderen Hotel in Antalya wohnte, in Antalya zu verbringen. Um die Reisedokumente und Pässe nicht den ganzen Tag herumtragen zu müssen, seien diese im Hotelsafe im Hotel des Bruders aufbewahrt worden. Beim Auschecken an der Hotelrezeption um 12:00 Uhr sei dem Kläger dann von der Rezeption mitgeteilt worden, dass die Familie auf einen anderen Flug umgebucht worden sei, der bereits um 19:50 Uhr stattfinde und dass der Shuttle-Bus um 16:35 Uhr am Hotel des Klägers abfahre. Nachdem der Reiseveranstalter die Änderung nach Zweifeln des Klägers an der Richtigkeit der Vorverlegung des Fluges schließlich bestätigte, sei aus Sicht des Klägers alles versucht worden, um den Flug noch zu erreichen. Gegen 13:00 Uhr habe sich der Kläger mit dessen Familie auf den Weg zu einem Markt in Antalya gemacht, um dort die Familie des Bruders zu treffen und von diesem den Hotelschlüssel zu erhalten, um die im Hotel des Bruders aufbewahrten Reiseunterlagen zu holen. Gegen 15:00 Uhr sei die Familie des Bruders auf dem Marktplatz angetroffen worden und der Kläger habe dessen Hotelschlüssel ausgehändigt bekommen. Sodann hätten noch Nahrungsmittel für die beiden Kinder gekauft und die Kinder gefüttert und gewickelt werden müssen. Als man mitsamt den Kindern schließlich um 17:15 Uhr wieder an dem Hotel des Klägers angelangte, war der Shuttlebus bereits abgefahren. Die Familie des Klägers sei daraufhin gegen 17:45 Uhr mit einem Taxi losgefahren, um am Hotel der Familie des Bruders noch die Reiseunterlagen abzuholen. Obwohl der Taxifahrer mit „Vollgas“ zum Flughafen gefahren sei, sei man erst gegen 19:00 Uhr am Terminal angekommen. Da das Boarding bereits abgeschlossen gewesen sei, habe der Kläger für sich und seine Familie schließlich Ersatztickets für den Rückflug bei einer anderen Fluggesellschaft für denselben Abend für 600 € erworben. Mit der Klage forderte der Kläger Ersatz der Kosten für die Rückflugtickets sowie vorgerichtlicher Anwaltskosten. Er geht davon aus, dass die Beklagte ihn nicht ordnungsgemäß über die erneute Änderung informiert habe und er diese rein zufällig beim Auschecken erfahren habe. Aufgrund der zwei kleinen Kinder und den im anderen Hotel aufbewahrten Unterlagen sei es dann nicht mehr zumutbar möglich gewesen, den Shuttle-Bus zu erreichen. Das Gericht wies die Klage weitestgehend ab und sprach dem Kläger lediglich einen Anspruch auf Minderung in Höhe von 83,20 € aufgrund der Verkürzung der Reise durch die Vorverlegung des Rückflugs von ursprünglich 23:20 Uhr auf 19:50 Uhr sowie darauf entfallene vorgerichtliche Anwaltskosten von 90,96 € zu. Für das Gericht war nicht nachvollziehen, wieso es nicht möglich war, die Reiseunterlagen aus dem Hotel des Bruders auf andere Weise zu besorgen. Es sei dem Kläger möglich und zumutbar gewesen, nach Mitteilung der Vorverlegung bis zur Abfahrt des Shuttles um 16:35 Uhr alles Notwendige zu organisieren: „Stattdessen enthält dagegen die Darlegung des Klägers zum Zeitablauf von Checkout im Hotel bis zur verspäteten Rückkehr zum Hotel diverse Elemente, die mit Schadensminderungspflichtüberlegungen nicht in Einklang zu bringen bzw. weiterhin unsubstantiiert sind. So ist die Schilderung des gesamten Zeitraums von (ca.) 12 Uhr bis 15 Uhr, also dem letztlichen Zusammentreffen mit der „restlichen Familie“ geprägt von Unklarheiten und Andeutungen, nicht aber von der gradlinigen Darstellung eines Versuchs, die Reisepapiere zu erlangen.“ (AG München, Urt. v. 30.01.2024 – 172 C 14078/23)

Abstract: Ein Reisender muss – um den Schaden zu minimieren – zumutbare Eigeninitiativen entwickeln, wenn ihm bekannt wird, dass ein Rückflug vorverlegt wurde.

Fristablauf 30.09.2024: Jetzt Schlussabrechnung der Corona-Wirtschaftshilfen einreichen
Schlussabrechnungen für Corona-Wirtschaftshilfen können noch bis zum 30.09.2024 eingereicht werden. Diese letzte Fristverlängerung geht auf eine Vereinbarung mit der Bundessteuerberaterkammer, dem Deutschen Steuerberaterverband e.V., der Wirtschaftsprüferkammer und der Bundesrechtsanwaltskammer zurück. Derzeit sind noch rund 300.000 Schlussabrechnungen der Corona-Wirtschaftshilfen einzureichen, damit die endgültige Förderhöhe für die von starken Corona-bedingten Umsatzrückgängen betroffenen Unternehmen und Selbständigen von den Bewilligungsstellen der Länder berechnet werden kann. Die Antragstellung erfolgt über die digitale Antragsplattform des Bundes unter verbindlicher Einbindung von prüfenden Dritten, die damit eine zentrale Rolle im Verfahren der Corona-Wirtschaftshilfen einnehmen. Bislang sind rund 570.000 Schlussabrechnungs-Pakete eingereicht worden. Die Bewilligungsstellen der Länder haben über 197.000 finale Schlussbescheide erteilt. In mehr als zwei Drittel der geprüften Schlussabrechnungen werden die vorläufig gewährten Hilfen bestätigt (36 %) oder eine Nachzahlung (41 %) gewährt. Rund 24 % der Schlussbescheide enthalten Rückzahlungsforderungen.